… und eine Schweiz ohne Armee

Reformierte Bedrohungen
Gegen wen oder was will uns die Armee heute schützen?
Seit 1989 ist in der Armee die „Reformitis” ausgebrochen. Nach der „Armee 95″ wurde die Armee „200X” und nun die Armee „XXI” propagiert. Hunderte von BeamtInnen sind dafür bezahlt, das Märchen von der schlanken, flexiblen, professionellen und solidarischen Armee ins Volk zu tragen. Doch bleiben wir bei den Fakten: Trotz permanenter Armeereform „ist die Schweizer Armee inzwischen zur zweitgrössten Streitmacht in Europa aufgestiegen” (NZZ, 23.12.98), und noch immer wird an der allgemeinen Wehrpflicht festgehalten.
Dabei ist klar: Militärisch ist die Schweiz nicht bedroht. Selbst Verteidigungsminister Ogi erklärt: „Für Mitteleuropa ist weit und breit kein Feind in Sicht”. Um die Armee zu rechtfertigen, zählen Militärstrategen immer neue Bedrohungen auf: Mafia, Sabotage, Terrorismus, religiöser Fundamentalismus oder Drogenhandel. Für diese mehr oder weniger plausiblen Szenarien ist die Schweizer Armee aber eine untaugliche Antwort. Auch gegen Boykotte, Erpressungen, illegales Abhören, Prostitution, Waffenhandel und andere Gefahren kann sie nichts ausrichten. Dies sind allenfalls Polizeiaufgaben.
Die Schweiz ist militärisch nicht bedroht. Die Armee möchte sich für alle möglichen neuen Probleme anbieten. Erstaunlich, dass die einzig wesentliche Frage, die nach der militärischen Notwendigkeit der Armee, in der aktuellen „Reformdebatte” keine Rolle spielt. Die GSoA gibt Gegensteuer!

Friedensmissionen und Nato-Beitritt
Sind „friedenserhaltende Einsätze” und Nato-Anschluss eine sinnvolle Perspektive?
Bewaffnete Interventionen lösen keinen Konflikt. Sie können höchstens dazu beitragen, gewalttätige Auseinandersetzungen einzufrieren. Solche Einsätze dürfen aber nicht Ausdruck nationalstaatlicher Interessenpolitik sein und müssen im Rahmen eines breit abgestützten politischen Friedensplans unter OSZE- oder UN-Mandat stattfinden. Bei den meisten bewaffneten Interventionen war keine dieser Bedingungen erfüllt.
Jährlich werden weltweit 800 Milliarden Dollar für das Militär und weniger als 20 Milliarden für Gewaltprävention ausgegeben. Die Schweiz muss wirklich nicht mit einem bewaffneten „Schweizer Solidaritätskorps” dieses Missverhältnis verstärken. In Wirklichkeit geht es der Armee mit der Beteiligung an internationalen Missionen auch nicht um Solidarität, sondern um etwas anderes: Der „bewaffnete Alleingang” macht offensichtlich keinen Sinn mehr. Die Armee kann sich nur retten, wenn sie sich – wie die NZZ schreibt – durch die „Kooperation mit der Nato” eine „tragfähige Legitimationsbasis” verschafft. Aber: Wichtig ist nicht, die Armee zu retten, sondern einen wirksamen Beitrag der Schweiz zur Friedensicherung zu erbringen. Ohne Armee und mit einem freiwilligen, Zivilen Friedensdienst (ZFD).
Weder die Schweiz noch die Welt braucht ein bewaffnetes helvetisches „Solidaritätskorps”. Es dient einzig der Legitimierung der Armee. Die GSoA verlangt eine glaubwürdige Sicherheitspolitik: ohne Armee und mit einem freiwilligen Zivilen Friedensdienst.

