Ein anderes Palästina ist möglich!

Am 27. März dieses Jahres sind dreissig Friedensaktivisten aus Genf, darunter auch mehrere der GSoA, zu einer Zivilen Mission in Israel/Palästina aufgebrochen. Tobia Schnebli berichtet nach der Rückkehr über seine Erlebnisse.

Wir haben viel gesehen, in dieser Woche: Die Tatorte der Attentate, wo auf beiden Seiten zivile Opfer starben; die Panzer, die Apache-Helikopter und die F-16 der israelischen Armee in Aktion. Eindrücklicher aber als diese Manifestation des Krieges waren die vielen persönlichen Begegnungen und Gespräche mit den Betroffenen, die uns klar machten, unter welcher struktureller Gewalt vor allem die palästinensische Bevölkerung zu leiden hat. In unseren Besuchen in der Westbank (28.3 und 30.3-5.4.02) haben wir die täglichen Erniedrigungen und die Brutalität kennengelernt, die die militärische Besetzung zur Folge hat. Von der israelischen Armee im Flüchtlingslager Dheishe bei Bethlehem festgehalten, wurden einige von uns Zeugen von schweren Verletzungen des internationalen humanitären Rechtes wie etwa die verhinderte Betreuung von Verwundeten. Wir haben weiter die methodische Zerstörung der zivilen, wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur der palästinensischen Bevölkerung miterlebt. So hat die israelische Armee in Ramallah nicht nur das Zentralquartier von Arafat bombardiert, sondern auch wichtige Sitze von NGOs, Krankenhäuser und sogar das Theater verwüstet.
In Gaza, welches man auch als grosses Gefängnis mit 1,2 Millionen Einwohnern bezeichnen kann, werden die Bewohner sogar innerhalb des Gebietes durch drei Gürtel in ihrer Bewegungsfreiheit gehindert, viele Menschen warten während Stunden an Kontrollposten, um nur in ihre Nachbarschaft gehen zu dürfen. Wir haben die zerstörten Pflanzenkulturen und Olivenhaine gesehen, die herumsitzenden Fischer, die nur in winzigen Meeresabschnitten fischen können, die zerstörte Fernsehstation. Die Arbeit der palästinensischen NGOs, deren Netzwerk die zivilen Missionen betreuen, ist unabdingbar, um die palästinensiche Bevölkerung vor einem gesundheitlichen, sozialen oder psychischen Kollaps zu retten. Gut eine Million der Bevölkerung Israels ist arabischer Herkunft. Diese Menschen werden im Alltag systematisch benachteiligt. Wir haben in der Wüste Negev, dort wo die israelische Armee zusammen mit der Schweizer Armee ihre gemeinsam hergestellte Munition testet, Vertreter der beduinischen Bevölkerung getroffen, die sich seit Jahrzehnten gegen zwangmässige Sedentarisierung und Bodenenteignigungen wehren. Der diesjährige “Tag der Erde” feierten wir zusammen mit dieser Israelisch-Arabische Bevölkerung auf einem Futtergras Feld von mehreren dutzend Hektaren dass im Februar dieses Jahres durch den Einsatz von chemischen Entlaubungsmittel zerstört wurde.

Viele Menschen auch in Israel wehren sich gegen diese Ungerechtigkeiten. In Jerusalem, in Tel-Aviv und vor dem Militärgefängnis in Haifa haben wir den Mut der «Frauen in Schwarz», der Militärdienstverweigerer und der Pazifisten der «Ta’Ayush» (arab: «zusammen leben») bewundert, die ihren Kampf trotz der Repression und der Tatsache, dass auch sie Betroffene der palästinensischen Selbstmordattentate sind, fortführen.
Wir waren ZeugInnen der brutalen Unterdrückung einer gewaltfreien Aktion am Check-Point A-Ram, als 3000 Israelische und Israelisch-Arabische PazifistInnen einen Hilfskonvoi für Ramallah begleiteten. Durch die gewaltsame Intervention der israelischen Armee und Polizei wurden mehrere Demonstranten verletzt, darunter ein Schweizer Missionsteilnehmer, dem der Arm gebrochen wurde. Diese israelischen FriedensaktivistInnen und Verweigerer, die von der Rechten als Landesverräter oder als «Fünfte Kolonne» des palästinensischen Feindes bezeichnet werden, haben wir als Lichtblicke der Hoffnung und des Mutes kennengelernt in einer politischen Landschaft, in der die etablierten politischen Parteien nicht zögern, die Eskalation der Gewalt und der Unterdrückung für ihre politischen Ziele in Kauf zu nehmen.