Etappenziel erreicht

Nach einer intensiven Diskussion, für die wir uns notwendige zwei Jahre Zeit gelassen haben, wurden die Initiativtexte an einem GSoA-Seminar im Tessin am 7./8. Juni bereinigt. An der nächsten Vollversammlung am 23. November 97 in Solothurn kann ein Lancierungsbeschluss gefällt werden.

Nach intensiver Diskussion über Perspektiven und Inhalte hat die GSoA im vergangenen November beziehungsweise März an zwei Vollversammlungen die Texte für das kommende Doppelinitiativprojekt im Grundsatz gutgeheissen. Immer noch kontroverse Punkte sollten bis zur nächsten November-VV geklärt werden. Das Tessiner Wochenend-Seminar hat dieses Ziel erreicht.

Keine Blauhelme ohne Abstimmung

Bei der Initiative ‹Sicherheit statt Verteidigung: Für eine Schweiz ohne Armee› am meisten umstritten war ein Absatz zur möglichen zukünftigen Beteiligung der Schweiz an bewaffneten ‹internationalen Friedensmissionen›. Nie zur Diskussion stand, dass die GSoA selbst ein derartiges Engagement fordern soll. Doch aus zwei Gründen hielt eine deutliche Mehrheit der GSoAtInnen an einer Formulierung fest, welche die Schaffung einer Gesetzesgrundlage für derartige Einsätze auch nach Annahme der Armeeabschaffungsinitiative offenhält: Erstens können wir nicht so tun, als hätten wir schon heute für sämtliche zukünftigen Konflikte die abschliessende Antwort. Viele GSoAtInnen wollen nicht für immer und unter jeder Bedingung ausschliessen, dass der Einsatz einer bewaffneten Polizeigewalt über nationalstaatliche Grenzen hinaus der Durchsetzung von Menschenrecht dienen kann. Solange aber kein internationales Recht und entsprechende, demokratisch legitimierte Institutionen existieren, bleibt dies Gedankenspielerei. Derselbe Zwiespalt veranlasste 1994 die GSoA zur Parole ‹leer einlegen› anlässlich der Uno-Blauhelmabstimmung.

Zweitens will die GSoA mit ihren Initiativen eine Diskussion führen, die weit über die Frage «Und dann Bosnien?» hinausgeht. Wir befürchten, dass wir über den realen Unsinn der Schweizer Armee kaum noch reden können, wenn wir das Thema bewaffnete ‹Friedensintervention› kategorisch ausschliessen. Gerade indem wir hier zukünftige Diskussionsbereitschaft signalisieren – ohne an die gegenwärtige Interventionitis ein Zugeständnis zu machen – hoffen wir, heute mit unseren Argumenten gegen die Armee und für gewaltfreie Konfliktbearbeitung beziehungsweise -prävention Gehör zu finden.

Diese Hoffnung teilen mehrere Tessiner GSoAten nicht. Sie befürchten, dass wir mit der Diskussionsbereitschaft über bewaffnete ‹Friedensmissionen› bei unserer zentralen Forderung nach gewaltfreier Konfliktaustragung massiv an Glaubwürdigkeit verlieren. Dieser Dissens war schon am 1. März deutlich geworden, als sich in Bellinzona GSoAtInnen aus der deutschen und italienischen Schweiz zusammengesetzt hatten, um diesen Punkt noch einmal zu erörtern. Einig geworden sind wir uns damals sowie in all den seither geführten Diskussionen nicht, obwohl in den Kernpunkten – Armeeabschaffung und zukunftsweisende zivile Sicherheitspolitik – Konsens besteht. Näher gekommen hingegen schon. Im Initiativtext, wie wir ihn am 8. Juni verabschiedet haben, ist bereits im Verfassungstext eine Sicherung eingebaut: Über eine allfällige Beteiligung der Schweiz an bewaffneten Friedensbemühungen müsste wiederum das Volk entscheiden.

Auch Waffenplätze umnutzen

Die übrigen Kritikpunkte am Initiativtext wurden zur allgemeinen Zufriedenheit geklärt. So regelt der Initiativtext neu auch den Abbau beziehungsweise die Umnutzung der brauchbaren militärischen Infrastruktur für zivile Zwecke; in Frage kommen etwa Rettungs- und Katastrophenhilfeausrüstungen oder Waffenplätze.

Neu in den Initiativtext aufgenommen haben wir auch die Forderung nach einer Rüstungskonversionspolitik des Bundes. Die Förderung der Umstellung von militärischer auf zivile Produktion hatte in unserer Argumentation immer einen wichtigen Platz – aber bei den bisherigen GSoA-Initiativen eben nur in der Argumentation. Spätestens seit dem Schiffbruch der Waffenexportverbots-Initiative vom 8. Juni ist klar, dass wir die Forderung nach Rüstungskonversion noch höher gewichten müssen, wenn wir den – perfid geschürten – Ängsten um Arbeitsplätze etwas entgegensetzen wollen.

ZFD: alle Macht den NGOs

Bei der Initiative ‹Solidarität schafft Sicherheit: Für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst (ZFD)› blieb an der GSoA-VV vom März 1997 noch offen, wie der Einbezug und die Mitentscheidungsmöglichkeit von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) garantiert werden kann. In diesem Sinn wurde der Initiativtext verdeutlicht: «Eine unabhängige, geschlechtsparitätisch zusammengesetzte Kommission entscheidet über die Ausgestaltung und Durchführung der Grundausbildung, der einsatzspezifischen Aus- und Weiterbildung sowie der Einsätze des zivilen Friedensdienstes. Darin arbeiten insbesondere Organisationen mit, die friedens-, frauen-, umwelt-, migrations-, und entwicklungspolitische Anliegen vertreten», steht jetzt in der Initiative.

Ferner wurde der Aufgabenbereich des Friedensdienstes präziser gefasst: Der ZFD «trägt im In- und Ausland dazu bei, Gewaltverhältnisse abzubauen sowie deren Neuentstehung zu verhindern. Dazu entwickelt er insbesondere Massnahmen im Bereich der friedlichen Beilegung gewalttätiger Auseinandersetzungen, der Früherkennung und Prävention von Gewaltpotentialen, des sozialen Wiederaufbaus und des Schutzes der Lebensgrundlagen.»

Nicht einig war sich die März-VV bezüglich der Anrechenbarkeit von Friedensdienstleistungen. Dieser Punkt blieb nach verschiedenen Diskussionen jedoch unverändert. Friedensausbildung und -Einsatz wird Zivildienstleistenden angerechnet. Wir erweitern so indirekt den Aufgabenbereich des Zivildienstes, vermischen den Friedensdienst jedoch nicht mit dem Militärdienst. Der ZFD bleibt ein Freiwilligenprojekt.

In der nächsten GSoA-Zitig werden wir nach der erneuten juristischen Überprüfung beide Initiativtexte abdrucken. Ein Etappenziel haben wir erreicht: Die Vollversammlung vom November 1997 wird über die bereinigten Texte und über die Lancierung entscheiden können.