Kein Beigemüse

Endlich ist es soweit: Auch in der Schweiz kann anstelle des Militärdienstes Zivildienst geleistet werden. Doch das Zivildienstgesetz widerspricht in manchen Punkten den Vorstellungen pazifistischer Kreise. Welche Vorteile demgegenüber der Vorschlag der GSoA in Aussicht stellt, erläutert Ruedi Winet, Leiter der Beratungsstelle für Militärverweigerung und Zivildienst.

Zivildienst kann bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen und in Einsatzbetrieben geleistet werden. In der Regel finden diese Einsätze im Inland statt, ausnahmsweise, bei entsprechender Ausbildung, kann ein Einsatz auch im Ausland zugunsten der Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt werden. Für ihren Lohnausfall wird den Zivildienstleistenden eine Entschädigung gemäss den Ansätzen der Erwerbsersatzordnung ausbezahlt.

Zivildienst und Friedensdienst

Den Zivildienst gibt es also schon. Wieso braucht es dann noch einen Friedensdienst? Und kommen sich Friedensdienst und Zivildienst ins Gehege?
– Zivildienst nach helvetischem Muster ist direkt abhängig von der Militärdienstpflicht: Nur wer militärdienstpflichtig ist, wird zum Zivildienst zugelassen werden. Deshalb können Frauen (ausser sie haben sich zuvor freiwillig zum Militärdienst gemeldet) und Militärdienstuntaugliche kein Zivildienstgesuch einreichen. Würde die Wehrpflicht abgeschafft, gäbe es auch keinen Zivildienst mehr. 
– Zivildienst ist nur eine Ausnahme von der Wehrpflicht: Grundsätzlich ist jeder Schweizer militärdienstpflichtig. Auf Antrag hin kann er einen (längerdauernden) zivilen Ersatzdienst leisten. Bei einer Anhörung vor einer zivilen Kommission muss der Gesuchsteller Gewissenkonflikte glaubhaft machen können.
– Einsätze im Ausland sind nur erschwert und nur in einem eng begrenzten Bereich möglich. Sie stellen die Ausnahme der Ausnahme dar.
– Wo Zivildiensteinsätze möglich sind, bestimmt die Zivildienstbehörde in Zusammenarbeit mit einer Anerkennungskommission, die sich aus VertreterInnen von ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen zusammensetzt.
Der Initiativentwurf «Solidarität schafft Sicherheit» behebt einige Mängel des bestehenden Zivildienstes. So soll grundsätzlich jedermann und jedefrau Einsätze im Friedensdienst leisten können, und Auslandeinsätze werden in breiterem Rahmen möglich. Gemeinnützige Arbeiten sollen genauso im In- wie im Ausland möglich sein. Der Schweizer Isolationismus, den es auch im Zivildienst gibt, würde damit überwunden.
Gerade grenzüberschreitende Einsätze im europäischen Raum könnten einiges zu einem Kulturaustausch unter Jugendlichen beitragen. Es wäre deshalb ein Fehler, wenn Auslandeinsätze nur in Demokratie- und Menschenrechtsarbeit möglich wären. Auch die direkte Begegnung bei «gewöhnlichen» Arbeiten muss möglich sein.

Mängel des Initiativentwurfs

Der vorgeschlagene Initiativentwurf für einen Friedensdienst hat aber auch Mängel. Beispielsweise sagt er nichts darüber aus, wer Friedensdienst leisten kann. Das spielt keine grosse Rolle, wenn in der Abstimmung beide Initiativen angenommen oder abgelehnt werden. Wird jedoch die Initiative «Solidarität schafft Sicherheit» allein angenommen, entstehen gewisse Probleme. Sollen alle Wehrpflichtigen einen Friedensdienst leisten können und damit zwischen Militär- und zivilem Friedensdienst wählen können? Oder kann nur Friedensdienst leisten, wer entsprechende berufliche Qualifikationen mitbringt und/oder von den Behörden ausgewählt wird? Müssen all die anderen, die nicht auf das Privileg einer solchen Ausbildung verweisen können, weiterhin ihre Gewissenskonflikte in einem beschwerlichen Verfahren nachweisen? Und erhalten letztere weiterhin nur einen Teil ihrer Zivildiensttage angerechnet, während Friedensdiensttage voll angerechnet werden?
Wird eine Friedensinitiative lanciert, muss sie zum Ziel haben, den bestehenden Zivildienst abzulösen. Zwei solche Dienste mit grundsätzlich identischer Aufgabenstellung aufrechtzuerhalten, wäre unsinnig. Diesem Anspruch muss die Initiative klarer genügen. Eine Friedensdienstinitiative hat Aussichten auf Akzeptanz bei der Bevölkerung. Laut jüngsten Meinungsumfragen haben Zivildienstleistende schon jetzt ein weit besseres Image als Soldaten: Zivildienst wird als weit nützlicher für die Gemeinschaft erachtet als Militärdienst. Deshalb sollte diese Initiative sorgfältig ausgearbeitet und nicht lediglich als «Beigemüse» zur Armeeabschaffungsinitiative II betrachtet werden.

 

Initiativentwurf

Solidarität schafft Sicherheit

Für einen Schweizer Friedesdienst Artikel 8bis der Bundesverfassung (neu).
Der Bund schafft zur Erhöhung der sozialen und ökologischen Sicherheit im Inland und als Beitrag zur internationalen Sicherheitspolitik einen freiwilligen Friedensdienst.
a) Im Inland kann der Friedensdienst im Auftrag von Bund, Kanton und Gemeinden oder auf Anfrage von Dntten in gemeinschaftsrelevanten Bereichen eingesetzt werden.
b) Im Ausland kann ein Einsatz in den Bereichen Wahlbeobachtung, Menschen- rechtsarbeit, Begleitung von gefährdeten Personen, Demokratisierung und Überwachungsfunktionen sowie anderer Projekte des zivilen und sozialen Engagements erfolgen. Der Schweizer Friedensdienst kommt auf Anfrage und unter Zustimmung der involvierten staatlichen Strukturen zum Einsatz. Er ist unabhängig und unparteilich. Er kann mit den entsprechenden Strukturen anderer Länder, mit internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Privaten zusammenarbeiten.
1) Der Bund bildet unter Einbezug von friedens-, entwicklungspolitischen und kirchlichen Kreisen ein Organ, das über den Einsatz des Friedensdienstes befindet.
2) Die Mitarbeit im Schweizer Friedensdienst ist freiwillig. Auf die Beteiligung eines breiten gesellschaftlichen Spektrums ist zu achten.
3) DerBund gewährleistet die AusbildungderFriedensdienstleistenden. Die Ausbildung folgt den beruflichen Qualifikation und dem Bedarf.
4) Solange in der Schweiz gemass Artikel 18 der Bundesverfassung eine Wehrpflicht besteht, werden die im Schweizer Friedensdienst geleisteten Tage als Diensttage angerechnet.
5) Der Erwerbsausfall der Dienstleistenden wirdausgeglichen. Friedensdienst gilt als unverschuldete Arbeitsabwesenheit.