Pakistan braucht Menschenrechte – keine Schweizer Waffen

Die Schweiz verhandelt mit Pakistan über den Verkauf von 736 Schützenpanzern und stützt damit die Militärmachthaber. Dies ungeachtet der Tatsache, dass in Pakistan Menschenrechte systematisch verletzt werden.

Acht Tage nach dem Putsch 1999 übertitelte Amnesty International eine Presserklärung zu Pakistan mit den Worten «Pakistan: A unique opportunity for the new rulers to restore respect for human rights». General Musharraf selbst hatte in seiner Antrittsrede als Präsident Pakistans den toleranten Islam sowie die Achtung der Menschenrechte in den Mittelpunkt seiner künftigen Politik gestellt. Alle guten Vorsätze sind heute als Lippenbekenntnisse demaskiert 1. Das Urteil der pakistanischen und international agiernden NGOs ist eindeutig und vernichtend. Human Rights Watch kommt 4 Jahre nach Musharrafs Machtergreifung zum Schluss, dass unter Musharrafs Führung gemässigte politische Parteien weitgehend ohne Einfluss blieben, während extremistische und sektiererische religiöse Parteien gestärkt wurden sowie dass die Justiz «entmannt» wurde. Pakistan ist einigen der wichtigsten Menschenrechtsübereinkommen der UN nicht beigetreten, so zum Beispiel dem Übereinkommen gegen Folter, dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte oder dem Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Militär überschattet alles

Der Konflikt mit Indien prägt Pakistans Selbstverständnis seit seiner Gründung im Jahre 1947. Die alles überschattende Stellung der Armee ist denn auch auf diesen Konflikt zurückzuführen. Jüngstes Anschauungsbeispiel für die Furcht vor dem grossen Nachbarn bot das verheerende Erdbeben anfangs Oktober. Die pakistanische Regierung hat auf das Hilfsangebot aus Indien nur zögerlich reagiert. Indische Hilfe im pakistanischen Teil von Kashmir und die indische Offerte, Helikopter zur Verfügung zu stellen, wurden abgelehnt. Willkommen sind lediglich Hilfsgüter. Pakistan wird seit seiner Entstehung mehr oder weniger direkt von der Armee kontrolliert. Es liegt auf der Hand, dass die beherrschende Stellung der übermächtigen Armee für die Entwicklung von Vielstimmigkeit, Meinungsfreiheit und Demokratie ein denkbar schlechter Nährboden ist.

Musharraf kann als Verbündeter der USA auf deren Nachsichtigkeit zählen, wenn es darum geht, die Interessen des «War on Terror» zu verfolgen. Willkürliche Festnahmen, lebenslängliche Haft für Terrorverdächtige gehören im Rahmen des Anti-Terrorism Act genauso zum Programm wie besondere Gerichte, die «terroristische Verbrechen» mit beschleunigten Verfahren behandeln. Ein autoritär geführter Staat im «Krieg gegen den Terror» ist für die USA berechenbarer, als eine schwache Demokratie, deren Entwicklung nicht absehbar wäre.

Menschenrechtsverletzungen

Neben den Menschenrechtsverletzungen im Namen des Anti-Terror-Krieges werden diese laut Amnesty International vor allem aufgrund patriarchaler Willkür und Stammestradition verletzt. Dramatisch ist die Situation im Bezug auf Frauenrechte. Die sogenannten «honour killings», also das Recht einzelner Familien, zur Rettung der Ehre angeblich straffällige Frauen zu töten, kostet jedes Jahr Hunderten von Frauen das Leben. Der leiseste Verdacht auf sexuelle Eskapaden oder Ehebruch kann dem Todesurteil gleich kommen. Im Jahr 2000 wurden von 5000 «Ehrentötungen» weltweit 1000 in Pakistan ausgeführt. Werden Frauen vergewaltigt, laufen sie Gefahr, im doppelten Sinne Opfer zu werden. Juristische Schwachstelle ist die mangelnde Differenzierung zwischen Ehebruch und Vergewaltigung. Die Trennungslinie ist derart unscharf, dass Frauen, die wegen Vergewaltigungsdelikten vor Gericht erscheinen, in der Regel Gefahr laufen, wegen Ehebruch angeklagt zu werden, sofern sie die vollzogenene Vergewaltigung nicht eindeutig nachweisen können. Kann die Frau den Beweis nicht eindeutig erbringen, ist dies gleichzeitig ein Geständnis für ausserehelichen Geschlechtsverkehr. Die Beweislast liegt bei der Frau.

Unverändert besorgniserregend ist die Situation von religiösen Minderheiten in Pakistan. Der sogenannte Blasphemiparagraph führt bei Verurteilung zur Verhängung der Todesstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe. Der Paragraph wird zur Legitimation von Übergriffen gegen religiöse Minderheiten missbraucht. Darunter zu leiden haben vor allem pakistanische Christen, da die Kooperation der Musharraf-Regierung im Anti-Terror-Kampf zum Erstarken jener islamistischen Gruppen geführt hat, die pakistanische Christen als Repräsentanten des verhassten Westens sehen. Diese Übergriffe werden aus innenpolitischen Gründen kaum verfolgt und geahndet. Die wachsende Intoleranz bekommen auch religiöse Minderheiten wie Hindus, Zikris und Ahmadis zu spüren.

Entwicklung statt Waffen

Weit mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Pakistan sind Analphabeten. Die Militärausgaben übersteigen die Investitionen in Bildung und Gesundheit massiv. Wer in Bildung investiert, leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage. Wer Pakistan Waffen liefert, tut das Gegenteil und macht sich mitschuldig. Die Schweiz wäre da keine Ausnahme.


1 Siehe dazu: Islamische Menschenrechtskonzepte, S. 262, Ergon Verlag, ISBN 3-89913-418-4

Atomare Instabilität

(mp) «Die politischen Beziehungen zwischen Indien und Pakistan bleiben problematisch, wodurch die regionale Stabilität bedroht wird. Exportanfragen von Kriegsmaterial nach Indien und Pakistan sind aufgrund der Atomtests bis auf weiteres abzulehnen.» Dieser Satz ist im Bundesratsbericht vom 23. März 2005 nachzulesen. Richtig ist, dass die politischen Beziehungen zwischen Indien und Pakistan nach wie vor problematisch sind. Richtig ist auch, dass die regionale Stabilität in einem Gebiet bedroht ist, in dem sich zwei Atommächte gegenüberstehen. Wenn die Schweiz nun mit Indien über die Lieferung von Fliegerabwehrkanonen beziehungsweise über die Vergabe entsprechender Lizenzen sowie mit Pakistan über die Lieferung von Schützenpanzern verhandelt, so tut sie das im Wissen, dass – wie im Bundesratsbericht vom 23. März nachzulesen ist – die regionale Stabilität im Gebiet der Verhandlungspartner – zweier Atommächte – bedroht ist. Othmar Wyss vom Seco begründet den Waffendeal mit den Atommächten wie folgt: «Wenn die Schweiz als einziges Land keine Waffen liefert, nützt das nichts und ist nur zum Schaden unserer Industrie.». Herr Wyss irrt. Es nützt sehr wohl, wenn die Schweiz Exportanfragen von Kriegsmaterial nach Indien und Pakistan ablehnt. Dies deshalb, weil die regionale Stabilität im Gebiet der beiden Atommächte bedroht ist. Nachzulesen ist dies im Bundesratsbericht vom 23. März. Auch heute noch.