Und nun ein Referendum?

Mit bewaffneten Auslandeinsätzen versucht Ogi, der Armee neue Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die GSoA hat den friedenspolitischen Widerstand dagegen initiiert. Der Entscheid über ein Referendum wird im kommenden Juni gefällt.

Für die Schweizer Armee ist die Militärgesetzrevision existenziell, für friedenspolitische und linke Kräfte eine entscheidende Weichenstellung. Es geht um zwei zentrale Fragen: -Welche Perspektive für den Umgang mit den weltweit zunehmenden Konflikten haben wir?- und -Welche Öffnung der Schweiz wollen wir?-.

Die Schweiz muss -auf der Baustelle der Friedensförderung präsent sein-, rührte Adolf Ogi an der Bilanz-Medienkonferenz des VBS im Dezember 1999 einmal mehr die Werbetrommel für die Militärgesetzvorlage. Was Ogi in den Köpfen der BürgerInnen festzusetzen versucht: Die Schweizer Armee soll das -solidarische- Instrument sein, um auf die weltweiten Konflikte zu reagieren, und der bewaffnete Beitrag der Schweizer Armee zu einer internationalen Sicherheitspolitik soll einen Ausstieg aus dem helvetischen Isolationismus bieten. Ogi verspricht europäischen Anschluss, die Auns ist gegen die Militärgesetzrevision und schon tanzt der politische Kompass einiger Linker Ringel-Ringel-Reihe. Gefragt ist aber Reflexion, nicht Reflex. Mit Solidarität hat die Militärgesetzrevision nichts zu tun. Im Gegenteil, bewaffnete Interventionen beseitigen nicht die Ursachen von Konflikten. Deren Ziel ist vielmehr, die Auswirkungen von Konflikten von der Schweiz fernzuhalten. Und die vorgeschlagene Gesetzesrevision würde die Schweiz weniger politisch öffnen als ihre Aussenpolitik militarisieren. Mit ihrer beharrlichen Kritik hat die GSoA anfänglich noch Kopfschütteln ausgelöst, unterdessen aber schon einiges erreicht.

Breite Kritik vor einem Jahr

Im Januar 1999 hat der Bundesrat den ersten Entwurf für die Revision des Militärgesetzes vorgelegt. Was Ogi öffentlich als Neuauflage der Blauhelm-Vorlage darzustellen versuchte, war inhaltlich eine umfassende Vollmacht für den militärischen Ernstfall im Ausland. Auf Anregung der GSoA erarbeitete ein breites Komitee eine gemeinsame Plattform -Gegen Blankochecks für bewaffnete Auslandeinsätze – Für eine solidarische Friedenspolitik-. Kritisiert wurde, dass die Vorlage auf die Anbindung an ein Uno/Osze-Mandat verzichte, die Bewaffnung weit über den Selbstschutz hinausgehe und die Zustimmung der Konfliktparteien für friedenserhaltende Massnahmen nicht mehr enthalten sei. Die Vorlage – so die damalige Kritik – möge den Legitimationsinteressen der Armee Rechnung tragen, sei aber in kein friedens- und sicherheitspolitisches Konzept eingebettet und schwimme im Kielwasser der Nato-Politik. Die Plattform wurde von über zwanzig friedenspolitischen und linken Organisationen mitgetragen; der christliche Friedensdienst, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Grüne Fraktion des Nationalrates, die Asylkoordination Schweiz und zahlreiche mehr unterstützten die Kritik am bundesrätlichen Vorschlag. Sicherheitspolitische ExpertInnen der SPS hatten zwar am Plattformtext intensiv mitgearbeitet, und Nationalrätin Barbara Haering sprach an der Medienkonferenz – die SPS fällte aber keinen Entscheid darüber, ob sie die Kritik mitträgt.

Friedenspolitische Referendumsdrohung und der Anti-Blocher-Reflex

Im Oktober 1999 legte der Bundesrat den überarbeiteten Vorschlag für die Militärgesetzrevision vor. Ogi verkündete: Man sei den friedenspolitischen Kräften entgegengekommen, indem bewaffnete Einsätze an ein Mandat der Uno/Osze geknüpft seien. Wer sich Zeit nimmt, den Gesetzestext durchzulesen, stellt fest: falsch! Bewaffnete Einsätze sollen auch ohne Mandat möglich sein, wenn das Einverständnis der betroffenen Staaten vorliegt (vgl. Gesetzestext S. 3). Richtig ist vielmehr, dass auch der zweite bundesrätliche Entwurf keinem einzigen der Kritikpunkte Rechnung trägt, welche die GSoA gemeinsam mit friedenspolitischen Organisationen ein halbes Jahr zuvor formuliert hatte. Daher beschloss die GSoA an ihrer Vollversammlung im November 1999, ein friedenspolitisches Referendum vorzubereiten, falls keine wesentliche Nachbesserung der Vorlage erfolgt. In den Medien, aus dem Zentralsekretariat der SPS und auch von friedensbewegten Kreisen gab es für diesen Beschluss heftige Schelte. Viele hatten auf Ogis Beteuerung, es gehe doch bloss um eine Neuauflage der Blauhelm-Vorlage, gehört und den Gesetzesentwurf offensichtlich nicht gelesen. Bei anderen reichte schon die Referendumsdrohung der Auns, um die VBS-Vorlage zu unterstützen.

