Jemen – Konstruktion eines «failed state»

An der medialen Front herrscht gespannte Ruhe. Ein Land im Bürgerkrieg, Sezession im Norden und im Süden, die Konfliktgebiete gesperrt für in- und ausländische JournalistInnen. Entsteht auf der arabischen Halbinsel ein neuer «failed state»?

Die Regierung Jemens versucht im Norden des Landes seit Jahren mit militärischer Gewalt gegen die religiöse Minderheit der Houthi vorzugehen, die mehr Rechte fordert. Der schwelende Konflikt eskalierte weiter, als die Regierung im August des letzten Jahres eine neue Offensive startete. Ende November marschierte die saudische Armee in den Norden Jemens ein, um die jemenitischen Truppen zu unterstützen und eine «Sicherheitszone» einzurichten. Der Krieg hat bisher mehrere hunderte Tote, davon eine unbekannte Anzahl Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Zehntausende wurden vertrieben. Gleichzeitig gibt es im Süden von Jemen vermehrte Unabhängigkeitsbestrebungen. Die Menschen machen mit Demonstrationen und Streiks auf ihre Anliegen aufmerksam und fordern Meinungsfreiheit und ein Ende der Benachteiligung des Südens gegenüber dem Norden.

Der Jemen ist in seiner heutigen Form erst 1990 entstanden. Zwei eigenständige Staaten, Volksrepublik im Süden und Arabische Republik im Norden,wurden vereint. Seit 1990 wird das Land von Ali Abdallah Saleh, dem vormaligen Präsidenten des Nordens, despotisch regiert. Pressefreiheit gibt es kaum, die Korruption ist gross, die Menschenrechtslage schlecht. Regelmässig werden Menschen durch Sicherheitskräfte willkürlich verhaftet oder gar getötet. Seit der Beteiligung von Saleh am «Krieg gegen den Terror» im Jahre 2001, wird besonders von amerikanischer Seite grosszügig über diese Probleme hinweggesehen, man will schliesslich keinen Verbündeten verlieren.

Als Rechtfertigung geeignet

Die Missstände in Jemen sind nicht neu. Dennoch taucht Jemen erst seit Mitte Dezember 2009 wieder auf der globalen Bühne auf. Grund war der vereitelte Terroranschlag durch einen Nigerianer, der im Jemen ausgebildet worden sein soll. Die Präsenz von Al-Qaida wurde zum Thema, die jemenitischen Gefangenen in Guantanamo rückten ins öffentliche Bewusstsein. Sogleich stockten die USA ihre Militärhilfe auf und kündigten an, dass alle nötigen Massnahmen ergriffen würden, damit Jemen als Staat nicht scheitert. Bereits wir Jemen mit Somalia verglichen.

Begründet wurde der Aktionismus damit, dass ein «failed state», der sich durch die Abwesenheit staatlicher Leistungen und des Gewaltmonopols auszeichnet, Nährboden für Extremismus biete. Mit diesem Bedrohungsbild scheint es plötzlich notwendig und legitim, die finanzielle oder militärische Unterstützung einer autokratischen Regierung aufzustocken oder gar selbst in Aktion zu treten. Kurz: Die ideale Rechtfertigung. Es scheint gewisse internationale Grundregeln zu geben: Ein Staat darf nicht zerfallen, Teilgebiete dürfen sich nicht unabhängig erklären – ausser es passt gerade ins politische Kalkül der Mächtigen.

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