Somalia als nächstes Angriffsziel?

Präsident George W. Bush kündigte an, dass der Krieg gegen Terror Jahrzehnte dauern könne und gegen verschiedene Staaten geführt würde. In die Philippinen wurden Mitte Januar einige US-Militärberater entsandt, doch ganz oben auf der Liste stehen der Irak und – Somalia
übersetzt von David Buchmann

Richard Myers, Vorsitzender des US-amerikanischen Generalstab bestätigte, dass Somalia ein mögliches Ziel ist. Westliche Medien und die Öffentlichkeit haben die Erklärung der USA weitgehend akzeptiert, dies sei die Ausweitung des «Krieg gegen Terror» gegen Länder mit Beziehungen zu Osama bin Laden’s al Quaida-Netzwerk . Die USA haben in allen strategisch wichtigen Regionen der Erde Militärbasen – ausser in Afrika. Sie unterhalten freundschaftliche Beziehungen zu Kenia, Tansania, Äthiopien und Eritrea. Somit sind der Sudan und Somalia die einzigen Länder in der Region, die kein Bündnis mit den USA haben. Seit den US-Raketenangriffen auf den Sudan vor fünf Jahren (die zur Ausweisung bin Laden’s führten), und insbesondere seit dem 11. September 2001 ging dieser Staat Konfrontationen mit der einzigen Supermacht der Welt aus dem Weg und versuchte, das Image als «Unterstützer des Terrorismus» loszuwerden, in der Hoffnung, dass die USA ihre Unterstützung für Rebellen im Süden des Landes reduzieren. Somalia galt bis 1991 als Verbündeter der USA, die Ermordung von 18 US-Marines in der Hauptstadt Mogadishu führte dann aber zu einem kompletten Rückzug der US-Streitkräfte aus Somalia. Dieser Zwischenfall wurde als Zurückweisung der Friedensmission dargestellt, allerdings starben die Soldaten während einem Angriff auf den Warlord Mohammed Aideed, bei dem auch hunderte von Somalis starben (und der ohne Bewilligung und Kenntnis des für die Friedensmission zuständigen Uno-Kommandanten unter amerikanischem Kommando stattfand. Die Redaktion).
Seither machen die USA dem verarmten Staat Vorwürfe: «Somalia war ein Land, das al Quaida Unterschlupf gewährte, und nach meinem Wissen immer noch gewährt.», sagt US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Sein «Wissen» stützt sich aber auf Informationen aus Äthiopien, der US-Botschaft in Kenya und von somalischen Rebellen.

Uno verneint terroristische Aktivitäten
«Äthiopien war lange der Hauptrivale Somalias in der Region und seine Aussenpolitik ist immer noch darauf ausgerichtet, Somalia schwach und uneinig zu halten.», schrieb der Afrikakenner Richard Dowden am 13. Dezember 2001 in der britischen Zeitung «The Guardian». Äthiopien drängt die USA seit dem 11. September, den «Krieg gegen Terror» auf Somalia auszuweiten. Äthiopische Truppen dringen in den letzten Monaten in das östliche Nachbarland ein, wie schon 1996 und 1999. Zudem unterstützt Äthiopien Rebellen gegen die somalische Regierung. Im August 2000 schrieb Dowden, «eine lange vorbereitete Friedenskonferenz brachte Somalia so nahe wie noch nie an eine breit abgestützte nationale Regierung. Äthiopien begann sofort damit, oppositionelle Warlords wie Hussein Aideed zu unterstützen.» James Astill, der Ostafrika-Korrespondent des «Guardian» ergänzt: «Äthiopien versucht aktiv, seinen ruinierten Nachbar zu destabilisieren, aus der alten und teilweise gerechtfertigten Angst vor dem Effekt, der ein vereintes Somalia auf seine eigenen drei Millionen ethnische Somali haben könnte.» Zusammenfassend sagt er: «Somalia auf den Rat Äthiopiens anzugreifen, wäre wie eine Invasion Pakistans aufgrund eines Hinweises aus Indien.» Dowden beschreibt dies als «einen klassischen Fall, dass Alliierte der USA Washington sagen, ihre lokalen Feinde seien Terroristen… Und es scheint, dass die USA dies gerne hören wollen.»
Die einzige unparteiische Stimme, die der Vereinten Nationen, sagt, dass keine terroristischen Aktivitäten in Somalia stattfinden. Dies beteuert auch die Landesregierung. «Nach unserem Wissen gibt es keine Terroristencamps in Somalia und keine Verbindungen zu al Quaida.», sagte der Präsident der Mehrparteien-Regierung Abdiqasim Salad Hassan. Er untermauert seine Aussage mit der Einladung an die USA, diesbezüglich Untersuchungen im Land durchzuführen. Transportminister Abdi Guled Mohamed wiederholt immer wieder seine Hilfsbereitschaft. «Wir sagen seit dem 11. September, dass wir helfen wollen», sagte er. «Wenn die Amerikaner sagen, dass es Terroristen in Somalia hat, sollten sie uns sagen, woher sie das wissen. Wenn hier Terroristen sind, stecken wir sie ins Gefängnis. Wir werden mit den Amerikanern zusammenarbeiten, um Terrorismus zu bekämpfen.» Aber dieses Angebot fiel auf taube Ohren.

