Heuchelei auf höchster Ebene

Auf internationaler Ebene setzt sich die Schweiz wortgewaltig gegen die Verbreitung von Kleinwaffen ein. Gleichzeitig ist sie weltweit die zweitgrösste Verkäuferin von Munition für solche Waffen. Ein Widerspruch, der sich nicht rechtfertigen lässt.

Kleinwaffen sind die wahren Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Jedes Jahr werden 500’000 bis 700’000 Menschen mit Kriegsmaterial dieser Kategorie getötet. «Schulen müssen schliessen, Märkte leeren sich, das Gesundheitssystem ist überlastet, Familien werden zerstört, der Rechtsstaat wird untergraben, humanitäre Hilfe kann Menschen in Not nicht mehr erreichen.» So schildert die «Erklärung von Genf über bewaffnete Gewalt und Entwicklung» die dramatischen Auswirkungen, welche die übermässige Verbreitung von Kleinwaffen weltweit hat.

Mit der «Erklärung von Genf» wollen sich die 42 unterzeichnenden Nationen bemühen, die Gewalt durch Kleinwaffen bis 2015 messbar zu reduzieren. Als mögliche Massnahmen nennt die Deklaration Programme zur Demobilisierung nach Konflikten, zur Kontrolle des Handels und zur Verhinderung von Waffenschiebereien.

Die Schweiz als Vorreiterin

Die «Erklärung von Genf» wurde diesen Sommer vom Eidgenössischen Departement des Äussern (EDA) zusammen mit dem UNO-Entwicklungsprogramm initiiert. Sie sollte mithelfen, die Kräfte zu bündeln, um an der UNO-Kleinwaffenkonferenz diesen Juli möglichst geschlossen auf strengere Regulierungen für den Waffenhandel hinarbeiten zu können. Die Konferenz scheiterte zwar am Widerstand der USA, Russlands und Chinas, die Erklärung bot jedoch einmal mehr Gelegenheit, das Engagement der Schweizer Diplomatie auf diesem Gebiet aufzuzeigen. Schon 2004 hatte die Schweiz die Führung der UNO-Gruppe übernommen, welche einen Aktionsplan gegen die Verbreitung von Kleinwaffen ausarbeiten und die diesjährige Konferenz vorbereiten sollte. Auch der «Small Arms Survey», ein in Genf beheimatetes Forschungsprogramm über die Kleinwaffen-Thematik, wird von der Schweiz massgeblich unterstützt.

Die Schweiz als schwarzes Schaf

Ähnlich wie bei der Diskussion über Clustermunition (siehe Kasten) klafft zwischen der offiziellen Rhetorik und der Praxis jedoch eine tiefe Lücke. Griffige Waffen- und Kriegsmaterialgesetze, welche den Handel mit Kleinwaffen einschränken würden, lassen weiter auf sich warten, obwohl sie dringend nötig wären. Schweizer Unternehmen scheuen sich nicht, mit dem Verkauf von Kleinwaffen und zugehöriger Munition Profit aus dem Leid Tausender zu schlagen. Nach den USA ist die Schweiz weltweit die zweitgrösste Exporteurin von Munition für Kleinwaffen. Für die RUAG, die grösste Schweizer Rüstungsfirma, ist dieses Segment sogar einer von drei strategischen Wachstumsbereichen.

So lobenswert die Anstrengungen des EDA auf internationaler Ebene sind: Solange sie nicht von entsprechenden Massnahmen der nationalen Politik begleitet werden, bleiben die Initiativen des Aussenministeriums wenig erfolgsversprechend. Eine Helvetia, die mit der einen Hand das Banner des Roten Kreuzes und der Humanität hochhält und mit der anderen Waffen feilbietet, ist eine äusserst unglaubwürdige Figur. Die Kriegsmaterialinitiative ist eine Gelegenheit, das Bild endlich zu korrigieren und den Worten der Diplomatie neue Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Clusterbomben: Belgien als Vorbild

Zusammen mit Kanada war Belgien 1995 eines der ersten Länder, welches ein Verbot von Personenminen erliess. Damit ebneten die beiden Staaten den Weg für den Ottawa-Prozess, der zu einer internationalen Ächtung von Personenminen führte. Mit seinem Verbot von Clustermunition spielt Belgien nun auch im weltweiten Kampf gegen diese besonders grausamen Waffen eine Vorreiterrolle

Auch die Schweiz setzt sich auf dem diplomatischen Parkett für ein Verbot von Clusterbomben ein. Sie unterstützt sogar aktiv zivilgesellschaftliche Organisationen, welche gegen diese Waffen kämpfen. Gleichzeitig lagern in den Bunkern der Schweizer Armee aber noch immer Hunderte von Tonnen dieser Bomben. Teile der Streumunition, welche die israelische Armee im Südlibanon einsetzte, wurden gemeinsam mit Schweizer Firmen entwickelt. Explodierende Überreste dieser Munition forderten im Libanon seit Kriegsende bisher rund zwei Dutzend Tote unter der Zivilbevölkerung. Die RUAG versucht weiterhin, solche Waffen auf dem Weltmarkt zu verhökern.

Es ist an der Zeit, dass die Schweiz den diplomatischen Worten Taten folgen lässt, sich das Beispiel Belgiens zu Herzen nimmt und die Produktion und den Verkauf von Clustermunition endlich verbietet. (aw)

Kampf gegen Kleinwaffen: Den schönen Worten müssen Taten folgen