Bausatz für Militärinterventionen

Das neue Militärgesetz kommt, kommt nicht, kommt… Noch ist nicht entschieden, ob und wann wir ein friedenspolitisches Referendum gegen die geplanten bewaffneten Auslandeinsätze ergreifen. Vielleicht wird sich die Frage des Referendums erst im Herbst stellen.

Ein Referendum gegen das geplante neue Militärgesetz? Das bedeutet: schon wieder Unterschriften sammeln, schlimmstenfalls sogar über die kalten Wintermonate. Darauf ist in der GSoA nach unseren beiden hart erarbeiteten Initiativen niemand scharf. Zudem gibt es in der friedenspolitischen Linken auch skeptische Stimmen gegen die Idee eines Referendums. Der Friedensrat etwa argumentiert, es gebe andere Prioritäten: Die Uno-Initiative, die Um- verteilungsinitiative, die beiden GSoA- Initiativen und vieles mehr. Warum eigentlich ist uns dieses Militärgesetz so wichtig?

Sicherheitspolitische Gretchenfrage

Die Schweizer Sicherheitspolitik – und mit ihr ein wichtiger Teil unserer Aussenpolitik – wird zur Zeit neu bestimmt. Am bewaffneten Alleingang halten heute nur noch Blocher und seine rechtskonservativen Anhänger fest. Aus ideologischen Gründen klammern sie sich an den Igel-Mythos des Kalten Krieges. Sicherheitspolitische Argumente dafür haben sie schon lange nicht mehr. Ihre Haltung wird darum täglich unglaubwürdiger. Demgegenüber propagieren Armee und VBS einen neuen Mythos. Chef-Ideologe Adolf Ogi erzählt das neue Märchen bei jeder Gelegenheit: Mit einer Beteiligung an humanitären Kriegen könne die Schweiz Solidarität demonstrieren und Menschenrechte schützen. Dieser neue Mythos ist gefährlich: Er konkurrenziert Ansätze ziviler Friedensförderung, er drückt die Schweizer Aussenpolitik in eine bedenkliche Richtung, und er wird uns viel Geld kosten.

Die Revision des Militärgesetzes ist das Transportmittel, mit dem die Armee auf ihre bewaffneten Auslandeinsätze abfahren kann. Die Vorlage bildet damit zur Zeit die strategische Achse, entlang der die Schweizer Sicherheitspolitik neu ausgerichtet wird. Wir mögen dies beklagen und unsere friedenspolitischen Alternativen preisen, so lange wir wollen: Die für die Zukunft der Schweizer Armee zentrale Diskussion wird im Kontext dieser Gesetzesrevision geführt – ob mit uns oder ohne uns (sogar die Debatte um die Armee XXI macht nur vor diesem Hintergrund Sinn). Für die GSoA ist klar: Wir wollen uns in diese Diskussion einmischen und den beiden falschen, von Ogi und Blocher vertretenen Optionen eine realpolitische Alternative entgegenstellen. Wir fordern <Solidarität statt Soldaten>, das heisst: einen substantiellen Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung statt der grenzenlosen Ausweitung bewaffneter Auslandeinsätze oder der bewaffneten Isolation.

Diese Perspektive können wir nur glaubwürdig vertreten, wenn wir die militaristische Mythenbildung bekämpfen, die uns Krieg als Frieden verkaufen will. Diesen Zusammenhang sieht sogar Bundesrat Ogi. In einem Interview mit der <Weltwoche> vom 18. Mai sagte er: <Wenn das Schweizer Volk die Bewaffnung für Einsätze im Ausland ablehnt, werden wir uns neu orientieren müssen und vermutlich zivile Kräfte zur Friedensförderung einsetzen.> Ein besseres Argument für ein friedenspolitisches Referendum gibt es wohl kaum.