Sicherheit
Trägt die Armee zu unserer Sicherheit bei?
Arbeitslosigkeit und Rezession gefährden die soziale Sicherheit in der Schweiz. Verkehr und Energieverbrauch wachsen ständig. Luftverschmutzung, Kulturlandzerstörung und Atommüll belasten die Umwelt. Frauen und Kinder leiden häufig unter Männergewalt. Zudem droht die Frage der europäischen Integration die Schweiz zu spalten. Aber auch weltweit nehmen die sozialen Gegensätze zu. 358 Milliardäre sind gemeinsam so reich wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Die entfesselten Finanzmärkte provozieren Konflikte zwischen den Nationen. Mehrere hundert Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Gegen all diese Bedrohungen kann die Armee nicht das Geringste ausrichten. Militärische Gewalt kann die Ursachen von Unfrieden und Angst niemals beseitigen. Diese Probleme verlangen nach politischen Lösungen und zivilem Engagement.
Militärische „Lösungen” werden die Ursachen von Unsicherheit und Gewalt langfristig nur verstärken. Es braucht politische Anstrengungen: Zivile Solidarität über staatliche und gesellschaftliche Grenzen hinweg.

Geld
Wird die Armee bald gratis?
Die Schweiz leistet sich pro Kopf die höchsten Militärausgaben in Europa. Die Armee ist Weltmeisterin im Jammern, nicht im Sparen! Real sind die Bundesausgaben für die Landesverteidigung zwischen 1987 (4’855 Mio.) und 1996 (5’580 Mio.) gerade mal um vier Prozent gesunken. Heute gibt die Schweiz real mehr für die Landesverteidigung aus als 1970, mitten im kalten Krieg. Die Landesverteidigung kostete den Bund 1998 5’399 Millionen. Hinzu kommen über 450 Millionen Franken, welche die Kantone und Gemeinden aufbringen. Zusätzlich schlagen die sogenannten „indirekten Kosten” zu Buche, welche die Wirtschaft erbringen muss ñ im Jahr 1998 machten sie gut vier Milliarden Franken aus. Pro Kopf und Jahr kostet uns die militärische Landesverteidiung 1406 Franken.
Auch wenn das Gejammer aus Armeekreisen einen anderen Eindruck erweckt: Die Schweiz leistet sich pro Kopf die höchsten Militärausgaben in Europa.

Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort
Braucht die Schweizer Wirtschaft die Armee?
Militärische Arbeitsplätze sind die teuersten und unproduktivsten überhaupt: Die 28’000 armeeabhängigen Arbeitsplätze (1990: 40’000) kosten rund zehn Milliarden Franken pro Jahr. Pro Arbeitsplatz macht dies mehr als 350’000 Franken. Die Bankiervereinigung hielt 1994 fest: „Die These, dass das Militär Arbeitsplätze schafft oder erhält, ist volkswirtschaftlich nicht stichhaltig. Mit einem anderweitigen Einsatz dieser Mittel könnten sehr viel effizienter Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden.” Die GSoA-Initiative verlangt daher ausdrücklich: „Der Bund fördert die Umstrukturierung der von der Abrüstung betroffenen Betriebe und Verwaltungen auf zivile Güter und Dienstleistungen.”
Trotz Rezession musste die Privatwirtschaft zwischen 1990 und 1997 die Landesverteidigung mit rund 45 Milliarden Franken subventionieren. Sie muss für den Erwerbsausfall der Wehrmänner, die Kosten der Pflichtlagerhaltung, die privaten Zivilschutzbauten und vieles mehr aufkommen. 1996 verursachten sieben Millionen geleistete Diensttage ungedeckte Lohnausfälle von anderthalb Milliarden Franken.
Aber auch als „Karriere-Schmiede” hat die Armee ausgedient. Das „Weitermachen” wird zunehmend negativ beurteilt. Hans Widmer, Offizier und Präsident des Verwaltungsrates der Oerlikon-Bührle erklärt: „Ich halte ganz andere Fähigkeiten für entscheidend. Diese werden im Militär nicht nur nicht geschult, positive Veranlagungen werden oft noch verschüttet.”
Mit den Militärausgaben könnten sehr viel effizienter zivile als militärabhängige Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Armee belastet den Wirtschaftsstandort Schweiz. Und als „Karriere-Schmiede” hat sie längst ausgedient.

