Interview mit Rosi Krenn

Interview mit der österreichischen Friedensaktivistin Rosi Krenn zur EU-Verfassung und der Friedensbewegung in Österreich.

«Eine Alternative ist notwendig»

Die österreichische Friedensaktivistin Rosi Krenn war auf Einladung der GSoA Gast am Sommer-Fitamin. Samuel Durrer hat die Gelegenheit genutzt, mit ihr ein Interview zur Europäischen Verfassung und zur Militarisierung der Europäischen Union aus Sicht der Friedensbewegung in Österreich zu führen.

 

Welche Punkte sind an der neuen europäischen Verfassung aus friedenspolitischer Sicht zu kritisieren?

Der Schwerpunkt dieser Verfassung liegt darin, dass der militärische Flügel der EU reibungslos funktionieren soll. Insofern ist diese Verfassung eine defizitäre Verfassung, die politische Optionen und Zukunftsvisionen kaum berührt, sondern hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, die bestehenden verteidigungspolitischen Vorstellungen und Kriegsziele zu zementieren. Dies geschieht einerseits in der Festlegung der Aufrüstungsverpflichtung, nach der sich jeder Mitgliedsstaat verpflichtet, seine militärischen Fähigkeiten laufend zu verbessern: In einer Verfassung hat so etwas keinen Platz.

Zum andern beinhaltet diese Verfassung eine Zentralisierung der wichtigen Politikbereiche. Dies betrifft sowohl die Innere Sicherheit, die Migrationspolitik, die Aussen-, Sicherheits- und Militärpolitik und, komplementär dazu, die Wirtschaftspolitik. Damit einher geht eine Hierachisierung der Europäischen Union: Mit der Option des «Kerneuropas» entsteht eine Dominanz einzelner Staaten über andere, insbesondere im militärischen Bereich. Die Vetomöglichkeit fällt, militärische Beschlüsse werden in Zukunft nach dem Mehrheitsprinzip gefällt. Nicht zuletzt mit der Schaffung eines europäischen Aussenministers wird den grossen Staaten Deutschland und Frankreich die Möglichkeit gegeben, gemeinsame Kriegsziele zu definieren und Einsätze voran zu treiben. Neutrale Staaten können das nicht mehr verhindern, sie können sich nur noch der Stimme enthalten.

Gibt es in in der EU-Verfassung auch positive Ansätze, zum Beispiel im Bereich ziviler Konfliktlösung?

Es fehlt an der Ausformulierung anderer Vorschläge als der – militärischen und wirtschaftlichen Interessen dienenden – diplomatischen Ansätze. Natürlich enthält die Verfassung ein Bekenntnis zu internationalen Konventionen, zum sozialen Konsens und zur Bildung; aber all diese Punkte werden nicht ausformuliert, sie bleiben im Nebel. Sie sind auch, beispielsweise in der Migrationspolitik, widersprüchlich. Im Vordergrund wird festgeschrieben, dass man sich an die Genfer Konvention halten will und im Hintergrund gibt es Verfahrensregeln, wie man MigrantInnen an den EU-Grenzen aufhalten kann. Daran ist sehr deutlich zu sehen, welche Absichten mit dieser Verfassung verfolgt werden.

Der europäische Militarisierungsprozess schreitet mit oder ohne Verfassung voran; sollte die Verfassung noch scheitern, würde sich Kerneuropa trotzdem bilden. Gibt es noch Widerstandsmöglichkeiten gegen diesen Prozess?

Ich denke, dass Widerstandspotenzial und Widerstandsmöglichkeiten weiterhin vorhanden sind. Beispielsweise liegt jetzt gerade eine Petition für ein kernwaffenfreies Europa vor, die im Europaparlament eingereicht wird. Es ist also möglich, mit einer Million Unterschriften etwas in diese Behörde einzubringen.

Daneben gibt es zahlreiche Gruppen – Friedens- und Antikriegsgruppen, Ökologie-Gruppen, «Anti-Atom»-Gruppen und viele weitere, von denen wir nun einfordern, dass sie sich an der Verfassungskritik beteiligen, da diese Verfassung im Widerspruch zu ihren Zielen steht. Dies trifft vor allem auch für die Grünen und die Gewerkschaften zu. Dies sind potenzielle Verbündete, bei denen es wichtig ist, sie in die Pflicht zu nehmen.

Ziel sollte es sein, dass eine Diskussion darüber entsteht, wie eine europäische Verfassung nach unseren Vorstellungen aussehen könnte. Als Alternative zur vorliegenden Version, die leer von politischen Visionen ist und sich nur durch ihre Rückschrittlichkeit auszeichnet.

Wo findet diese Diskussion statt? Ist die Verfassung und die Militarisierung der Europäischen Union in Österreich ein öffentliches Thema?

Die Militarisierung ist vor allem in der Debatte um die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen in den letzten Jahren ein Thema geworden. Österreich hat sich die «Eurofighter» beschafft, die offensive Kampfjäger sind, die der europäischen Armee geschuldet werden. Mit dieser Fliegerbeschaffung wurde ein politischer Richtungsentscheid gefällt: Österreich hat keinen grossen Luftraum mehr zu verteidigen, sondern baut sich von der Landesverteidigungsarmee zur Interventionsarmee um. Und der Anschluss an die europäische Militarisierung kostet halt: Die Flieger sind die grösste Rüstungsbeschaffung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Es gab im Rahmen der Beschaffung zahlreiche Aussagen von Politikern, die argumentierten, dass die Eurofighter der Euroarmee «geschuldet» werden und dass, je mehr Flieger Österreich der EU zur Verfügung stelle, desto weniger Bodentruppen in die künftigen Kriege geschickt werden müssten?

Mit dem «Friedensvolksbegehren» (siehe auch hier)steht euch nun die nächste Auseinandersetzung um die Militarisierung der EU bevor. Kannst du kurz erläutern, was ihr mit dem Friedensvolksbegehren erreichen wollt?

Das Friedensvolksbegehren will die Neutralität als Instrument des Friedens festschreiben, die EU-Verfassung verhindern und die rechtlichen Vorleistungen Österreichs hinsichtlich der Verfassung zurücknehmen. Dies betrifft einen Artikel in der Österreichischen Verfassung, der als Kriegsermächtigung ausgelegt werden kann.

Wir wollen den Betriff der Neutralität mit friedenspolitischen Vorstellungen füllen. Neutral heisst für uns nicht einfach, die Augen vor der Welt zu verschliesen: Wir fordern im Gegenteil von Österreich eine aktive Rolle in Konfliktverhütung und Vermittlung sowie im Ausbau von zivilen Lösungen zur Konfliktbeilegung. Vor allem wollen wir, auch aufgrund unserer Geschichte, verhindern, dass sich Österreich an Kriegen beteiligt.

Rosi, vielen Dank für dieses Gespräch.

Die GSoA organisierte mit Rosi Krenn am 20. August in Bern die Veranstaltung «EU: Auf dem Weg zur Militarisierung?», an der neben Rosi auch Nationalrat Jo Lang und Adrian Zimmermann aus dem Oltener Kreis linker Sozialdemokraten, Mitglied in der Komission für Aussen-, Friedens- und Sicherheitspolitik der SP Schweiz, teilnahmen.

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