Selbstjustiz als Zukunftsmodell?

Im Dezember vergangenen Jahres hat ein Zwanzigjähriger in den USA 27 Menschen, darunter 20 Kinder, umgebracht. Kurze Zeit später erschoss ein Mann im Wallis drei Frauen und verletzte zwei Männer. Die Debatte, die anschliessend über diese beiden Ereignisse geführt wurde, zeigte vor allem Eines: Die BefürworterInnen des liberalen Waffenrechts argumentieren immer gefährlicher.

Nachdem der Schock über den Amoklauf in den USA vorüber war, wurde in den hiesigen Nachrichtensendungen, Kommentarspalten und Internet-Blogs diskutiert und analysiert, weshalb die AmerikanerInnen trotz immer wiederkehrenden Massakern nicht endlich strengere Waffengesetze erlassen. Manch einer fragte sich, weshalb Waffenbesitz für viele AmerikanerInnen ein Symbol für Freiheit und Selbstbestimmungsrecht darstellt. Weshalb viele AmerikanerInnen scheinbar das Bedürfnis haben, ihre Sicherheit an den Besitz einer Waffe zu koppeln. Es wurde diskutiert, weshalb es in den USA eine Waffenlobby gibt, die derart mächtig ist, dass sie entscheidenden Einfluss auf die Präsidentschaftswahl nehmen kann. Tatsache ist, dass Amerika betreffend Waffenrecht in vielen Belangen ein abschreckendes Beispiel darstellt. Es ist zu hoffen, dass die seitens Obama beabsichtigten Verschärfungen des Waffenrechts Wirkung zeigen werden.

Schweizer Diskussion
Eine Auseinandersetzung mit der Tragödie in den USA ist auch in der Schweiz angebracht. Auffallend ist allerdings, dass die Debatte in der Schweiz so geführt wurde, als schaute unser Land auf etwas völlig Fremdes. Auf etwas «typisch Amerikanisches», das in der Schweiz ganz und gar undenkbar scheint.

Die Schweiz hatte kurze Zeit später ihr eigenes Blutbad. Die Diskussion, die darauf entflammte, erinnerte in ihrer Emotionalität stark an den Abstimmungskampf zur Initiative «Schutz vor Waffengewalt». Die BefürworterInnen des laschen Waffenrechts konterten die Forderung nach einer Verschärfung mit den bereits bekannten Argumenten: Man dürfe wegen einem Einzelfall nicht den ehrlichen Schweizer Bürger strafen und ihm seine Waffe wegnehmen. Die Waffe sei Symbol helvetischer Tradition und Ausdruck des Vertrauens des Staates in seine Bürger. Dem Schweizer die Waffe zu entziehen wäre ein Eingriff in die persönliche Freiheit des Bürgers und würde alle Waffenbesitzer unter Generalverdacht stellen.

Gefährliche Tendenz
Spätestens jetzt wurde klar, dass die BefürworterInnen des zügellosen Waffenrechts in der Schweiz betreffend Argumentationsweise ihren Gesinnungsgenossen in Amerika näher stehen, als dies mancher wahrhaben will. Das Gefährliche dabei ist, dass es in der Schweiz ganz offensichtlich vielen Waffennarren immer leichter fällt, ihren Waffenbesitz mit dem Argument der persönlichen Sicherheit zu rechtfertigen. Da auf den Staat kein Verlass mehr sei und unser Land immer mehr von Ausländern und Asylanten bedroht werde, sei der Waffenbesitz für den Schweizer eine gerechtfertigte Notwendigkeit. Der Bürger müsse selber für Recht und Ordnung sorgen, notfalls eben mit Waffengewalt, so die Argumentation. Auf Internet-Blogs werden «amerikanische Verhältnisse» gefordert. Selbstjustiz scheint für diese Kreise kein Tabu mehr zu sein, sondern der anzustrebende Zustand für unser Land. Der Boden für diese gefährliche Entwicklung wird wesentlich unterstützt von nationalkonservativen Kreisen, angeführt von der SVP, die mit ihren ausländerfeindlichen Kampagnen und der Beschwörung vom Niedergang des Staates Stimmung macht.

Fazit
Die Argumente der Waffennarren in der Schweiz unterscheiden sich kaum von denjenigen ihrer Verbündeten in den USA. Gefährlich ist, dass es unter den Befürwortern des laschen Waffenrechts Leute gibt, die ihren Waffenbesitz vermehrt mit dem Recht auf Selbstjustiz rechtfertigen. Diese Entwicklung muss uns Sorge bereiten.

 

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