Männlichkeitswahn
Kein richtiger Mann ohne Rekrutenschule?
In der Armee wird jungen Menschen beigebracht, was es braucht, um ein Mann zu sein: Kraft, Härte, Ehre, Gehorsam, Disziplin. Gefühle wie Trauer und Angst gelten als „weiblich”. Und weil Gefühle dem Kriegshandwerk abträglich sind, gilt es in der Armee, Emotionen zu unterdrücken und den harten Kerl zu spielen. Dazu gehören zum Beispiel sexistische Witze oder Kompanieabende mit Striptease-Tänzerinnen. Sexistisches Verhalten fällt leicht, wenn man sich durch eine Uniform geschützt weiss. Die Kaserne, welche die jungen Männer von ihrer normalen sozialen Kontakten und insbesondere von Frauen trennt, bietet dafür das geeignete Umfeld.
Und während die Armee weiter hochgerüstet wird, fehlen Gelder, um den wirklichen Sicherheitsbedürfnissen von Frauen Rechnung zu tragen: zum Beispiel für eine Mutterschaftsversicherung, für Frauenhäuser oder für Gewaltprävention bei Männern.
In der Armee wird kollektive Männergewalt eingeübt und organisiert. Die Abschaffung der Armee trägt zu einem gewaltfreieren Verhältnis zwischen Frauen und Männern bei.

Ordnungsdienst
Soll die Armee für die „innere Sicherheit” der Schweiz sorgen?
Seit 1997 bereitet der Bundesrat die Armee für innere „Ordnungseinsätze” vor. Verschiedene Truppen wurden mit Tränengasgranaten, Schlagstöcken und Handschellen ausgerüstet und übten bereits den Einsatz gegen demonstrierende Arbeitslose oder Bauern. Die Armee für Polizeieinsätze aufzurüsten ist gefährlich und unnötig. In der Schweiz sind 14’000 ausgebildete PolizeibeamtInnen tätig; davon können 7’500 für den Ordnungsdienst eingesetzt werden und wiederum 800 sind sogenannte „Antiterrorspezialisten”, das sind doppelt so viele wie in Österreich und mehr als halb so viele wie in Deutschland.
Während die Armee – wegen Fehlen anderer Aufgaben – in polizeiliche Tätigkeitsbereiche vorstösst, leiden zivile Polizeikorps unter Budgetkürzungen. Während die Armee mit einigen Soldaten in Flüchtlingsunterkünften und an den Tessiner Grenzen Imagepflege betreibt, wurden in der zivilen Flüchtlingsbetreuung und beim Grenzwachtkorps des Eidgenössischen Zollamtes Stellen abgebaut.
Weil die Armee selbst nicht mehr an eine militärische Bedrohung glaubt, will sie immer mehr Funktionen von Polizei und Grenzschutz übernehmen. Dies ist rechtsstaatlich bedenklich und sachlich unbegründet.

Katastrophenhilfe
Helfen der Armee nur noch Katastrophen?
Als weltweit teuerste Putz-Equipe hätte die Schweizer Armee schon lange einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde verdient. Nach den verheerenden Überschwemmungen in der Innerschweiz im Jahr 1987 stellte der damalige Divisionär Alfred Stutz fest: „Man versuche doch nicht, mit einigen Kompanien und Bataillonen, die sich bei der Schadensminderung bewährten, die Notwendigkeit einer zahlenmässig dreihundertmal stärkeren Armee zu belegen.” Man könne nämlich zu Recht einwenden, so Stutz, dass „ein bis zwei spezialisierte, permanente, unbewaffnete Katastrophenhilfebataillone doch viel effizienter sind”.
Im Jahr 1996 wurden insgesamt 2’300 Manntage der Armee für Katastrophenhilfe aufgewendet. Das sind ganze 0,03 Prozent der 1996 insgesamt geleisteten sieben Millionen Manntage. Der Langjahresdurchschnitt liegt unter einem halben Prozent. Kurz: es geht um Imagepflege der Armee, die damit ausserdem das einheimische Transport- und Baugewerbe konkurrenziert.
Die GSoA verlangt, dass zivile Aufgaben – mit denen sich die Armee zu profilieren sucht – von geeigneten zivilen Behörden übernommen werden.

, ,