Nahost – Hisbollah-Flaggen in Damaskus

Monika Bolliger studiert Geschichte und Arabistik. Zur Zeit verbringt sie ein Auslandssemester in Damaskus. Für die GSoA-Zitig berichtet sie über die Stimmung in Syrien, die von wachsender Sympathie für die Hisbollah geprägt ist.

Die Atmosphäre war angespannt, als ich spätabends in Aleppo aus dem Zug stieg. Während der Fahrt von Istanbul nach Syrien hatte ich per SMS erfahren, dass Israel Beirut zu bombardieren begonnen hatte. Ich hatte miterlebt, wie die Stadt seit dem Bürgerkrieg wiederaufgebaut worden war, wie der Libanon gerade eben aufzublühen begann. Im Wartsaal von Aleppo gab es einen grossen Bildschirm, auf dem Nachrichten gezeigt wurden. Beirut unter Bomben, ich konnte es noch immer nicht fassen. Die Leute starrten auf den Bildschirm.

Hisbollah gewinnt an Ansehen

In Damaskus gab es Demonstrationen für die Hisbollah. Autokarawanen mit Flaggen zogen hupend durch die Stadt. An jeder Ecke wurde erregt diskutiert, während über die Fernsehbildschirme Bilder des Schreckens flimmerten. Tote Kinder und zerbombte Häuser. Die Menschen waren traurig, zornig und hatten Angst. Was, wenn Syrien als nächstes an der Reihe wäre?

Allmählich nahm der Alltag wieder seinen Lauf. Doch die Anspannung blieb, und die Solidarität mit der Hisbollah wurde mit jedem Kriegstag grösser. Immer mehr Hisbollah-Flaggen prägten das Stadtbild, immer mehr Taxis zierte neben dem verbreiteten Portrait des syrischen Präsidenten nun auch ein Bild von Hassan Nasrallah. Ein Freund von hier meinte, normalerweise wären in Syrien viele Leute gegen die Hisbollah. Aber seit dem Krieg stünden alle hinter Nasrallah.

Kriegsfolgen

Mein Gastbruder sass eines Nachts schweissgebadet im Innenhof, als ich spät nach Hause kam, und erzählte, er habe vom Krieg geträumt. Er habe im Traum mit der Hisbollah gekämpft. Er habe grosse Angst vor dem Krieg. Auch er, der «liberal» denkende Christ, ist ganz klar auf der Seite der Schiiten-Miliz. «Sie sind die einzigen, die für den Libanon kämpfen», sagte er. «Die einzigen, die Israel die Stirn bieten können. David gegen Goliath, verstehst du?» Und Damaskus platzte aus allen Nähten; nach den Irakern suchten nun auch noch Tausende von Flüchtlingen aus dem Libanon hier Zuflucht. Die Hotels waren überfüllt, Schulen wurden als Notunterkünfte verwendet, und unzählige Flüchtlinge kamen privat unter, bei Verwandten oder wildfremden, hilfsbereiten Leuten. Das enorme Ausmass an privater Hilfe war beeindruckend.

Mein libanesischer Freund Samer schrieb mir derweil verzweifelt, wie sein Nachbardorf bombardiert wurde, wie er Freunde verlor, wie seine Tante schwer verletzt wurde. «Sie bombardieren wie verrückt, egal ob du ein Kind oder eine alte Frau bist, alles machen sie kaputt. Erinnerst du dich, wie ich gesagt habe, wir sollten in Frieden mit Israel leben? Ich weiss nicht, ob ich ihnen das je verzeihen kann. Es tut mir leid, aber ich kann in der Hisbollah nun nichts anderes als einen legitimen Widerstand sehen.»

Hoffnung auf Frieden

Der Waffenstillstand kam für viele zu spät. Im Fernsehen zeigen sie nun, wie die Leute vor ihren kaputten Häusern stehen oder Leichen wegtransportieren. Erstaunlich ist, wie rasch die Libanesen in ihr geliebtes Land zurückkehren. Der Wiederaufbau soll sofort beginnen. «Unser Land», schrieb Samer, «wurde immer von fremden Mächten begehrt. Es wurde immer wieder zerstört und wir haben es wieder aufgebaut. Wie der Phönix aus der Asche werden wir uns auch diesmal erheben. Was jetzt bleibt, ist die Hoffnung, dass unser Land bald wieder blühen wird.» Der Waffenstillstand steht auf wackligen Beinen. Dennoch hoffe ich mit meinem Freund Samer auf einen anhaltenden Frieden und, so weit weg es im Moment scheint, auf eine tragbare Lösung des Nahostkonflikts. Denn solange diesbezüglich nichts geschieht, wird es kaum einen wirklichen Frieden geben.

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