Corpus delicti

Ein (Kriminal-)Fall für die GSoA

Einige LeserInnen dieser Zeitung waren schon damit unterwegs, andere kennen es nur vom Hörensagen: das GSoA-Sammelwägeli (siehe Bild). Das GSoA-Sammelwägeli ist ein höchst nützliches Instrument zum Sammeln von Unterschriften auf öffentlichem Grund. Es ist weniger als ein Stand, aber mehr als ein blosser Sammel-Ordner. Es lässt sich per Auto oder per Tram transportieren. Und vor allem ist es ein Sympathieträger. Es sieht schmuck aus, ist praktisch und weckt ein Schmunzeln. Es ist die harmonische Verbindung des Nützlichen (Einkaufswagen eines Einkaufszentrums nach Wahl) mit dem Angenehmen (Propaganda für die GSoA- oder Uno-Initiativen). Problemlos können Sammel-Unterlagen, Kugelschreiber, ein kühles Bier (im Sommer), ein zusätzliches Halstuch (im Winter) darin untergebracht werden. Auf dem draufgelegten Deckel können des Schreibens kundige PassantInnen unsere Volksbegehren bequem unterzeichnen. Und dank des beim Schiebegriff eingesteckten Schildes ist der Zweck des Sammelwägeli weitherum erkennbar. Auch für Polizisten.

Züri Hünd sind Fründ

Dem Ordnungshüter ist das unschuldige Sammelwägeli ein Dorn im Auge. Rein formal ist nämlich nicht klar, ob so ein Wägeli als Unterschriftensammelstand zu gelten hat und folglich bewilligungspflichtig ist – oder eben nicht. Im Sammel-Sommer 99 wurden in Zürich öfters GSoAtInnen von der Polizei kontrolliert, wenn sie mit dem Wägeli unterwegs waren. Die fleissigeren Sammler gaben ihre Personalien nur noch mit einem müden Lächeln an und liessen sich auch durch abfällige Kommentare der Polizisten über die Initiativen nicht zur Beamtenbeleidigung hinreissen. Das Ritual schien gut eingespielt, bis am Tag der “Street-Parade” sechs Polizisten, wahrscheinlich durch übermässigen Kontakt mit Ecstasy zu Hochform aufgelaufen, die drei SammlerInnen nicht nur kontrollierten, sondern gar mit Verzeigung und Busse bedrohten. Auch nach dieser polizeilichen Provokation reagierten wir mit Deeskalationsstrategien, indem wir die Polizeivorsteherin milde zur Respektierung demokratischer Aktivitäten ermahnten und die Geschichte einer Zürcher Tageszeitung erzählten (siehe Tages-Anzeiger vom 11.8.99). Das war im August.

Si vis bellum para Wägeli

Im November ereilte uns eine formalistische Antwort der Polizeivorsteherin: “Gemäss Auskunft der Sicherheitspolizei operieren die SammlerInnen zum Teil gemeinsam von den zumeist mit Dachlatten und Plakaten versehenen Wagen aus… Die Verwendung eines Wagens im beschriebenen Sinn kommt faktisch einem Stand gleich.” Ok, wir hätten auch das verziehen, wenn die drei SammlerInnen nicht im Januar je eine Busse, Schreib- und Spruchgebühr zu total je Fr.175.- erhalten hätten. Das war denn doch zuviel. Wir sind ja PazifistInnen und halten üblicherweise gern die andere Backe hin, aber so viele Backen hatten wir nicht. Unerschrocken sprangen die drei Gebüssten in die Mühlen des Gesetzes und erhoben Einsprache – sekundiert von einem Anwalt. Nun kommt die Sache also vors Gericht. Es wird entscheiden müssen, ob Unterschriftensammeln eine im Grunde gesellschaftlich unerwünschte Aktivität ist (wie beispielsweise das Versäubern von Hunden auf Trottoirs) und deshalb möglichst eingeschränkt werden muss. Oder ob nicht gerade eine sozialdemokratische Polizeivorsteherin den Spielraum für direktdemokratische Betätigungen ausweiten könnte. Da dies eine Frage von öffentlichem Interesse ist, hat bereits das Fernsehen sein Interesse an der Verhandlung angemeldet. Fortsetzung folgt. Wir bleiben drin.

Spenden für den Prozessfall GSoA vs. Paragraphenreiter sind erbeten auf PC 80-64741-4, GSoA-Regionalgruppe Zürich.