Kritik und Bedingungen

Die GSoA und andere friedenspolitische Organisationen haben ihre inhaltliche Kritik an der geplanten Revision des Militärgesetzes seit Anfang 1999 im Vorfeld und im Verlauf der Parlamentsdebatte immer wieder klargemacht. Wir kritisieren die immer stärker um sich greifende Ideologie des humanitären Militär-Interventionismus. Wir lehnen die Vorstellung ab, die reichen und mächtigen Staaten des Nordens könnten den globalen Frieden und die Menschenrechte am besten und in letzter In- stanz mit militärischen Mitteln sichern. Demgegenüber fordern wir mehr Investitionen in ursachenorientierte, präventive und gewaltvermindernde Konfliktpolitik.

Über diese grundsätzlichen Einwände hinaus haben wir an der GSoA-Vollversammlung vom vergangenen November drei Minimalbedingungen formuliert, unter denen wir auf ein friedenspolitisches Referendum gegen die Militärgesetzrevision verzichten würden. Die Bedingungen an bewaffnete Schweizer Einsätze im Ausland lauten:

1. Die Einsätze müssen im Rahmen eines Mandats der Uno oder Osze stattfinden.

2. Die Schweiz beschränkt ihre Beteiligung auf friedenserhaltende Operationen.

3. Die mitgeführte Bewaffnung dient nur dem Selbstschutz (im Sinne des Uno-Peacekeepings).

Würden diese drei Minimalbedingungen berücksichtigt, entspräche die geplante Gesetzesrevision in etwa der Uno-Blauhelmvorlage von 1994.

Der Sinn dieser Bedingungen ist einfach: Die Schweiz darf die weltweit ablaufende Militarisierung der Friedenspolitik hin zum bewaffneten <Friedensinterventionismus> nicht unterstützen. Diese Politik läuft weg von der Uno hin zur Nato beziehungsweise zu einer EU-Interventionsarmee; weg vom quasi-polizeilichen Peacekeeping als Element einer internationalen Friedenspolitik hin zum repressiven Interventionismus als ultima ratio eines neoliberalen Konfliktmanagements; weg von der internationalen Rechtsidee hin zu machtpolitisch motivierter, bündnisorientierter Interessenpolitik. Und all dies wollen wir nicht. Die drei Bedingungen können verhindern, dass die Schweizer Armee systematisch zur politischen Legitimation des neuen Nato-Interventionismus eingesetzt wird. Damit sind sie die minimalste Anforderung, um einem bewaffneten Engagement der Schweiz klare Grenzen setzen und auf ein friedenspolitisches Referendum zu verzichten.

Minimalbedingungen nicht erfüllt

Der Nationalrat hat im März alle drei geforderten Minimalbedingungen verworfen. Die sicherheitspolitische Kommission des Ständerates hat nun im April immerhin gefordert, das obligatorische Uno/Osze-Mandat im Gesetz festzuschreiben. Doch ohne klaren und gesetzlich festgeschriebenen Verzicht auf eine Beteiligung an friedenserzwingenden Missionen und die Beschränkung der Bewaffnung auf den Selbstschutz sind die friedenspolitischen Minimalbedingungen nicht erfüllt. Ein Verbot der aktiven <Teilnahme an Kampfhandlungen zur Friedenserzwingung> (wie es der Nationalrat in die Vorlage hineinschrieb) ist eben nicht das Gleiche wie das von uns geforderte Verbot der Beteiligung an Operationen, deren Mandat auch Friedenserzwingung zulässt. Die logistische Unterstützung im Rahmen friedenserzwingender Missionen wäre damit erlaubt. Mit dem Vorschlag der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates wäre nur gerade eine der drei inhaltlich verknüpften Minimalbedingungen erfüllt. Die Schweiz hätte unter diesem Gesetz beispiels- weise mit Aufklärungseinheiten am zweiten Golfkrieg (Desert Storm) teil- nehmen können.

