Der Neutralitäts-Schwindel

Wenn es um den Gripen geht, fällt oft der Begriff der Neutralität. Mit diesem Schlagwort verknüpfen die Befürworter der Kampfjetbeschaffung drei unwahre Behauptungen.

Mit drei Begriffen versucht das VBS dem Gripen einen Neutralitäts-Lack zu verpassen, um ihn gegen politische Angriffe immun zu machen:
1. «Bewaffnete Neutralität»: Die Schweiz brauche eine kräftige Luftwaffe um die Neutralität und Sicherheit bewahren zu können.
2. «Neutraler Partner»: Schweden als neutraler Staat sei der ideale Partner für eine langfristige militärische Zusammenarbeit.
3. «Neutraler Jet»: Der Gripen sei das ideale Kampfflugzeug für die Schweiz, weil das Gripen-Projekt aufgrund der schwedischen Herkunft neutral und unabhängig sei.
Argument Nummer eins ist schnell widerlegt. Für den Luftpolizeidienst reichen die vorhandenen F/A-18 Kampfjets aus (siehe Artikel oben), damit ist die bewaffnete Neutralität gewährleistet. In diesem Artikel soll der Fokus auf den Behauptungen zwei und drei liegen, denn diese werden in den Medien erstaunlich oft wiederholt – obwohl sie beide faktisch falsch sind.

Schweden ist kein neutraler Staat
Schweden ist schlicht kein neutraler Staat mehr. Wer Gegenteiliges behauptet, blendet die schwedische Geschichte der letzten zwanzig Jahre aus. Fakt ist: Seit 1992 ist Schweden Mitglied im Nato-Programm «Partnerschaft für den Frieden», seit 1995 Mitglied der EU. Im Frühling 2002 beschloss die schwedische Regierung, militärische Bündnisse und Verteidigungspakte mit seinen Nachbarn und anderen Mitgliedern der Europäischen Union einzugehen. Schweden gab also 2002 seine Neutralität offiziell auf. In jüngster Zeit unterstützte Schweden die Nato-Streitkräfte mit zehn Gripen-Jets bei der militärischen Intervention in Libyen. Unter diesen Umständen Schweden als neutralen Staat zu bezeichnen, bedingt so einiges an Phantasie. Ähnlich sieht das auch der schwedische General Göranson, der in der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift (ASMZ 07/2012) klarstellte, dass Neutralität und EU-Mitgliedschaft unvereinbar seien. Hinzu kommt, dass Schweden mit seiner North European Aerospace Testrange (NEAT) verschiedenen Staaten und Bündnissen ein Testgelände zur Verfügung stellt, in dem Kriegssysteme trainiert und getestet werden, die unter anderem in den Kriegen im Irak, Balkan, Afghanistan, Kaschmir und Libyen eingesetzt wurden. Dabei verletzt Schweden regelmässig die Uno-Deklaration der Rechte indigener Völker, weil sich das Testgelände auf dem Gebiet der Saami befindet.

Der Gripen ist kein schwedischer Jet
Bleibt Behauptung Nummer drei: Gripen als schwedischer Jet. Auch das ist faktisch falsch. Wie die schwedische Friedensorganisation SPAS aufzeigt, waren bei früheren Modellen des Gripen nur gerade mal ein Drittel der Einzelteile schwedischer Herkunft. Beim Gripen E (das Modell, das die Schweiz kaufen will) wird dieser Anteil noch kleiner sein. Ein kurze Liste von wichtigen Komponenten macht dies deutlich: Das Triebwerk stammt von General Electric (USA), das IRST (Infrared Search and Track, ein Teil der Sensorensysteme) sowie das Radarsystem ES-05 Raven stammen von Selex (GB) und das integrierte Zielsystem stammt von BAE (GB). Das letztgenannte Unternehmen war im Zusammenhang mit Gripen-Verkäufen gemeinsam mit Saab in diverse Korruptionsskandale verwickelt (siehe Seite 5). Insgesamt stammen die Einzelteile des Gripen aus über zehn verschiedenen Ländern, keines davon neutral, die meisten aber Nato-Staaten. Das Gripen-Projekt als neutral zu bezeichnen ist daher genau so falsch wie Schweden als neutralen Staat zu bezeichnen. Es ist zu hoffen, dass sich in der Abstimmungsdebatte um den Gripen auch die BefürworterInnen an diese Fakten halten werden.

 

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