Reisläufer im Zweistromland

Söldnerfirmen gehören zu den tragenden Säulen des Besatzungsregimes im Irak. Sie stellen das zweigrösste Kontingent aller im Irak stationierten Militärverbände nach den US-Streitkräften. Ein Überblick.

Von Dario Azzellini

Seit die Strategie der «Koalition der Willigen» darauf hinausläuft, sich mit den eigenen Soldaten vorzugsweise in Militärcamps zu verschanzen und mit massiven Operationen gegen Zitadellen des innerirakischen Widerstandes vorzugehen, wächst nicht nur das Auftragsvolumen für die privaten Militärdienstleister. Deren Missionen sind auch riskanter geworden.

Viele der in den Bulletins des US-Hauptquartiers als «Zivilisten» ausgewiesenen Opfer von Anschlägen und Entführungen sind nur formal Zivilisten. Oft handelt es sich in Wirklichkeit um das Personal verschiedener Privatagenturen – um die Söldner des 21. Jahrhunderts. Einige Beispiele: Am 2. Mai 2004 kamen bei einem Bombenanschlag auf einen Konvoi zwei Angehörige des Unternehmens Global Risk International ums Leben, die auf den Fidschi-Inseln rekrutiert worden waren. Am 26. November 2004 wurden bei einem Raketenangriff vier nepalesische Söldner getötet, die bei der Firma Global Risks Strategies unter Vertrag standen.

Die steigende Nachfrage nach privaten Sicherheitskräften im Irak hat dazu geführt, dass sowohl Newcomer als auch etablierte Unternehmen der Branche ihre Büros in Bagdad eröffnet haben. Global Risk Strategies zählte Anfang Oktober 2001 – vor dem Angriff der US-Armee auf Afghanistan – ganze zwei Mitarbeiter, heute werden weltweit über 1’000 Mann für den Objekt- und Personenschutz vermietet.

Rekrutierung bei Todesschwadronen

Seit für den Einsatz im Irak die höchste Gefahrenstufe gilt, weichen viele Söldnerfirmen – oder Private Military Contractors (PMC), wie sie im Newspeak des amerikanischen Militärs heissen – bei der Rekrutierung ihres Personals auf bislang weniger beachtete Länder aus. Triple Canopy aus Lincoln (Illinois) verlegte seine Mitarbeiterwerbung nach Zentralamerika, mit dem Schwerpunkt El Salvador. Die jüngste Geschichte dieses Landes sei durchaus ein Grund dafür gewesen, so Firmensprecher Joe Mayo. Triple Canopy, spezialisiert auf den Schutz von Zivilangestellten der US-Behörden in Bagdad, begab sich auf die Suche nach salvadorianischen Ex-Militärs mit Spezialausbildung. Bei Kadern der einstigen Nationalgarde, deren Elite-Einheiten während des Bürgerkrieges zwischen 1981 und 1993 ein exzellentes Exerzierfeld für «counterinsurgency» (Aufstandsbekämpfung) vorfanden, wurden die Werber von Triple Canopy fündig. Den Hombres der Todesschwadronen winkt im Irak ein Honorar von 1’700 Dollar pro Monat. Viel Geld für El Salvador, wo ein Personenschützer bestenfalls mit 350 Dollar Monatssalär rechnen kann.

Mit der wohl heikelsten Mission, die zur Zeit im Irak vergeben werden kann, sieht sich das Unternehmen Blackwater aus Moyock (North Carolina) betraut, zu dem die am 31. März 2004 in Falludscha gelynchten und an einer Brücke zur Schau gestellten vier Amerikaner gehörten, die in den Medien als «Zivilisten» bezeichnet wurden. Die Crews von Blackwater schützen mit der Coalition Provisional Authority (CPA) quasi die Regierung und bilden irakische Anti-Terroreinheiten aus. Die zur höchsten Risikogruppe zählenden Männer von Blackwater verdienen bei ihren Einsätzen 600 bis 1’000 Dollar am Tag.

