Gequälter Bote und dezentralisierte Leaks

Seit Mai 2010 befindet sich der 23-jährige Bradley Manning in Haft, weil er mutmasslich geheime Dokumente an Wikileaks weitergegeben hat, die unter anderem schwere Menschenrechtsverletzungen im Irak belegen. Nun wird ihm selbst eine Behandlung zuteil, die kaum als menschenrechtskonform bezeichnet werden kann.

Wie die New York Times vom 4. März berichtet, werden Manning über Nacht sämtliche Kleider weggenommen – angeblich um Selbstverletzungen zu verhindern. Wahrscheinlicher ist, dass er damit unter Druck gesetzt wird gegen Julian Assange auszusagen. Ein CIA-Papier aus dem Jahr 2004 bezeichnet erzwungene Nacktheit als geeignetes Mittel, um einen Gefangenem dazu zu bringen, «sein persönliches Wohlbefinden, seine Behaglichkeit und seine unmittelbaren Bedürfnisse höher zu schätzen als die Informationen, die er beschützt».

Die Behandlung ist umso erniedrigender, als Manning unter ständiger Video-Überwachung steht. Zynisch mutet vor diesem Hintergrund an, dass ein Sprecher des Gefängnisses der New York Times eine Stellungnahme zu den Gründen der Massnahme mit dem Argument verweigerte, die Privatsphäre Mannings schützen zu wollen.

Derweil musste der Sprecher von Hillary Clinton zurücktreten, nachdem er Mannings Haftbedingungen als «lächerlich, kontraproduktiv und dumm» bezeichnet hatte. Barack Obama, der einst mit dem Anspruch angetreten war, Guantanamo zu schliessen und die menschenrechtskonforme Behandlung von US-Häftlingen sicherzustellen, beliess es bei der Feststellung, das Pentagon habe ihm versichert, dass Manning korrekt behandelt werde.

Die Unverzichtbarkeit von Whistleblowing

Gerade die Kehrtwende Obamas in Sachen Guantanamo zeigt, dass die Durchsetzung der Menschenrechte ohne öffentlichen Druck kaum möglich ist. Und öffentlicher Druck setzt öffentliche Information voraus.

Gerne wird argumentiert, es bestehe ein legitimes Interesse der Staaten, gewisse Informationen geheimzuhalten. Doch diese Geheimhaltung wird gerade auf diejenigen Praktiken angewendet, an denen ein öffentliches Interesse besteht, weil sie die Integrität der Mächtigen in Frage stellen. Eine institutionelle Kontrolle der Geheimhaltung kann dieses Problem nicht voll ständig lösen – deshalb ist Whistleblowing zur Wahrung der Menschenrechte unverzichtbar. Es ist das Verdienst von Wikileaks, diese Tatsache ins öffentliche Bewusstsein gerufen zu haben. Die Schwäche der Plattform besteht aber in der Konzentration auf die Person von Julian Assange. Das hat nicht (nur) mit seinem persönlichen Verhalten zu tun, sondern mit der zentralistischen Struktur von Wikileaks.

Openleaks: Eine dezentrale Alternative

Umso interessanter ist das Projekt «Openleaks», das von ehemaligen Wikileaks-Mitarbeitenden ins Leben gerufen wurde und am «Public Eye» in Davos erstmals vorgestellt wurde. Der Clou der neuen Plattform: Statt wie Wikileaks selbst darüber zu entscheiden, was mit den geleakten Dokumenten geschieht, erfolgt die Entscheidung über eine allfällige Veröffentlichung dezentralisiert. Whistleblower sollen selbst entscheiden, welchem Medium oder welcher Organisation eine Information zugestellt werden soll – Openleaks stellt dafür lediglich eine sichere, anonymisierte Schnittstelle bereit.

Zur Zeit befindet sich Openleaks noch in der Testphase. Längerfristig könnte das Projekt auch für die GSoA interessant sein. Alleine schon das Wissen, dass ihren Mitarbeitenden jederzeit ein sicherer Weg zur Verfügung steht, uns Informationen über schmutzige Geschäfte weiterzugeben, könnte einen mässigenden Einfluss auf Rüstungsmanager ausüben.