Aktionsradius weltweit

Immer wieder bemüht sich Verteidigungsminister Ogi zu beweisen, dass sich die Schweiz in keiner Weise an Nato-geführten Einsätzen zur Friedenserzwingung beteiligen wolle. Die Realität ist jedoch, dass die Schweizer Luftwaffe diesen Mai über Frankreich das Auftanken von F/A-18-Flugzeugen in der Luft übte. Ein F/A-18 C/D führt beim Start bis zu 6000 Liter Sprit im Flugzeug mit. Dank Zusatz-Treibstofftanks, über welche die Schweizer Armee ebenfalls verfügt, beträgt der Einsatzradius dieser Kampfmaschinen heute schon mehr als 2000 Kilometer. Nordafrika liegt damit bereits locker in Reichweite. Weshalb übt die Schweizer Luftwaffe Luft-Luft-Betankungen, welche den Einsatzradius vervielfachen? Friedenserhaltende Einsätze mit Bewaffnung zum Selbstschutz sind offensichtlich nicht die Übungsanlage. Das Szenario ist offensichtlich: Die Schweizer Armee übt grossräumige militärische Einsatzfähigkeit für Kampfeinsätze im internationalen Verbund. Bundesrat Ogi kann lange das Gegenteil behaupten, um die friedenspolitische Linke zu besänftigen. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

Das bedeutet nicht, dass die Schweiz bald der Nato beitreten wird. Im Gegenteil: Um unabhängig von einem völkerrechtlichen Mandat durch Uno oder Osze eine eigenständige Handlungsfähigkeit zu erreichen bzw. diese zu legitimieren, ist die Nato auf die Einbindung von Nicht-Mitgliedstaaten angewiesen: Nato- und Nicht-Natostaaten – <the able and the willing> – handeln gemeinsam im Interesse der westlichen Staatengemeinschaft… Ein formaler Nato-Beitritt der Schweiz würde keinem der <Partner> Vorteile bringen, zumal die konkrete militärpolitische Zusam-menarbeit und die Vorbereitung auf gemeinsame militärische Interventionen elegant im Rahmen des Programms <Partnership for Peace> organisiert werden können.

Unklare Termine

Die Debatte über die Revision des Militärgesetzes ist im Ständerat auf den 21. Juni traktandiert. Wenn der Ständerat den vorliegenden Gesetzestext anders beurteilt als in der letzten Session der Nationalrat, entsteht eine Differenz. Die Bereinigung dieser Differenz wird erst in der Herbstsession möglich sein. Damit käme die Gesetzesvorlage erst im Oktober zur Schlussabstimmung. Falls hingegen – wider Erwarten – keine Differenzen entstehen, wäre eine Schlussabstimmung schon am 23. Juni möglich. Damit ist noch offen, ob die Referendumsfrist ab dem 4. Juli läuft, oder – nach der Differenzbereinigung in der Herbst-Session – ab dem 17. Oktober. Dies wird erst am 23. Juni (nach Erscheinen unserer Zeitung) endgültig feststehen. Ob im Juli oder im Oktober, wir wollen für ein Referendum bereit sein. Daher bereiten wir weiterhin unsere Kampagne vor, falls wir schon im Sommer sammeln müssen. Eine für alle interessierten Kreise offene GSoA-Vollversammlung am 25. Juni in Bern wird Zwischenbilanz ziehen und über das weitere Vorgehen beraten. Kommt alle an die Vollversammlung!

So geht es weiter:

Falls das Parlament die Militärgesetzrevision erst in der Herbstsession behandelt (Differenzbereinigung), ergibt sich folgender Fahrplan:

Freitag, 6. Oktober: Schlussabstimmung Militärgesetz im Parlament

Sonntag, 8. Oktober: Ausserordentliche GSoA-Vollversammlung. Entscheid über die Lancierung eines friedens- politischen Referendums. Bitte Datum schon in die Agenda schreiben

Dienstag, 17. Oktober: Beginn Referendumsfrist

Mittwoch, 24. Januar: Ablauf Referendumsfrist

Falls das Parlament wider Erwarten das Gesetz schon im Juni verabschiedet, würde die Referendumsfrist vom 4. Juli bis am 11. Oktober laufen.

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