Die Arbeitsgruppe der Bundesratsparteien

Ein Referendum sowohl von friedenspolitischer wie auch von nationalkonservativer Seite gefährdet die Vorlage des VBS. Das sahen auch Sicherheitspolitiker der FDP und der CVP ein und setzen sich mit der SPS zusammen. Das Referendum von rechts abzuwenden ist ohnehin aussichtslos. Um ein friedenspolitisches Referendum zu verhindern, brauchte es wesentliche Korrekturen am Gesetzestext. Fast buchstabengetreu nahm die Arbeitsgruppe deshalb die Forderungen der GSoA auf: Ein Uno/Osze-Mandat ist zwingend, nur friedenserhaltende Einsätze (keine Kampfeinsätze) sind möglich und die Bewaffnung soll auf den Selbstschutz beschränkt sein. Als der Tagesanzeiger die Absprache zwischen SPS, FDP und CVP öffentlich machte, setzte es wieder Schelte. Der Militärredaktor der NZZ, Bruno Lezzi, gab den bürgerlichen Mitgliedern der Arbeitsgruppe die Postordnung durch. – Weshalb bewaffnen wir uns? Sicher auch, aber nicht nur zum Selbstschutz -, stellte er klar. Auch dürfe sich die Schweiz keinesfalls auf Friedenserhaltung beschränken. Lezzis Aufruf war wirkungsvoll. Die bürgerlichen Parteien nahmen sofort von den in der CVP/FDP/SPS-Arbeitsgruppe erarbeiteten Anträgen Abstand. Die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates leitete das Gesetz unverändert an das Parlament weiter.

Bisher hatten sowohl Ogi wie auch die bürgerlichen Sicherheitspolitiker versucht glaubhaft zu machen, es gehe nur um Bewaffnung zum Selbstschutz, nur um Friedenserhaltung und ein Mandat der Uno/Osze sei zwingend. Das stehe zwar nicht im Gesetzesentwurf, so sei das Gesetz aber zu interpretieren. Als es nun darum ging, im Gesetz das festzulegen, was Ogi mit dem Militärgesetz zu wollen vorgab, wurde endlich Klartext gesprochen: Es geht um mehr. Ogi wehrte sich in der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates erfolgreich gegen einen Antrag, der offensive Gewaltanwendung zur Durchsetzung des Auftrages sowie die Teilnahme an friedenserzwingenden Aktionen ausschliessen wollte. Eine Armee ohne Feind braucht Einsatzmöglichkeiten ohne Grenzen. Das ist die Logik dieses Gesetzes.

Und jetzt ein Referendum?

Unsere grundsätzliche Kritik an der Militärgesetzrevision (vgl. diese Suppe …) bleibt unabhängig vom Schicksal der Änderungsanträge der FDP/CVP/SPS-Arbeitsgruppe bestehen. Dennoch: Kommen die drei eng miteinander verknüpften Änderungsanträge der Arbeitsgruppe durch, dann wird ein Referendum unwahrscheinlicher. Denn bei Annahme der Anträge wären der Armee im wesentlichen die gleichen Einsätze gestattet wie aufgrund des aktuellen Gesetzes. Bereits heute sind friedenserhaltende Einsätze und die Bewaffnung einzelner Personen zum Selbstschutz zulässig. Da stellt sich dann wirklich die Frage – selbst wenn man mit dem Status Quo auch nicht einverstanden ist – was ein Referendum noch bringt.

Sehr wahrscheinlich hingegen ist ein friedenspolitisches Referendum, falls die Gesetzesvorlage nicht nachgebessert wird. Bereits im März ist die Militärgesetzrevision im Nationalrat traktandiert, im Juni wird der Ständerat entscheiden. In der GSoA laufen die inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitungen für einen erneuten Sammelsommer weiter. Den konkreten Referendumsentscheid wird – wie an der letzten GSoA-Vollversammlung beschlossen – eine ausserordentliche Vollversammlung (voraussichtlich am 25. Juni) fällen.