Einstein: Wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg!

100 Jahre sind es her, seit Albert Einstein in Bern mit der Entdeckung der Relativitätstheorie und des Lichtquantums eine neue Ära im Verständnis der Physik schuf. Einstein war jedoch nicht nur ein grossartiger Physiker, sondern auch ein engagierter Pazifist und Humanist.

An seine wissenschaftlichen Verdienste wird in diesem Jahr mit zahlreichen Anlässen erinnert.

Im April 1914 siedelte Albert Einstein, inzwischen Professor an der ETH Zürich, nach Berlin über. Einstein hegte keine grossen Sympathien für Deutschland, damals die Hochburg des verhassten preussischen Militarismus, doch ein eigens für ihn gegründetes Institut konnte ihn dennoch zu diesem Schritt bewegen. Vier Monate später brach der erste Weltkrieg aus und damit auch Einsteins Engagement für den Frieden.

Ein überzeugter Pazifist

Die pazifistische Haltung Einsteins blieb in den folgenden Jahren des Krieges nicht nur auf sein Gedankengut beschränkt, sie äusserte sich auch durch Worte und Taten. Unter anderem war Einstein Mitbegründer des «Bund Neues Vaterland», der sich für einen baldigen gerechten Frieden und für die Schaffung einer internationalen Organisation zur Verhinderung von Kriegen einsetzte. 1916 wurde der Bund durch die Regierung verboten, arbeitete aber illegal und im Untergrund weiter für seine Anliegen. Nach dem Ende des Krieges ging aus diesem Bund die «Deutsche Liga für Menschenrechte» hervor, der sich besonders für die Verständigung mit dem französischen Volk einsetzte. Einstein gehörte der Liga bis zu deren Zerschlagung durch den deutschen Faschismus an und trat mehrfach an Veranstaltungen als Redner auf.

«Wenn einer mit Vergnügen in Reih und Glied zu einer Musik marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. Diesen Schandfleck der Zivilisation sollte man so schnell wie möglich zum Verschwinden bringen. Heldentum auf Kommando, sinnlose Gewalttat und leidige Vaterländerei, wie glühend hasse ich sie, wie gemein und verächtlich erscheint mir der Krieg; ich möchte mich lieber in Stücke schlagen lassen, als mich an einem so elenden Tun zu beteiligen! Ich denke immerhin so gut von der Menschheit, dass ich glaube, dieser Spuk wäre schon längst verschwunden, wenn der gesunde Sinn der Völker nicht von geschäftlichen und politischen Interessen durch Schule und Presse systematisch korrumpiert würde.»
(Aus: Albert Einstein (1934). Mein Weltbild)

Mit der Machtergreifung der Nazis änderte sich jedoch Einsteins Einstellung zum Pazifismus. Angesichts der Wiederaufrüstung Deutschlands und der Bedrohung durch das Nazi-Regime sah er keinen anderen Weg, als solcher Aggression ebenfalls mit Gewalt entgegenzutreten.

«Bis 1933 habe ich mich für die Verweigerung des Militärdienstes eingesetzt. Als aber der Faschismus aufkam, erkannte ich, dass dieser Standpunkt nicht aufrechtzuerhalten war, wenn nicht die Macht der Welt in die Hände der schlimmsten Feinde der Menschheit geraten soll. Gegen organisierte Macht gibt es nur organisierte Macht; ich sehe kein anderes Mittel, so ich es auch bedaure.»
(Zitiert in: M. Maurer, P. Seibert (1992). Weil nicht sein darf was nicht sein kann)

Der Zweite Weltkrieg und die anschliessende weltweite Bedrohung durch Atomwaffen stärkten Einstein in seinem Glauben an die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenlebens der Nationen. Pazifismus wurde für ihn mehr als Glauben an eine bessere Zukunft, er wurde unverzichtbar für die weitere Existenz der Menschheit.

Einsteins politische Haltung

Auch wenn Einstein kein Kommunist war, so sah er doch eine sozialistische Gesellschaftsordnung als Lösung sozialer Missstände: «Die wirtschaftliche Anarchie der kapitalistischen Wirtschaft» erkannte er als die «wahre Quelle» der sozialen Missstände.

«Die Produktion arbeitet für den Profit, nicht für den Verbrauch. Es sind keine Vorkehrungen getroffen, dass alle Arbeitsfähigen und -willigen stets eine Stellung finden; fast immer wird eine Armee von Arbeitslosen bestehen. Der Arbeiter lebt ständig in der Angst, seine Arbeit zu verlieren. (…) Ich bin überzeugt, um diesen schweren Missständen abzuhelfen, gibt es nur ein Mittel, nämlich die Errichtung einer sozialistischen Wirtschaft mit einem Erziehungssystem, das auf soziale Ziele abgestellt ist. In einer solchen Wirtschaft gehören dann die Produktionsmittel der Gemeinschaft, die sie nach einem bestimmten Plan benutzt. Man würde in einer solchen Planwirtschaft die Produktion den Bedürfnissen der Gemeinschaft anpassen, die zu leistende Arbeit unter die Arbeitsfähigen verteilen und jedem, Mann, Frau und Kind, den Lebensunterhalt garantieren. In der Erziehung würde man dafür sorgen, in jedem einzelnen neben seinen Gaben auch das Verantwortungsgefühl gegenüber seinen Mitmenschen zu pflegen und nicht wie in unserer heutigen Gesellschaft Macht und Erfolg zu verherrlichen.»
(Aus: Albert Einstein (1952). Aus meinen späten Jahren)

Ohne alle Vorgehensweisen gut zu heissen bewunderte er Lenin und den Aufbau des Kommunismus in Russland. Mit dem baldigen Scheitern der revolutionären Ideen von Lenin und Trotzki distanzierte sich Einstein aber immer mehr vom Regime in Russland und er machte deutlich, dass er die westlichen Demokratien der UdSSR vorzog. Dennoch liess er sich durch die Probleme und Fehlentwicklungen in der Sowjetunion nicht vom Glauben an die Notwendigkeit des Sozialismus abbringen.

Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft

Einstein war im Nachkriegsdeutschland als Jude und engagierter Pazifist öfters Ziel von Anfeindungen. Zu Beginn der 20er Jahre machte sich erstmals organisierter Protest gegen ihn bemerkbar: Studenten störten seine Vorlesung an der Berliner Universität. Die Hetze wurde von einer Gruppe Antisemiten angeführt, der «Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft». Unter anderem wegen der unsicheren Lage unternahm Einstein während dieser Zeit viele Reisen ins Ausland, so auch 1921, als er sich zum ersten Mal in den USA aufhielt. Durch die Bestätigung einiger Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie hatte seine Popularität international ihren Höhepunkt erreicht.

Da sich Einstein zur Zeit der Machtergreifung durch die Nazis ebenfalls im Ausland befand, kehrte er nicht nach Deutschland zurück und emigrierte in die USA. Die gleichgültige Haltung seiner Kollegen in Deutschland war ihm völlig unverständlich.

«Deine Ansicht, dass der wissenschaftliche Mensch in den politischen, d.h. menschlichen Angelegenheiten im weiteren Sinne, schweigen soll, teile ich nicht. Du siehst ja gerade an den Verhältnissen in Deutschland, wohin solche Selbstbeschränkung führt. Es bedeutet, die Führung den Blinden und Verantwortungslosen widerstandslos überlassen. Steckt nicht Mangel an Verantwortungsgefühl dahinter?»
(Zitiert in: M. Maurer, P. Seibert (1992). Weil nicht sein darf, was nicht sein kann)

Bis an sein Lebensende hat Albert Einstein weder den deutschen Wissenschaftlern noch dem Deutschen Volk verziehen, was sie zugelassen und zu verantworten haben.

Einstein und die Atombombe

1939, sechs Jahre vor Hiroshima, informierten die ungarischen Physiker Szilard und Wigner Einstein über die Möglichkeit, eine Bombe zu bauen, welche auf physikalischen Erkenntnissen Einsteins basiert. Er selbst hatte bei seinen Forschungen «nicht daran gedacht», dass seine Arbeit für einen solchen Zweck missbraucht werden könnte. Kurz darauf unterzeichnete er einen Brief an US-Präsident Roosevelt, dass die Kernspaltung des Elements Uran zu einer wichtigen Energiequelle und insbesondere zur Herstellung neuer Bomben von enormer Detonationsgewalt nutzbar gemacht werden könne. Aus Angst, Nazi-Deutschland könnte als erste Nation eine solche Bombe bauen, wurde in dem Schreiben den USA empfohlen, der Kernenergie grosse Aufmerksamkeit zu widmen.

Die Unterzeichnung dieses Briefes blieb jedoch Einsteins einziger, wenn auch womöglich ziemlich wichtiger, direkter Beitrag zur Atombombe. Jede weitere Zusammenarbeit für die Entwicklung der Bombe kam weder für Einstein noch die US-Regierung in Frage, die in Einstein einen «Kommunistenfreund» sah.

Albert Einstein erfuhr wohl erst spät, 1944 oder 1945, wie weit die Entwicklung der Atombombe bereits fortgeschritten war. Als am 6. August 1945 die Nachricht vom Abwurf einer Atombombe auf Hiroshima am Rundfunk ausgestrahlt wurde, soll Einstein einzig «Oh weh!» gesagt haben, wohl wissend welches Monster die Menschen nun erschaffen hatten.

Die Verantwortung der Wissenschaft

Einsteins Errungenschaften auf dem Gebiet der Kernspaltung haben zweifellos zum Bau der ersten Atombombe beigetragen. War die Erforschung der Kernspaltung also ein Fehler?

Jede technische Errungenschaft kann zum Guten oder Schlechten eingesetzt werden. Nach Einstein ist es dem Wissenschaftler nicht möglich zu verhindern, dass seine Entdeckungen auch als Waffe missbraucht werden können.

Tatsächlich sind auch heute noch Wissenschaft und militärische Rüstung sehr eng miteinander verknüpft. Jeder technische Fortschritt wird zu militärischen Zwecken verwendet, sofern er dazu von Nutzen ist. Die Wissenschaft kann das zwar nicht verhindern, sich aber wohl dafür einsetzen, dass ihre Errungenschaften für und nicht gegen die Menschen verwendet werden.

«Da wir als Wissenschaftler die tragische Bestimmung haben, die schaurige Wirksamkeit der Vernichtungsmethoden zu steigern, muss es unsere feierlichste und vornehmste Pflicht sein, nach besten Kräften zu verhindern, dass diese Waffen zu den brutalen Zwecken gebraucht werden, für die man sie erfand. Welche Aufgabe könnte für uns bedeutsamer sein? Welches soziale Ziel könnte unserem Herzen näher stehen?»
(Aus: Albert Einstein (1948). Botschaft an die Intelligenz)

«Liebe Nachwelt! Wenn Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet als wir sind bzw. gewesen sind, so soll euch der Teufel holen.»