4808 km für den Frieden

In der GSoA-Zeitung September 2004 haben wir über die Absicht von Sibylle Mani berichtet, mit dem Velo von Spiez nach Bethlehem, Palästina, zu fahren, um mit dieser Reise Geld für ein Sommerlager in Gaza zu sammeln. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz haben wir Sibylle gebeten, die wichtigsten Eindrücke ihrer Reise zu schildern.

Eine persönliche Herausforderung und zugleich das Setzen eines Zeichens für den Frieden: Das waren die Gründe, die mich dazu bewogen haben, eine FriedensVeloTour nach Palästina durchzuführen. In Zusammenarbeit mit “HorYzon”, der internationalen Zusammenarbeit des Cevi Schweiz, dem “Schweizerischen Freundeskreis Zelt der Völker” und der Reformierten Kirchen Bern-Jura- Solothurn entwickelte ich das Konzept, unterwegs thematische Workshops mit Jugendgruppen und Interessierten durchzuführen und zugleich FriedensKilometer zu Gunsten des Sommerlagers des YMCA (Christlicher Verein junger Menschen) in Gaza zu verkaufen. Nach 3 Monaten Planung war es so weit. Am 11. Oktober 2004 fuhr ich am Bahnhof Spiez mit dem Velo los und erreichte nach 4808km und 64 Tagen der Zielort Bethlehem, Palästina. Ein unvorstellbares Erlebnis liegt hinter mir…

Nebst der körperlichen Herausforderung und den unterschiedlichsten Landschaften liessen vor allem die vielen Begegnungen und Gespräche die Reise so reich werden. Obschon ich die meiste Zeit alleine unterwegs war, gaben mir die entgegengebrachte Gastfreundschaft und Offenheit der Leute das Gefühl, überall zu Hause zu sein. Vor allem in den arabisch/ moslemischen Ländern fühlte ich mich außerordentlich geborgen und wohl.

Thematische Workshops

Unterwegs konnte ich insgesamt sieben Workshops durchführen. Es war sehr spannend, mit den unterschiedlichsten Gruppen über Frieden, Demokratie und Menschenrechte zu diskutieren. An der Uni Damaskus konnten wir uns zum Beispiel zwar allgemein über diese Themen auseinandersetzen – aber als es darum ging, über die eigene Politik zu sprechen, breitete sich dann aber grosses Schweigen aus. Denn wer sich gegen öffentlich gegen die Regierung und die Unterdrückung der Kurden im äussert, geht das Risiko ein, im Gefängnis zu landen!

Gespräche mit ehemaligen kurdischen Gefangenen, einem Anwalt und MenschenrechtsaktivistInnen zeigten, wie Folter in syrischen Gefängnissen zur gängigen Methode gehört.

Durch die Besuche bei kurdischen Familien wurde ich für einmal aus einer anderen Sicht mit der Flüchtlingsthematik konfrontiert. Es war bedrückend zu erfahren, was es heisst, wenn die Kinder von der eigenen Regierung in die Ferne “vertrieben” werden.

Im Vergleich zu all diesen Realitäten wurde die Herausforderung meiner VeloTour immer kleiner…

Begegnungen

Auf der Reise begegnete ich unzähligen Leuten, die mich einfach zum Übernachten und / oder zum Essen zu sich nach Hause einluden. Somit erhielt ich Einblick in die jeweiligen Lebensumstände, erfuhr die aktuellen Alltagssorgen und viele spannende, aber auch tragische Lebensgeschichten. Auch wenn die Begegnung nur einen Abend dauerte, tat es mir oft weh, am nächsten Tag die Leute einfach hinter mir zu lassen und meinem Weg zu folgen. Als an der Grenze nach Albanien 20 junge Velofahrer auf uns – ein Kollege reiste mit mir durch Albanien – warteten und wir, von einer Polizeieskorte begleitet, ins nächste Dorf fuhren, kam ich mir vor wie eine Very Important Person (VIP)… Die erwartungs- und hoffnungsvollen Augen dieser Menschen werde ich wohl nie vergessen! Als bleibende Verbindung zu Albanien wurde ich als Ehrenmitglied im YMCA Skodar aufgenommen!

