Zivildienst: Eine erste Hürde ist weg

Wer bis anhin Zivildienst leisten wollte, musste zwei Dinge in Kauf nehmen: Einerseits die unwürdige Gewissensprüfung bei der Zulassung, andererseits eine anderthalbmal längere Dienstzeit. National- und Ständerat wollen nun die Gewissensprüfung abschaffen. Damit bleibt aber die zweite Ungerechtigkeit, die längere Dienstpflicht, weiterhin bestehen.

In der Dezember-Session stimmte der Nationalrat einer vom Ständerat leicht modifizierten Motion von Heiner Studer (EVP, AG) zur Abschaffung der Gewissenprüfung für Zivildienst-Willige zu. Der Bundesrat wird damit beauftragt, dem Parlament ein überarbeitetes Zivildienstgesetz vorzulegen, welches «das heute geltende Zulassungsverfahren zum Zivildienst durch eine Regelung ersetzt, die kostengünstiger und für alle Beteiligten deutlich weniger aufwendig als die heute geltende Lösung ist, transparenten Grundsätzen folgt, zu gerechten Ergebnissen führt und auch den Tatbeweis [die Bereitschaft zum längeren Dienst, Anm. der Red.] berücksichtigt.» Das bedeutet das Aus für die Gewissensprüfung in ihrer heutigen Form; die zweite Hürde zum Zivildienst – die längere Dauer des Zivildienstes – bleibt aber bestehen. Nach wie vor müssen Zivildienstleistende anderthalbmal so viele Diensttage leisten wie SoldatInnen. Und es ist zu befürchten, dass dies noch eine Weile so bleiben wird. Mehr Gerechtigkeit werden der National- und vor allem der militärfreundliche Ständerat – den Zivildienstleistenden so schnell wohl nicht gönnen.

Mehrere Anläufe nötig

Bereits für die Abschaffung der Gewissensprüfung brauchte es mehrere Anläufe. Noch bei der Revision des Zivildienstgesetzes 2003 war die Abschaffung der Gewissensprüfung tabu. Und auch diesmal klappte es nicht auf Anhieb. Mit seiner Motion forderte Heiner Studer die Abschaffung der Gewissensprüfung bei gleichzeitiger Einführung des Tatbeweises. Dem Ständerat war der Motionstext aber zu hart formuliert. Vielleicht brauche es noch eine Art «Gewissensprüfung light», eine Art schriftliches Verfahren: «Wir haben das ein bisschen offen gelassen», sagte Ständerat Altherr (FDP, AR) in der Debatte vom Juni 2006. Der Grundsatz sei aber klar: Der Ständerat wolle die Gewissensprüfung in ihrer heutigen Form abschaffen. Die Debatte zeigte, wie schwer sich die ParlamentarierInnen selbst mit minimalen Anpassungen tun.

Hohe Untauglichkeitsquote

Wohl bloss die hohen Untauglichkeitsquoten bei der neuen, dreitägigen Rekrutierung haben die bürgerlichen ParlamentarierInnen dazu bewogen, der Abschaffung der Gewissensprüfung zuzustimmen. 2005 wurden an den Rekrutierungstagen volle 39 Prozent der Stellungspflichtigen für untauglich erklärt. Hinzu kamen 4,5 Prozent, welche die Rekrutenschule abgebrochen hatten. 2006 ging zwar die Untauglichkeitsquote an den Rekrutierungstagen auf 34 Prozent zurück, dafür stiegen während der Rekrutenschulen bedeutend mehr aus. Gegen 7 Prozent dürfte die Aussteigerquote aus den Rekrutenschulen letztes Jahr betragen haben. Rechnet man noch diejenigen Personen hinzu, die nach der Rekrutenschule den Militärdienst vorzeitig beenden, so dürften heute wohl weniger als 50 Prozent der Stellungspflichtigen ihren Militärdienst zu Ende machen. Wieso für die hohen Untauglichkeitsquoten die Zivildienstleistenden die Zeche in Form des längeren Dienstes zu zahlen haben, ist alles andere als verständlich. So bleibt denn auch die Quote der Zivildienstleistenden im einstelligen Prozentbereich – der «blaue Weg» ist der einfachste Weg sich der Wehrpflicht zu entziehen.

Ziel der GSoA ist und bleibt die Abschaffung der Militärdienstpflicht und die Einführung eines freiwilligen zivilen Friedens- und Sozialdienstes für Frauen und Männer. Eines wäre dabei gewiss: Der neue Friedens- und Sozialdienst würde auch in der Freiwilligkeit gut funktionieren. Viele derjenigen, welche unter den heutigen widrigen Umständen Zivildienst leisten, würden auch dann noch einen Dienst leisten, wenn dieser freiwillig wäre. Das zeigen sie mit dem hohen Preis, den sie heute – freiwillig – bezahlen.