Skandalös tiefe Hemmschwelle

Ende Juni hat der Bundesrat Kriegsmaterialausfuhren in den Irak, nach Pakistan, Indien und Südkorea gutgeheissen. Eine Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes tut not.

Der Wert der Ausfuhren beträg mehr als 350 Mio. Franken gutgeheissen. Die Hemmschwelle in der Kriegsmaterialausfuhrpolitik liegt heute skandalös tief. In einem ersten Schritt hin zu einer «rüstungsfreien» Schweiz muss zwingend das Kriegsmaterialgesetz verschärft werden.

Bereits in den letzten Jahren wurde die Politik bei den Kriegsmaterialausfuhren gelockert. Was nun aber der Bundesrat beschlossen hat, ist geradezu ein Dammbruch. Mit seinen Entscheiden von Ende Juni hat der Bundesrat praktisch die entwicklungs-, menschenrechts- und stabilitätspolitischen Kriterien, die bei einem Ausfuhrgesuch berücksichtigt werden müssen, ausser Kraft gesetzt. Die vier bewilligten Geschäfte widersprechen Sinn und Geist des aktuellen Kriegsmaterialgesetzes, mit welchem Waffenausfuhren in Krisengebiete eigentlich verunmöglicht werden sollten.

Panzer in den Irak

Die Lieferung von 180 alten Schützenpanzern der Schweizer Armee via die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) in den Irak stärkt dem amerikanischen «Kampf gegen den Terror» den Rücken. Dass die Menschenrechte in diesem «Krieg» wenig gelten, zeigt die Behandlung der Häftlinge durch die USA. Der Irak ist auch ein Jahr nach den Wahlen ein unsicheres, instabiles Land. Die Rechtfertigung des Geschäftes durch den Bundesrat, die Schützenpanzer würden den irakischen Sicherheitskräften für die Durchsetzung ihres Gewaltmonopols dienen, ist naiv: Die irakischen Sicherheitskräfte sind nach wie vor am Gängelband der USA. Aus entwicklungspolitischer Sicht benötigt der Irak viel, sicher aber keine Panzer.

Beide Konfliktparteien stärken

Die Vergabe einer Produktionslizenz an Indien für den Bau von Fliegerabwehrkanonen (Oerlikon-Contraves) und die Ausfuhr von 736 Schützenpanzer nach Pakistan ist aus friedenspolitischer Sicht ein Sündenfall. Die beiden Länder liegen sich wegen des Kaschmirs seit Jahren in den Haaren, eine Lösung ist nicht in Sicht, immer wieder kommt es im Kaschmir zu offenen Konflikten. Die Atomwaffentests von Indien und Pakistan Ende der neunziger Jahre haben nicht nur die Stabilität in der Region erschüttert, sondern auch die Welt unsicherer gemacht. Der Bundesrat reagierte damals mit dem Erlass von Sanktionen gegen die beiden Länder. Damit er nun die Geschäfte abwickeln konnte, hat er die Waffenembargos gegen die beiden Länder wieder aufgehoben, ohne dass sich die Situation wesentlich verbessert hätte. Auch die prekäre Menschenrechtslage in Indien und Pakistan lässt die Abwicklung der beiden Geschäfte nicht zu.

Schweizer Vermittlungsposition geschwächt

Durch das Geschäft mit Südkorea (Unterhaltsarbeiten an Luft-Luft-Lenkwaffen) gefährdet der Bundesrat sowohl die Waffenruhe zwischen Nord- und Südkorea als auch seine eigene Vermittlerposition im Konflikt. Zwar bekämpfen sich Nord- und Südkorea seit Jahren nicht mehr offen. Ein offizieller Friedensschluss lässt aber bis heute auf sich warten, weshalb sich die beiden Länder «de jure» nach wie vor im Kriegszustand befinden. Die Schweiz nimmt im Konflikt zwischen Nord- und Südkorea zudem eine vermittelnde Funktion ein: Seit 1953 beteiligt sie sich an der Neutralen Überwachungskommission (NNSC), um den Waffenstillstand zu kontrollieren. Seit mehreren Jahren engagiert sich die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Nordkorea. Mit der Lieferung gefährdet die Schweiz also ihre eigenen Bemühungen.

