Absturz möglich

Was sich seit Monaten abzeichnete, wurde diesen Sommer offensichtlich: Die Schweizer Armee will ein neues Kampfflugzeug beschaffen. Die Rüstungslobbyisten machen sich ans Werk, doch selbst innnerhalb der Armee gibt es kritische Stimmen gegen den Fliegerkauf.

Wer die Septemberausgabe der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift» (ASMZ) durchblätterte, staunte nicht schlecht: Auf ganzseitigen Inseraten warben die Rüstungsfirmen EADS (Eurofighter), Saab (Gripen) und Boing (F/A-18 Super Hornet) für ihre Waffenprodukte. Betrachtet man zudem die einzelnen Inserate in älteren Ausgaben der ASMZ, so hat beispielsweise die EADS bereits über 10’000 Franken für Inserate in dieser Zeitschrift investiert, die sich insbesondere an das höhere Offizierskader der Schweizer Armee richtet. Koordiniert werden die Aktivitäten der Rüstungsfirmen von PR-Firmen in der Schweiz. So vertritt der ehemalige Informationschef von Bundesrat Cotti, Franz Egle, für die Consulting-Firma Hirzel. Neef. Schmid. die Interessen der EADS im Parlament und bei der Armeespitze. Der PR-Berater Klaus J. Stöhlker will der Firma Saab Vorteile schaffen. Und auffällig oft meldet sich als Befürworter des Super-Hornet der Oberst im Generalstab Dominique Brunner zu Wort. Brunner ist Partner der PR-Firma Farner PR, die seit Jahrzehnten für Rüstungskäufe lobbyiert und bereits bei der Beschaffung der F/A-18 Schlagzeilen gemacht hatte, weil ihr Mitarbeiter Divisionär Gustav Däniker die Ständeratskommission beriet, ohne seine Verbindungen offen zu legen. Die Aktivitäten der Lobbyisten machen deutlich, dass der geplante Kauf neuer Kampfflugzeuge für die Herstellerfirmen zur Chefsache geworden ist. So erklärte etwa der Gripen-CEO Ian McNamee kürzlich, dass ein Verkauf an die Schweiz «sehr wichtig» sei.

Neben dem Eurofighter ist in den letzten Monaten der Gripen denn auch auffällig häufig porträtiert worden. Die Schweden haben verschiedentlich auf die vielfältigen Möglichkeiten für Kompensationsgeschäfte hingewiesen, die durch einen Kauf ermöglicht würden (vergleiche Kompensationsgeschäfte). Zudem spricht der relativ günstige Preis für den Gripen: Er könnte es der Schweizer Armee – wie schon bei der Beschaffung der Tiger-Flugzeuge im Jahr 1976 – erlauben, auch in Zeiten schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen ein Flugzeug zu kaufen, das zwar nicht leistungsfähig ist, aber als Symbol genügt. Denn letztlich geht es bei der Beschaffung neuer Flugzeuge für die Schweizer Armee schon lange nicht mehr um die tatsächlichen Notwendigkeiten, sondern um ein symbolisches militärisches Ritual, das sich seit 1945 alle 10-15 Jahre wiederholt.

Kritische Stimmen

Doch diesmal mehren sich die kritischen Stimmen gegen eine Beschaffung. Während sich friedenspolitische Organisationen und Parteien auf Anregung der GSoA seit Monaten mit der Frage auseinandersetzen, wie ein Kauf der Flugzeuge verhindert werden kann, werden auch unbequeme Stimmen in der Armee laut: In einer Umfrage der ASMZ zur Frage, ob die Schweiz ein neues Kampfflugzeug brauche, äusserte sich beispielsweise Hauptmann Albert Widmer, Mitglied der Armeereformkommission Schoch, mit deutlichen Worten: «Jede seriöse Lagebeurteilung zeigt, dass keine ernst zu nehmende militärische Bedrohung, die den Einsatz von Kampfflugzeugen erfordert, am Horizont auszumachen ist. Die Schweiz ist von demokratischen Staaten umzingelt!» Der Armeechef Keckeis wolle sich mit der politisch und militärisch fragwürdigen Begründung, dass die Flugzeuge zur Abwehr von Terroristen benötigt würden, einen «Bubentraum» erfüllen. Auch Oberst aD Willi J. Borer zweifelt an der Notwendigkeit einer Beschaffung: «Hauptaufgabe der Flugwaffe (…) ist die Kontrolle und Abriegelung eines beschränkten Luftraumes (…). Für diese Aufgabe genügt eine reduzierte Zahl von Flugzeugen.»

Die Strategieplaner im VBS hatten an diesen deutlichen Worten von Armeeangehörigen natürlich keine Freude. Kein Wunder, berichtete die ASMZ in der Oktoberausgabe, dass «den Fachleuten in der Luftwaffe aufgefallen» sei, dass in der erwähnten Umfrage «verschiedentlich Unwahrheiten, ja sogar Diffamierungen» zu lesen gewesen wären. Die Wahrheit ertrug das VBS halt schon immer nur schwer.

Die GSoA bleibt dran

Eine weitere Wahrheit ist, dass dem VBS nicht nur eine Begründung für den Kauf neuer Flugzeuge fehlt, sondern auch das Geld. Wie der Entscheid des Ständerates im September zur Ablehnung der Geniepanzer gezeigt hat, sind heute selbst rechtsbürgerliche Politiker nicht mehr bereit, den Waffenfans im VBS jegliches Spielzeug zu beschaffen. Die Angst vor einer Ablehnung, der die Beschaffung massiv erschweren würde, hat das VBS daher dazu bewogen, einen Evaluationskredit zur Erprobung der Flugzeuge noch nicht im Rahmen des Bundesbudgets 2005 (wird im Dezember 2004 diskutiert) vorzuschlagen. Das zusätzliche Jahr, so das Kalkül der Armee und der Rüstungslobbyisten, soll es erlauben, die Schweizer ParlamentarierInnen eingehender zu «bearbeiten». Die GSoA wird die Entwicklungen im Verlauf des Jahres 2005 daher aufmerksam verfolgen.

Die erste ernstzunehmende Begründung

(sl) Die erste Begründung für den Kauf neuer Kampfflugzeuge, der eine gewisse Logik nicht abzusprechen ist, stammt ausgerechnet von Bundesrat Samuel Schmid. In einem Interview mit dem Tagesanzeiger hat er sich, angesprochen auf die Abbaupläne der Armee bezüglich Militärflugplätzen, mit folgenden Worten geäussert: «Klar ist schon jetzt: Wir werden Flugplätze schliessen und später neue Kampfflugzeuge kaufen müssen. Sonst haben wir bald mehr Flugplätze als Flugzeuge». Unser Tipp zur Lösung dieses Dilemmas: Flugplätze, Flugzeuge und Armee abschaffen.

 

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