Krieg gegen Terror oder Streben nach regionaler Dominanz?
Die Angriffsdrohung – ohne konkrete Beweise vorzulegen und entgegen den offiziellen Mitarbeitsangeboten der somalischen Regierung – entlarven den «Krieg gegen Terror» als Deckmantel, um den US-Einfluss durch eine Militärpräsenz in Ostafrika auszubauen. Die USA anerkennen die von der Uno unterstützte somalische Regierung nicht und versuchen, sie zu destabilisieren. Washington hat die somalische islamische Bewegung Al-Itihaad zu einer Terrororganisation erklärt. Al-Itihaad tauchte 1991 als eine der vielen Milizen auf, mit dem Ziel, einen islamischen Staat einzurichten. Ihre militärischen Operationen endeten jedoch 1997, als sie von äthiopischen Invasionstruppen geschlagen wurde. Seither engagiert sich die Organisation für Bildung, Justiz, Gesundheit und Wohlfahrt – alles dringend benötigte Dienste in dem Land, das im Süden eine heftige Dürre erleidet und wo eine halbe Millione Menschen unter Hunger leidet. Die Uno bestätigt das Gegenteil: «Wir haben keine Verbindungen zwischen Al-Itihaad und al Quaida gesehen», sagt Randolph Kent, der UN-Koordinator für Somalia. «Was das betrifft, finden wir auch keine Hinweise auf terroristische Aktivitäten.»
Walter Kansteiner, der US-Unterstaatssekretär für Afrika, setzt geheimnisvoll Gerüchte in Umlauf, dass einige Mitglieder der somalischen Regierung «eben so gut Leute von Al-Itihaad sein könnten». Neben diesen Diskreditierungen zogen sich Warlords am 14. Dezember letzten Jahres auch aus den Friedensgesprächen in Nairobi zurück, «offensichtlich, weil sie sich davon US-Unterstützung versprachen», wie der britische «Guardian» schrieb.
Die US-Taktik dürfte sich an den militärischen Erfolgen in Afghanistan und dem Echo aus dem Ausland orientieren. Immerhin ist es den USA dort gelungen, Unterstützung bei den zentralasiatischen Staaten zu finden, insbesondere bei den Nachbarn Usbekistan und Tajikistan, welche talibanfeindliche Truppen in Afghanistan unterstützen und eigene islamische Organisationen bekämpfen. Seit Beginn des Kalten Krieges ist es ein erklärtes Ziel der USA, in diesem geostrategisch wichtigen Gebiet Fuss zu Fassen . Mit der Stationierung von Truppen ergibt sich ein entscheidender Vorteil im «Pipeline-Krieg» gegen Russland und Iran.
Wenn man den Machtgewinn der USA durch ihrem Kampf gegen Irak und Afghanistan sieht, kann man Parallelen zu Somalia ziehen. Es wird verständlich, dass die arabische und moslemische Welt Angst und Befürchtungen hat, dass hinter dem «Krieg gegen Terror» die Strategie steht, regionale Dominanz und gefügige Alliierte zu erlangen – ungeachtet der lokalen und humanitären Konsequenzen.

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