Feindlos unglücklich

Der Entwurf des Armeeleitbildes XXI liegt auf dem Tisch. Die Russen taugen endgültig nicht mehr als böser Feind. Neue Bedrohungen wie Migrationsbewegungen oder die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen müssen her. Und weil diese für eine Armee von 200’000 Mann zu wenig Arbeit liefern, kommt der Einsatz im Innern und die Schnüffelarmee wieder in Mode

In einem Punkt geht die GSoA mit dem Bundesrat einig: Die Sicherheitspolitik der Schweiz ist reformbedürftig und der militärpolitische Status Quo unhaltbar. Die Ausrichtung der vorgeschlagenen Armeereform lehnt die GSoA in ihrer Vernehmlassungsantwort hingegen ebenso entschieden ab. Mit dieser Reform räumt der Bundesrat einer überdimensionierten und kostspieligen Armee, die ihren militärischen Feind verloren hat, eine zentrale Stellung in der Sicherheitspolitik ein. Die GSoA verlangt demgegenüber eine neue Sicherheitspolitik, welche die Chancen der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen nach 1989 nutzt und gegen innen und aussen konsequent auf zivile Lösungen setzt. Denn eine glaubwürdige Sicherheitspolitik muss sich am Bedarf der Welt nach intelligenten Formen der Konfliktpolitik orientieren und nicht am Bedarf der Schweizer Armee nach neuen Aufgaben. Mit der Abschaffung der Armee und einem massiven Ausbau des Schweizerischen Engagements zur zivilen Konfliktbearbeitung im Ausland könnte die Schweiz einen wichtigen Beitrag auf internationaler Ebene zu einer zivileren Konfliktpolitik leisten.

Richtige Analyse, falsche Antwort
Im Armeeleitbild macht der Bundesrat zwar die richtige Analyse, dass eine «militärische Bedrohung in Europa massiv verringert» und «auf absehbare Zeit wenig wahrscheinlich» sei. Die neuen Bedrohungen und Risiken, die das Leitbild stattdessen aufzählt, können mit militärischen Mitteln nicht bearbeitet werden («Migrationsbewegungen», «Störung des Wirtschaftsverkehrs», «gewalttätiger Extremismus», «Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen», «natur- und zivilisationsbedingte Katastrophen»). Sie verlangen nach zivilen und allenfalls zivil-polizeilichen Mitteln. Anstatt jedoch die logische Konsequenz zu ziehen und den Stellenwert der Armee zu reduzieren, schlägt das Leitbild eine Ausweitung des Armeeauftrages vor.

Nein zur Militarisierung der Aussenpolitik
Im neuen Armeeleitbild verwendet der Bundesrat im Hinblick auf die Auslandeinsätze der Armee konsequent den Begriff der «Friedensunterstützung», der «friedenserzwingende» Einsätze einschliesst und sieht dafür einen Verband in Bataillonsstärke mit Infanterie-, Aufklärungs- und Militärpolizeielementen vor. Bewaffnete Einsätze sollen zudem künftig bei sogenannt «humanitären Hilfeleistungen» auch ohne Uno- oder OSZE-Mandat unter dem Titel «Assistenzdienst im Ausland» möglich sein. Beides widerspricht den vom Bundesrat im Rahmen der Abstimmungsdiskussion um die vorgezogene Teilrevision des Militärgesetzes gemachten Festlegungen, die Beteiligung an friedenserzwingenden Einsätzen sei nicht geplant, man wolle sich lediglich an von der Uno und der OSZE bewilligten Einsätzen zum Selbstschutz bewaffnen können. Die GSoA lehnt diese massive Ausweitung der «militärischen Auslandeinsätze» entschieden ab und fordert stattdessen einen Ausbau der zivilen Hilfe der Schweiz und die Schaffung eines freiwilligen Zivilen Friedensdienstes (ZFD).

Nein zu einer Profiarmee für den inneren Einsatz und für Auslandabenteuer
Unter dem Titel «Subsidiäre Sicherungseinsätze» plant die Armee den Aus- und Aufbau einer bundesweiten Militärpolizei mit einem starken professionellen Kern, die innert Tagen im In- und Ausland eingesetzt werden kann. Im aktuellen Rüstungsprogramm sind bereits acht elektronische Überwachungssysteme für Objektschutz vorgesehen (das nächste WEF lässt grüssen!). Die Armee geht offensichtlich von vermehrten polizeilichen Einsätzen aus. Die GSoA lehnt dies entschieden ab. Polizeiliche Aufgaben sind durch die zivile Polizei wahrzunehmen und nicht durch die Armee.

Nein zu einer Schnüffelarmee
Ihre Spielwiese will die Armee auch im Bereich des Nachrichtendienstes vergrössern. Die Armee kann bereits heute praktisch ohne jegliche Einschränkung Informationen erfassen, auswerten und soll diese zukünftig auch an die zivilen Strafverfolgungsbehörden weiterleiten dürfen. Würde das Militärgesetz in der vorgeschlagenen Form geändert, würden sämtliche bisherigen gesetzlichen Bedingungen für die Abhörung des Telefon- und Datenverkehrs hinfällig. Für die Anordnung einer Abhörung bedarf es heute den Zusammenhang mit einem Strafverfahren sowie einer richterlichen Genehmigung. Telefon- und Datenüberwachungen im präventiv-polizeilichen Bereich sind für zivile Behörden bisher unzulässig. Wenn nun das Militärgesetz die Weitergabe von Informationen der elektronischen Aufklärung an die Strafverfolgungsbehörde vorsieht, werden die bisher vorgesehenen gesetzlichen Kriterien umgangen.

Keine Intensivierung der Militärdienstpflicht
Gemäss dem Konzept der Armee XXI soll die Aushebung zukünftig drei Tage, die Rekrutenschule 24 Wochen dauern und jährlich drei Wochen Wiederholungskurs stattfinden. Zwischen 18 und 26 Jahren müssten die jungen Männer 300 Tage in der Armee verbringen. Diese deutliche Intensivierung der Dienstpflicht bedeutet nichts anderes als eine Abwälzung der volkswirtschaftlichen Kosten von den Unternehmen auf die jungen Männer. Die gesamten Ausbildungsdienste würden für viele in den Zeitraum ihrer Ausbildung fallen, die Wirtschaft könnte bei den Lohnfortzahlungen sparen. Die Dienstzeit würde hingegen gemäss dem Vorschlag der Armee XXI nicht verkürzt.

Nüchterne Betrachtung gefragt
Geboten wäre eine nüchterne Einschätzung der Sachlage: Die Landesverteidigung ist endgültig absurd geworden. Diese Tatsache kann auch das Werben des Verteidigungsministers Schmid bei den nationalkonservativen Armeefreunden seiner Partei nicht aus der Welt schaffen. Auf die sogenannt «neuen Bedrohungen» gibt es keine militärische Antwort. Diese verlangen allenfalls nach zivil-polizeilichen Mitteln. Wir schlagen daher vor: Die Schweiz soll auf zivile Lösungen setzen. Mit der Abschaffung der Armee und dem Aufbau eines freiwilligen Zivilen Friedensdienstes kann sie einen solidarischen Beitrag zur gewaltfreieren Konfliktbearbeitung im In- und Ausland leisten.