Südafrikanische Söldner

So professionell und seriös viele PMCs auch auftreten, an dubiosen Anbietern fehlt es nicht. Als Exempel dafür gilt die südafrikanische Meteoric Tactical Solutions (MTS), die für die britische Entwicklungshilfebehörde unter Vertrag genommen wurde. (Das Schweizer Verbindungsbüro in Bagdad wird ebenfalls von MTS-Leuten bewacht. A.d.R.) Zwei der Firmeneigner wurden vor gut einem Jahr in London zusammen mit dem zwielichtigen britischen Ex-SAS-Kämpfer Simon Mann verhaftet. Der sass zuvor im Management des mittlerweile aufgelösten südafrikanischen Söldnerunternehmens Executive Outcome, aus dem wiederum die Firma Sandline hervorging. 1998 war Sandline von der britischen Regierung unter Vertrag genommen worden, um in Sierra Leone zu intervenieren und das UN-Waffenembargo zu unterlaufen.

Es dürfte kaum überraschen, dass die meisten südafrikanischen Söldner im Irak aus Sondereinheiten des einstigen Apartheidregimes kommen – aus dem Bataillon 32 oder der Elite-Einheit Koevoet, die bis 1990 in Namibia an Operationen gegen ANC- und SWAPO-Mitglieder beteiligt war. Zu den an Euphrat und Tigris tätigen Militäragenturen gehört nicht zuletzt Erinys International. Im Januar 2004 wurden im Irak die Erinys-Angestellten Deon Gouws und François Strydom bei einer Bombenexplosion getötet. Sie waren für das Apartheidregime, genauer für die Sondereinheit Vlakplaas, aktiv, so dass Gouws in den neunziger Jahre zu einer Anhörung vor der Wahrheitskommission geladen wurde und dort einräumte, zu Zeiten der Rassentrennung in Südafrika zwischen 40 und 60 Häuser von Oppositionellen niedergebrannt zu haben.

Umstritten sind auch die ökonomischen Vorteile des Outsourcings militärischer Aufträge. Schliesslich bezahlen die Staaten – allen voran die USA – den PMCs unglaubliche Summen, während in vielen Fällen auch die Ausbildung späterer Dienstleister zu ihren Lasten geht. So koste das 18-monatige Training eines Green Berets etwa 250’000 Dollar – wechselt der Betreffende irgendwann zu einer PMC, schlagen sich die staatlichen Vorleistungen in privaten Gewinnen nieder.

Nach einem Report des Centre for Public Integrity (Washington) wurden von der Bush-Administration im Irak Aufträge an 150 amerikanische PMCs mit einem Gesamtvolumen von 48,7 Milliarden Dollar vergeben. Daher ist häufig die Rede davon, dass die «coalition of the willing» (Koalition der Willigen) nun von einer «coalition of the billing» (Koalition der Rechnungssteller) flankiert wird.

Jenseits des Völkerrechts

Das über die PMCs praktizierte Outsourcing sollte daher vielmehr als Teil einer Militärdoktrin verstanden werden, die davon ausgeht, mehrere Kriege gleichzeitig führen, aber die dafür notwendigen Operationen öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle entziehen zu können. Da PMC-Mitarbeiter in keiner Gefallenenstatistik auftauchen, lassen sich ausserdem die offiziellen Opferzahlen «niedrig» halten. Wer sich zum Einsatz kommerzieller Sekundanten der eigenen Streitkräfte entschliesst, kann zudem das Völkerrecht, internationale Abkommen oder UN-Beschlüsse umgehen – man denke nur an den Auftrag für die Firma MPRI, während des jugoslawischen Bürgerkrieges kroatisch-muslimische Einheiten in Bosnien unter Umgehung des verhängten Waffenembargos auszubilden und auszurüsten. Da es sich bei PMC-Mitarbeitern nicht um Soldaten im herkömmlichen Sinne handelt, sind sie keiner Militärjustiz unterworfen. Und was das zivile Strafrecht angeht: In vielen Einsatzgebieten findet sich kein Richter, der den Mut und die Autorität besitzt, es anzuwenden.

* Dario Azzelini ist Diplompolitologe, Autor und Übersetzer. Er verfasste das Buch «Das Unternehmen Krieg», welches bei der Assoziation A erschien. Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung des Magazins «Freitag».

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