Kehrtwende bei der Rüstungsgüterausfuhr

Nicht erst mit den aktuellen Geschäften verabschiedet sich der Bundesrat von einer einigermassen verantwortlichen Kriegsmaterialausfuhrpolitik. Die Entwicklung der letzten Jahre kann mit den Worten «immer mehr» und «immer hemmungsloser» umschrieben werden. Die Summe der jährlich bewilligten Ausfuhren hat seit dem Inkrafttreten des neuen, «verschärften» Kriegsmaterialgesetzes im Jahr 1998 um 82%, seit 1995 gar um unglaubliche 269% zugenommen. Im Jahr 2004 erreichten die Ausfuhren von Kriegsmaterial mit 402 Mio. Franken einen neuen Höchststand seit den 80er-Jahren. Volkswirtschaftlich sind zwar die Kriegsmaterialausfuhren nach wie vor unbedeutend (knapp 0,3% der gesamten Warenausfuhren), dennoch beschert das Rüstungsexportgeschäft den Rüstungsunternehmen satte Profite.

Der Bundesrat schreckt zudem immer seltener vor heiklen Geschäften zurück. Bereits im Jahre 2002 hat der Bundesrat entwicklungspolitische Bedenken gegen die Lieferung von gepanzerten Radfahrzeugen nach Botswana im Wert von knapp 100 Mio. Franken einfach unter den Teppich gekehrt: Botswana gehört zu jenem Kreis von Ländern, in denen aufgrund der Armut und der weiten Verbreitung von AIDS die Lebenserwartung kaum mehr als 30 Jahre beträgt. Aus sicherheitspolitischen Überlegungen unverständlich ist zudem, dass die Vereinigten Arabischen Emirate, ein Land in einer politisch höchst instabilen Region, zu den zehn wichtigsten Abnehmern von Schweizer Kriegsmaterialien der letzten sieben Jahre gehören. Seit 1998 erhielt das Land im Nahen Osten Kriegsmaterialien im Wert von knapp 70 Mio. Franken.

Düstere Aussichten

Auch für die nächsten Jahre ist nicht mit einer Abnahme der Ausfuhren zu rechnen. Nebst den Verkäufen von Materialien durch die private Rüstungsindustrie geht die Liquidation von ausgedientem Kriegsmaterial der Schweizer Armee weiter. Als Empfängerländer dafür kommen hauptsächlich Länder in Frage, in denen eine gewisse Bedrohungslage besteht. Das hat unlängst der Chefverkäufer der Armasuisse, der Rüstungszentrale der Schweizer Armee, öffentlich bestätigt. Der fahrlässige Ausverkauf hat wirtschaftliche Hintergründe: Durch den Verkauf ins Ausland spart sich die Schweizer Armee die Kosten für die Verschrottung, die beispielsweise für einen Leopard-Panzer pro Stück ca. 50’000 Franken betragen. Geld, welches das VBS selber berappen müsste. Durch den Verkauf – selbst zu Dumpingpreisen – kann die Armee somit ihren finanziellen Spielraum erhöhen.

Die GSoA ist aus friedens- und entwicklungspolitischen Überlegungen gegen jegliche Produktion von Kriegsmaterialien und dessen Handel. Altes Armeematerial soll verschrottet und nicht ins Ausland verkauft werden. Wenn eine Verschärfung des Gesetzes auf dem parlamentarischen Weg nicht erreicht werden kann, muss sich die friedenspolitische Linke – und damit auch die GSoA – die Lancierung einer Ausfuhrverbotsinitiative überlegen.