Im Argumentationsnotstand

Mit den Argumenten, die gegen die Initiative «für den Schutz vor Waffengewalt» ins Feld geführt werden, decken die Initiativ-Gegner vor allem ihren eigenen Argumentationsnotstand auf.

Für SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer muss die Armeewaffe zu Hause aufbewahrt werden, um die Schweiz vor militärischen Überraschungsangriffen zu schützen. Für dieses verkrustete Szenario – der Schweizer Soldat wird aus dem Schlaf gerissen und schlägt mit dem Sturmgewehr den einfallenden Feind zurück – hat man selbst in Armeekreisen nur noch ein müdes Lächeln übrig.

Armeechef André Blattmann argumentiert mit einem «Erdbeben-Szenario» für den Verbleib des Sturmgewehrs zu Hause: «Die Armee wäre bei einem Erdbeben gefragt, um Plünderungen zu verhindern». Wer sich das konkret vor Augen führt, wird rasch feststellen, dass die leichte Verfügbarkeit von Waffen in solchen Chaos-Situationen ein unkalkulierbares Risiko darstellen würde. Die Vorstellung, dass jeder Soldat sein Sturmgewehr aus dem Kleiderschrank holt und auf Plünderer losgeht, ist ein Szenario, das man lieber nicht zu Ende denkt.

Kriminalisierung

Sehr populär ist bei der Waffenlobby das Argument «Vertrauen». Die Abgabe der Waffe sei ein Beweis für das Vertrauen, das der Staat dem Bürger entgegenbringe. Wenn der Staat dem Bürger die Armeewaffe nicht zur Aufbewahrung nach Hause gebe, dann misstraue er ihm. Wer dieser Logik folgt, müsste sich auch gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Strassen aussprechen. Auch hier geht es um eine Begrenzung der individuellen Freiheit im Interesse der Allgemeinheit. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, hier von Misstrauen zu sprechen. Wenn die Gegner der Initiative dann noch einen Schritt weitergehen und davon sprechen, dass dieses «Misstrauen» einer «Kriminalisierung der Soldaten» gleichkomme, dann rutscht die Argumentation definitiv ins Groteske ab.

Kaum sachlicher gehen die Gegner der Initiative mit den heiklen Themen Suizid und häusliche Gewalt um. Selbst der Bundesrat hat in seiner ablehnenden Botschaft zu Initiative zugegeben, dass die leichte Verfügbarkeit von Waffen sowohl Suizid als auch häusliche Gewalt begünstigt. Darauf weisen PsychologInnen schon seit Jahren hin. Trotzdem kritisiert das Nein-Komitee, dass die Initiative die tatsächlichen Ursachen von häuslicher Gewalt und Suiziden in keiner Weise bekämpfe. Tatsächlich nimmt die Initiative nicht für sich in Anspruch, suizidale Gedanken und zwischenmenschliche Probleme in der Schweiz abzuschaffen. Die InitiantInnen sind aber gerne bereit, sich vom gegnerischen Komitee beraten zu lassen, wie eine solche Initiative ausgestaltet sein müsste. In der Schweiz nimmt sich täglich ein Mensch mit einer Schusswaffe das Leben. Wer angesichts dieser Tatsache mit dem Thema Suizid so unsachlich umgeht wie die Gegner der Initiative, muss sich eine gewisse Gleichgültigkeit vorwerfen lassen.

Zu umständlich

Ein weiteres Standard-Argument betrifft den «Administratiosaufwand für Waffenbesitzer». Das erscheint in einem Land, in dem jede Kuh registriert wird, aber doch ziemlich gesucht.

Fazit: Es gelingt der Waffenlobby nicht, nachvollziehbare sachliche Argumente gegen die Initiative ins Feld zu führen. Das ist allerdings auch nicht verwunderlich. Diejenigen, die an vorderster Front gegen die Initiative kämpfen, empfinden eine emotionale Verbundenheit mit ihrem Sturmgewehr. Für sie ist das Gewehr ein Stück ihrer (meist männlichen) Identität und Symbol für «eidgenössische» Freiheit. Auf diesem rückwärtsgewandten Selbstverständnis allein lässt sich allerdings keine Argumentation aufbauen, die einer sachlichen Diskussion standhält.

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