Hilfsdienst statt Abgabe?

Der Europäische Gerichtshof hat die Wehrpflichtersatzsteuer in der heutigen Form für nicht haltbar erklärt. Das VBS steht nun unter Zugzwang, denn weitere Urteile dürften folgen.

Vor drei Jahren hat der Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg die Klage eines Diabetikers gegen die Wehrpflichtersatzsteuer gutgeheissen (Glor vs. Schweiz). Der 30-jährige war wegen seiner Krankheit für untauglich erklärt worden und musste rund 700 Franken Wehrpflichtersatz pro Jahr zahlen, obwohl er sich bereit erklärt hatte, Militär- oder Ersatzdienst zu leisten. Das Gericht stellte fest, dass diese Praxis gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Diskriminierungsverbot verstösst.

Inzwischen sind Dutzende ähnliche Klagen auf dem Weg durch die Gerichte und werden voraussichtlich in ein bis zwei Jahren vom Europäischen Gerichtshof behandelt. Der Instanzenweg ist lang, die Aussicht auf Erfolg jedoch hoch: Nach einem Einspruch beim Steueramt gegen die Veranlagung der Militärpflichtsteuer muss zuerst erneut die Untauglichkeit festgestellt werden. Danach folgen Rekurse gegen die Steuerrechnung durch alle gerichtlichen Instanzen bis nach Strassburg. Man geht davon aus, dass die RichterInnen dem Präzedenzurteil folgen und den Klägern Recht geben werden.

Trotz des juristischen Drucks hält das VBS vorläufig an der heutigen Militärpflichtabgabe fest. Sobald der Europäische Gerichtshof die Schweiz nochmals verurteilt, wird sich aber die Politik einschalten müssen. Eine Arbeitsgruppe des Bundes erarbeitet derzeit verschiedene Vorschläge für eine Reform des Militärpflichtersatzes, darunter beispielsweise die Einführung eines neuen Hilfsdienstes für «eingeschränkt Taugliche».

Die Diskussion um die Wehrpflichtersatzabgabe zeigt, welchen Eiertanz die Behörden vollbringen müssen, um wenigstens noch den Anschein einer «Wehrgerechtigkeit» zu erwecken.

 

Piet Dörflinger ist Beratungsstellenleiter bei zivildienst.ch. Die Beratungsstelle bietet Unterstützung bei allen Fragen rund um Militär und Zivildienst. Unter anderem hilft sie auch bei Beschwerden gegen die Wehrpflichtersatzsteuer.
Kontakt: www.zivildienst.ch oder 044 450 37 37

 

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