Ein notwendiger, faszinierender Prozess hat begonnen

Ein Artikel über die Gründung der GSoA aus alten Zeiten. Zum 25-Jahr Jubiläum der GSoA.

25 Jahre – das ist etwa das Durchschnittsalter der derzeit aktiven GSoA-Generation. Und 25 Jahre – so alt wird dieses Jahr die GSoA. Anhand verschiedener Texte werden wir in dieser und den nächsten Ausgaben der GSoA-Zitig zurück- (und voraus-) schauen auf bewegte Jahre der politischen Auseinandersetzung, des Aufbruchs, berauschender Erfolge, aber auch der bitteren Niederlagen und des Sich-wieder-Aufraffens.

Der nebenstehende Artikel erschien Ende September 1982 in der Friedenszeitung. Wir drucken ihn ab mit freundlicher Genehmigung von Andi Gross. www.andigross.ch

Sonntag, den 12. September: 120 Männer und Frauen zwischen 18 und 87 gründen im «Kreuz» in Solothurn die Gruppe «Schweiz ohne Armee». Die Enttabuisierung der Schweizer Armee hat begonnen. Sie wird nicht mehr nur in den kleinen Zirkeln der alten pazifistischen Organisationen in Frage gestellt. Sie ist zu dem Thema geworden, das heute in der Schweiz kritische Menschen verschiedensten Alters, mit den unterschiedlichsten politischen Erfahrungen und verschiedenster persönlicher Herkunft zusammenbringen kann.

Schon das ist mehr, als wir vor zwei Jahren erwarten konnten: Radikale Feministinnen und alte Sozialisten, Jugendbewegte und Ökologen, Jungsozialisten und Trotzkisten, Pazifisten und Religiössoziale, sie alle drängt es zur Diskussion und Verwirklichung der konkreten Utopie: Der Gesellschaft, die ohne Armee auskommen kann.

Die Idee, die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Überwindung des «Fossils» Armee öffentlich zur Diskussion zu stellen und anzugehen, hat in der Schweiz ein politisches Forum einzigartiger Breite geschaffen.

Dass dies einige Probleme mit sich bringen wird, ist zugleich folgerichtig, unvermeidbar und faszinierend: Folgerichtig, weil es bisher auch unter den kritischen und sensiblen Bürgern und Bürgerinnen in diesem Land keine Diskussionskultur und keinen gemeinsamen Diskussionszusammenhang gab. Unvermeidbar, weil die Tabuisierung der Armee in der bürgerlichen Öffentlichkeit zur Folge hatte, dass die Armee auch innerhalb der Linken nie wirklich kritisch hinterfragt und deren Bedeutung durchdacht worden war: Allzu sehr beruhigte man sich in diesen Organisationen mit Forderungen nach «Demokratisierung» der Armee – meiner Ansicht nach ein absurder Widerspruch in sich selbst, – war in Anlehnung an den alten Engels im Grunde genommen stolz auf den hiesigen «Milizcharakter», und scheute sich vor dem Aufbruch der nationalen Koalition, die sich im 2. Weltkrieg um die Armee herausgebildet hat und seither sozusagen heilig ist in der Schweiz. Die Linke hat deshalb auch die These nie aufgenommen, der gemäss Begriffe wie «Nation», «nationale Verteidigung», «nationale Sicherheit» im Zeitalter und am Ort latenter Atomkriegsgefahr und damit des möglichen kollektiven Selbstmordes auch den kleinen Sinn verloren haben, den sie vielleicht einmal gehabt haben.

 

GSoA-Flugblatt, um 1985

Faszinierend ist dieses Forum, das sich um die Abschaffungsidee zusammenfand deshalb, weil der Diskussionsprozess faszinierend sein wird, der nun bevorsteht: Der Prozess wird von allen Beteiligten einiges abverlangen. Dabei wird es darum gehen, unbesehen der eigenen Position, die Positionen aller anderen beteiligten Tendenzen ersteinmal zur Kenntnis zu nehmen, zu begreifen und vor deren Hintergrund die eigene Haltung neu zu überdenken.

Doch es wird nicht beim Diskutieren bleiben. Denn es ist richtig, dass man sich in gemeinsamen Aktionen am besten kennenlernt, und gemeinsame Erfahrungen den besten Kitt abgeben. Beispielsweise werden einige Gründungsmitglieder an der nächsten Vollversammlung im kommenden Februar vorschlagen, in der Schweiz zur aktiven Unterstützung und Teilnahme an den gewaltlosen, direkten Aktionen zur Verhinderung der Stationierung der Nato-Mittelstrecken-Atomraketen in der BRD, in Grossbritannien und in Italien zu mobilisieren. Denn daran wird in den kommenden zwei Jahren die internationale Friedensbewegung gemessen werden. Ebenso werden uns diese Erfahrungen erlauben, unsere nationalen Utopien in den absolut notwendigen internationalen Zusammenhang zu stellen.

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