Verkauf der FriedensKilometer

Durch den Verkauf der FriedensKilometer zu Gunsten des YMCA “Gaza- Ferienlager für Flüchtlingskinder” (www.horyzon.ch) kamen stattliche Fr. 8’500.- zusammen. Dass ich die Kilometer nicht nur zum eigenen Vergnügen, sondern für ein Projekt gefahren bin, gab mir eine grosse Motivation. Jeder Kilometer bekam eine zusätzliche Bedeutung.

Am Ziel der Reise

Als ich am Ziel in Bethlehem vom YMCA Beit Sahour und “Tent of Nations” bei der Geburtskirche in Bethlehem empfangen wurde, konnte ich kaum glauben, dass ich es geschafft hatte! Die ganzen Strapazen rückten in den Hintergrund und ich hatte das Gefühl, eigentlich nicht angekommen zu sein, sondern die Reise erst begonnen zu haben. Mein Velo hinstellen – innerlich sträubte sich alles dagegen! Was hatte nun die Reise für den Frieden gebracht?

Beim Nachtessen mit dem Schweizer Konsulat kam ich dann langsam aber sicher auch innerlich in Bethlehem an.

In Palästina

Nachdem ich mich mit etlicher Mühe wieder an ein sesshaftes Leben gewöhnt hatte, freute ich mich auf meinen Auftrag, im Namen des Vereins “Schweizerischer Freundeskreis Zelt der Völker” ein Land- und Jugendprojekt in Palästina durchzuführen: In Beit Sahour organisierte ich einen JugendLeiterInnenKurs für junge Erwachsene. Der intensive, 8- wöchige Kurs mit 15 interessierten palästinensischen Jugendlichen war eine sehr spannende interkulturelle Herausforderung… Zeugin der alltäglichen Ungerechtigkeit in der besetzten Westbank zu werden, war nicht leicht zu ertragen. Täglich wird die Mauer um Bethlehem grösser; die Check-Points sind eine Realität und Menschenrechtsverletzung, die man sich im 21 Jahrhundert kaum mehr vorstellen kann. Und was kann ich, unsere Politik, dagegen unternehmen? Ohmachtsgefühle überkamen mich oft…

Aber ich machte auch viele Mut machende Erfahrungen, die zeigten, dass die Hoffnung auf eine gerechte Lösung für beide Seite noch immer besteht.

… zum Schluss

Ich hoffe, durch all die Auseinandersetzungen, einen kleinen Teil beigetragen zu haben, um mehr Menschen für die Themen Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie zu sensibilisieren und in ihrem Denken und Handeln einen Stein ins Rollen zu bringen. Denn ich bin immer noch überzeugt:

Wenn viele kleine Leute
An vielen kleinen Orten
Viele kleine Dinge tun
Können sie das Gesicht der Welt verändern!

An dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle, die mich während des vergangen halben Jahres in irgendeiner Art und Weise unterstützt haben. In der Hoffnung auf eine friedliche und gerechte Welt!

Fakten zur Reise

Strecke: Spiez- Bethlehem, durch 10 Länder, 4808 km
Dauer: 64 Tage
Kilometer pro Tag: ca. 100km
Durchgeführte Workshops: 7
Veloprobleme: 7 Pannen
Verkauf FriedensKilometer für YMCA Gaza: Fr. 8500.-

alleine unterwegs war ich in:

  • Italien (bis Bergamo)
  • Montenegro
  • Griechenland
  • Türkei
  • Syrien (bis Damaskus)
  • Libanon
  • Jordanien (1 Tag: Amman – Grenze Israel/Palästina)
  • Israel/Palästina

Vortrag und Workshop

Sibylle Mani möchte ihre Eindrücke nicht für sich behalten. Im Rahmen eines Vortrages oder Workshops berichtet sie über ihr Abenteuer, vermittelt Informationen über andere Kulturen, erzählt von ihrem Engagement für den Frieden und die Einhaltung der Menschenrechte und stellt die Dekade zur Überwindung von Gewalt vor.

Interessierte melden sich bis spätestens 31. Oktober 2005 direkt bei Sibylle Mani, Soziokulturelle Animatorin FHS, Spiez, E-Mail: sibylle.mani@bluewin.ch

Eine erste Veranstaltung – eine Bildreise inklusive arabischem Imbiss – findet statt am 17. Juni 2005, 19.00 Uhr, im DorfHus Spiez.