Ultima ratio in Davos

Neben einem massiven Polizeiaufgebot schauten während des World Economic Forum (WEF) auch 70 Soldaten der Schweizer Armee zum Rechten. Auszüge aus der Stellung-nahme der GSoA

Die 70 Festungswächter, die Infrastruktur-Anlagen bewachen, sind Teil eines enormen Sicherheitsdispositivs, das für den Schutz der 300 Spitzenpolitiker und 1200 Wirtschaftsführer sorgen soll. Gründe für den Einsatz der Soldaten sind einerseits finanzielle Überlegungen der Gemeinde Davos, andererseits Legitimationsinteressen einer arbeitslosen Armee, die neben dem Export von «Friedenssoldaten» ein weiteres Betätigungsfeld bearbeitet.

Demokratie ist gut …

Der Einsatz ist von grösserer Tragweite, denn er ist symbolischer Ausdruck einer systematischen Aufweichung rechtsstaatlicher Gebundenheit von staatlichen Instrumenten. Die Armee übernimmt in Davos nicht nur einfach Polizeiaufgaben, sie umgeht damit die Trennung zwischen rechtsstaatlicher Gewalt, für die die Polizei zuständig ist, und militärischer Gewalt, die beim Zusammenbruch des Rechtsstaates zum Tragen kommt. Sie macht mit, was auf internationaler Ebene bereits geschieht: Die Armee wird zum beliebigen Mittel für Einflussstrategien und unterliegt der Gefahr, instrumentalisiert zu werden. Beispiel für diese Aufweichung ist das Aufgebotsverfahren der Soldaten selber: Anstatt, wie eigentlich erforderlich, vom Gesamtbundesrat zum Einsatz zugewiesen zu werden, wurden die Festungswächter nur vom sicherheitspolitischen Ausschuss (bestehend aus Metzler, Ogi und Deiss) aufgeboten – mit der Begründung, bei den Soldaten handle es sich um Bundesbeamte.

… Kontrolle ist besser

Der militärische Internationalismus ist zwangsläufig eine Begleiterscheinung des Konzeptes eines globalen Neoliberalismus, einer Wirtschaftsform, deren wichtigste Vertreter sich in Davos treffen werden. Wichtigstes Schlagwort des Neoliberalismus ist die Effizienz. Die Suche nach Ursachen und Zusammenhängen von Konflikten widerspricht dieser Maxime – dafür wird ein so genanntes Konfliktmanagement eingerichtet. Vor diesem Hintergrund, vor zerstörten gesellschaftlichen Institutionen, vor aufgelösten politischen Räumen, soll nun den globalen Problemen wie sozialen Ungerechtigkeiten, Migration und Konflikten begegnet werden. Militärische Kontrolle wird dabei tatsächlich zur ultima ratio, einfach aus dem Grund, weil der internationalen Staatengemeinschaft die geeigneten Instrumente fehlen, Probleme an ihren Ursachen anzugehen. Einzelstaaten und politische Organisationen werden so, freiwillig oder nicht, veranlasst, diejenigen Systeme zu schützen, die die sozialen Probleme verursachen. Wirtschaftlich ungerechte Strukturen sind auf repressive Begleitmassnahmen angewiesen. Auch unter diesem Aspekt betrachtet ist der Einsatz der Armee in Davos von einiger Symbolik.

Die GSoA fordert den Einbezug von unabhängigen Nichtregierungs-Organisationen ins World Economic Forum. Themen wie Schuldenerlass gegenüber Drittweltstaaten und demokratische Kontrolle von internationalen Institutionen gehörten ebenso in das Programm eines WEF wie die Diskussion um fairen Handel. Ein Forum, das in einem Land mit vielgerühmter demokratischer Tradition stattfindet, darf sich der Kritik nicht entziehen.