Zu gross und zu teuer – wegen Wehrpflicht

Die Schweizer Armee ist die weitaus grösste in Europa – im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Aufhebung der Wehrpflicht ist auch eine Sparvorlage.

Die vom Bundesparlament beschlossenen 100‘000 Soldaten sind das Vierfache Österreichs und Finnlands, das Sechsfache Schwedens und das Zehnfache Irlands. Das Nato-Mitglied Deutschland (82 Mio. Einwohner) will die Zahl der Soldaten auf 180’000 senken.

Schweizer Sonderfall
Mit ihrer hohen Zahl Soldaten ist die Schweiz ein Sonderfall. Dass dies militärisch absurd ist, zeigt der Armeebericht 2010. Für die 80‘000 Soldaten, welche der Bundesrat damals vorgeschlagen hatte, sah er folgende Verteilung vor: Verteidigung 22‘000, ausserordentliche Ereignisse im Innern 35‘000, Auslandseinsätze 1000, Basisleistungen für alle Einsätze 22‘000. Unter Abzug der für alle drei «Fronten» zuständigen Basisleistungen sollen Katastrophenschutz und andere «Hilfeleistungen» über 60 Prozent des Armeebestandes beanspruchen. Wie grotesk diese Vorstellungen sind, zeigt folgende Zahl: Für den Katastrophenschutz wurden in den letzten zehn Jahren bloss 0,06% der 60 Millionen Diensttage eingesetzt.
Für mehr Soldaten braucht es mehr Rüstungsgüter und Transportmittel. Eine Reduktion der Armee auf einen Drittel des von National- und Ständerat beschlossenen 100’000er Bestandes würde eine Reduktion der Rüstungsausgaben von 5 auf 2,5 Milliarden erlauben – sofern auf die Beschaffung neuer Kampfjets verzichtet wird. Um etwa 200 Millionen Franken sinken würden auch die ausserbudgetären Ausgaben für die Militärversicherung, die Kosten für die Schuldzinsen, die Kantone und Gemeinden.

Volkswirtschaftliche Folgekosten
Die gewichtigste Einsparung wäre eine massive Senkung der Opportunitätskosten, welche die Volkswirtschaft zu tragen hat. Opportunitätskosten entstehen durch den Ausfall von Arbeitskräften, es ist die Summe der verpassten Gewinnmöglichkeiten. Bei gut 6 Millionen Diensttagen pro Jahr machen sie gegen 4 Milliarden Franken aus: 6 Mio. x 8.5 Stunden x 75 Franken (Stundenproduktivität). Sollte die Zahl der Diensttage auf 5 Mio. sinken, würde das zu einem Rückgang der Opportunitätskosten auf etwa 3.2 Mrd. Franken führen. Nicht eingerechnet sind die volkswirtschaftlichen und persönlichen Verluste, welche die Behinderung der Ausbildung, Weiterbildung und Berufserfahrung für die jungen Männer verursachen.
Warum schlägt der Bundesrat eine 80‘000er Armee vor, wenn er für die Verteidigung noch 22‘000 vorsieht? Und warum erhöht die rechtsbürgerliche Mehrheit den Bestand auf 100‘000? Die einzige Erklärung liegt in der Wehrpflicht. Diese wird unter 80‘000 völlig unhaltbar. Gehen wir bei diesem Bestand (ohne RS) von 5 Wiederholungskursen aus: Dann bräuchte es pro Jahrgang noch 16‘000 Soldaten. Selbst unter Einberechnung der Zivildienstleistenden sind das weniger als die Hälfte der jährlich 40‘000 Stellungspflichtigen. Deshalb halten bürgerliche Armeereformer wie Rainer Eichenberger, Hans-Ulrich Ernst, Karl Haltiner oder Pierre Maudet, deren vorgeschlagenen Bestandsgrössen sich zwischen 50‘000 und 20‘000 bewegen, die Wehrpflicht für überholt.