Adieu, Maxime!

Er freute sich darauf, zur Einreichung der beiden GSoA-Initiativen nach Bern zu kommen. Doch am 25. August starb Maxime Chalut, Genfer Antimilitarist und GSoA-Aktivist, in seinem 88. Lebensjahr

Es war der 9. November 1932, kurz nach Mittag. Die Infanterie-RS von Lausanne wurde aufgeboten, um in Genf “die Ordnung” wiederherzustellen. Dort seien “schwere Unruhen ausgebrochen”, erklärte Oberst Lederrey der Truppe. Vor der Lastwagenfahrt nach Genf wurde die Kriegsmunition verteilt: “Ab jetzt seid ihr nicht mehr Rekruten, sondern Soldaten im Dienst des Landes” und “bei Schiessbefehl ist es euch untersagt, in die Luft zu schiessen”, fügt Lederrey hinzu. Das ging Rekrut III/I/1932 Maxime Chalut zu weit. Er und drei andere Rekruten weigerten sich, die Munition entgegenzunehmen. Die Befehlsverweigerer wurden “eingelocht”. Am gleichen Abend wurde die Lausanner Truppe zum Schutz einer rechtsnationalistischen Kundgebung gegen antifaschistische Demonstranten eingesetzt. Es kam zum Schussbefehl; die Bilanz waren 13 Tote und 65 Verletzte, alles DemonstrantInnen und PassantInnen.
Für Maxime war es keine Heldentat, einem Obersten “Nein” gesagt zu haben. Die Geste zeugte vielmehr von seinem lebenslangen Engagement für eine friedlichere und gerechtere Welt.

Vom Satus in die Lokalpolitik
Maxime war in einer wenig bemittelten Arbeiterfamilie aufgewachsen. Er bekam schon als kleiner Bub zahlreiche Eindrücke von der Brutalität auf der Welt, als er jeweils seine Mutter zum Bahnhof in Genf begleitete, um Verwundete und Krüppel des ersten Weltkrieges zu empfangen.
Als junger Elektriker-Lehrling trieb Maxime “Arbeitersport” im Genfer Satus. Von dort war der Schritt zum politischen Engagement in der Arbeiterbewegung schnell gemacht. 1931 bis 1940 war er Verantwortlicher der Jungsozialisten von Carouge, von 1942 bis 1979 (!) im Carouger Gemeinderat und 1944 Mitbegründer der PdA. Für die spanische Republik fuhr er einen mit Blutspenden gefüllten Bugatti bis zur Grenze in Port-Bou und nahm spanische Kinder in seine Wohnung auf. In Carouge war er auch während vier Jahren in der Regierung, wo er das Schwimmbad und das Freizeitzentrum bauen liess, “damit auch Arbeiterkinder attraktive Freizeitmöglichkeiten haben”. Ab 1945 sass Maxime drei Jahrzehnte für die PdA im Genfer Grossrat, immer auf der Oppositionsbank.

Enfin en s’occupe de ces cons!
Als die Zeit für eine Bilanz kam, fühlte sich der kommunistische Idealist vom real existierenden Kommunismus betrogen: “Je suis cocu de l’Union Soviétique” sagte er. Der Ernüchterung folgte jedoch nicht die Resignation. Die Kampagne für die Armeeabschaffungsinitiative und die Mitarbeit in der Genfer
GSoA-Gruppe bedeute für Maxime eine politische Neugeburt, obwohl er bereits über Siebzig war: “Enfin on s’occupe de ces cons” (Endlich beschäftigt sich jemand mit diesen Verrückten) stellte er mit Freude fest. Lebensfreude bezog Maxime aus seiner grossartigen Fähigkeit, immer wieder etwas zu bewundern: “C’est quand-même extraordinaire” schwärmte er von orthodoxer Vokalmusik, die er fast heimlich in einer russischen Kirche auf dem Land gehört hatte, von der Austern-Zucht in der Bretagne oder vom Funktionieren einer Dampf-Lokomotive. Wir von der GSoA freuten uns, ihn und seine Mitstreiterin und Ehefrau Claire jedesmal noch mit uns haben zu dürfen, an GSoA-Kundgebungen oder Versammlungen. Maxime wird uns fehlen.