Umkehr gefordert

Grundsätzlich halte ich die Zusammenarbeit und Mitwirkung der Schweiz in internationalen Institutionen wie Uno und Osze für überfällig. Ich lehne es aber vehement ab, dass das VBS über die Gesetzesvorlage für den bewaffneten Auslandeinsatz von Schweizer Soldaten die Armee neu zu legitimieren versucht und dass die Annäherung an die inter-nationale Staatengemeinschaft ausgerechnet über militärische Kooperation (Nato lässt grüssen) vorangetrieben wird. Dahinter steckt das Grundproblem, dass «Friedensförderung» in der Schweiz bis heute im VBS angesiedelt ist und damit von der militärischen Logik der «Sicherheit» mit ihren Machtstrategien beherrscht wird.

Nur so lässt sich auch das skandalöse Ungleichgewicht an Ressourcen (Menschen und Finanzen) erklären, das für militärische Sicherheit auf Kosten der Friedensförderung verschleudert wird.

Was Not tut, ist eine Umkehr der Prioritäten zugunsten der konstruktiven und präventiven Friedensförderung. Gerade die Schweiz hätte die Chance, mit ihrer Erfahrung in humanitären und Guten Diensten und ihrem Vertrauensvorschuss als neutrales Land eine Vorreiterrolle in ziviler Friedensförderung zu übernehmen. Im Sinne der Gewaltprävention und gewaltfreien Konfliktbearbeitung durch internationale Präsenz und Vermittlung wäre eine breite Palette von Friedensbeiträgen denkbar, wobei ein sinnvolles Zusammenwirken von Regierung und Nichtregierungsorganisationen, von offiziellen und inoffiziellen Initiativen angestrebt werden müsste. Einige Vorschläge:

  • Ermutigung und Förderung von Friedenskräften in Konfliktgebieten
  • Unterstützung und Vernetzung lokaler Friedensinitiativen, z.B. durch internationale Kontakte und Einladungen
  • Ausbildung von lokalen MultiplikatorInnen und Führungskräften in gewaltfreier Konfliktlösung (vgl. Trainingsmodelle des Internationalen Versöhnungsbundes (IFOR))
  • Internationale Schutzpräsenz für bedrohte ExponentInnen von oppositionellen oder Menschenrechtsgruppierungen, siehe das Beispiel der Peace Brigades International
  • Dialogmöglichkeiten schaffen durch Einrichten von lokalen, regionalen und nationalen Runden Tischen mit überparteilicher internationaler Präsenz
  • Sprachrohr sein für die Anliegen von Minderheiten, um bei Spannungen frühzeitig die Weltöffentlichkeit benachrichtigen zu können
  • Ausarbeitung und Anwendung eines differenzierten Konzepts von wirtschaftlichem Druck und Sanktionen
  • Vermittlung und Verhandlungen (auch auf informeller Ebene; vgl. die Nahost-Friedensschlüsse in Oslo oder die Beispiele Stiller-Bürger-Diplomatie durch jahrelange private Friedensmissionen der Quäker oder der Gemeinschaft San Egidio)

Diese kleine Auswahl kann einen Eindruck davon vermitteln, was echte Friedenspolitik für das Ziel, in Konfliktgebieten einen langfristigen, grundlegenden Friedens- und Verständigungsprozess zu fördern, leisten könnte: einen Friedensprozess, der durch den Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft und durch demokratische Kontrolle Machtmissbrauch und Unterdrückung verhindert. Im Zeichen der Uno-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit (2001-2010) ist eine massive Umverteilung der Mittel in Richtung einer wirksamen Friedensförderung, die ihren Namen verdient, ein Gebot der Stunde!