Friedfertig statt friedhöflich…

«Der zivile Friedensdienst bietet (…) eine Grundausbildung an, die Wissen und Praktiken gewaltfreier Konfliktbearbeitung vermittelt. Sie (…) steht allen in der Schweiz wohnhaften Personen offen.» So steht es in der Initiative für einen zivilen Friedensdienst. Wie könnte das funktionieren?

«Ich habe in den letzten Wochen eine neue Streitkultur entwickelt – und erkannt, dass sie die Voraussetzung ist dafür, dass sich echter Frieden einstellen kann», sagt Antonia Kofmel aus Deitingen (Solothurn). Sie ist allein erziehende Mutter und Primarlehrerin und hat kürzlich in Luzern das Zertifikat der Ausbildung für Friedensarbeit und Konfliktlösung erhalten. Ein Jahr lang hat sich Kofmel im Rahmen von vier Kurswochen, an zwei Ausbildungswochenenden und einer dreitägigen Schlussauswertung gemeinsam mit den 19 anderen Kursabsolventinnen und -absolventen «die soziale und fachliche Kompetenz für eine angemessene Lösung von Konflikt- und Gewaltsituationen» angeeignet. So stehts im Prospekt der Ausbildung, die vom Schweizerischen ökumenischen Friedensprogramm (SöF) in Zusammenarbeit mit Mission 21, Basel, und dem RomeroHaus Luzern angeboten wird. Antonia Kofmel sagts einfacher: «Ich bin jetzt wirklich fähig, Unstimmigkeiten auf konstruktive Art zu klären. Zudem hat sich meine Wahrnehmung verändert. Und dazu habe ich gelernt, dass im Bereich Friedensförderung durchaus auch starke Emotionen, ja Aggressionen Platz haben.»

Werkzeugkoffer für Alltagskonflikte
Emotionen galt es auch im Rahmen der Ausbildung auszuhalten. Bunt zusammengewürfelt war die Gruppe, Praxisassistentinnen, Heimerzieher, Pfarrer, Jugendarbeiterinnen, Stadtplaner, Architekten und Abteilungsleiterinnen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren nahmen teil. Sie kamen aus fast allen Regionen der Schweiz, absolvierten die Ausbildung aus beruflichen Gründen oder aus persönlichem Interesse – oder weil sie sich neu orientieren wollten. Wie Madeleine Rosenberger-Baumgartner aus Münsingen, früher Verlagsbuchhändlerin, heute Koordinatorin eines Begegnungszentrums für fremdsprachige Frauen, daneben Deutschlehrerin für Asylsuchende und Aufgabenhilfe für Kinder aus der Schweiz und aus dem Ausland. Eine engagierte Frau, deren eigene Kinder flügge geworden sind und die «den Horizont erweitern und etwas Sinnvolles machen» wollte. Sie habe viel gelernt in diesem Jahr, sagt Rosenberger – und spricht nicht nur von den theoretischen Grundlagen. «Ich bin mutiger geworden, selbstsicherer.» Von Mut spricht auch Kofmel: vom Mut zur Echtheit: «Ich muss nicht gut sein, nur echt. Das entlastet mich sehr.» Beide Frauen betonen, sie hätten durch die Ausbildung einen Koffer voll Werkzeug mitbekommen, um im Alltag bei Konflikten besser reagieren zu können.

Frieden als gesellschaftliches Projekt
Die Kursleitung: Damit sind Inge Remmert-Fontes, Bern, und Ueli Wildberger, Zürich, gemeint. Wildberger ist Theologe mit Ausbildung in Friedenspädagogik, Gruppenarbeit und gewaltfreier Konfliktlösung. Seit Jahren bildet er Menschen für Friedenseinsätze im In- und Ausland aus: früher bei Peace Brigades International (PBI), heute als Kursleiter und Trainer beim Internationalen Versöhnungsbund. Die Diplompädagogin Inge Remmert-Fontes ist gebürtige Deutsche, bringt also «rein von der Herkunft schon eine andere Streitkultur mit», wie sie lachend sagt. Daneben hat sie aber auch Weiterbildungen in TZI, Conflict Resolution und Gender Studies vorzuweisen; sie arbeitet vor allem in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, entwicklungsbezogene Erwachsenenbildung, als Gutachterin und Trainerin für Auslandeinsätze.
Hat aber eine Friedensausbildung, die auf der persönlichen Ebene ansetzt, Auswirkungen auf den Frieden in der Welt? «Wir hoffen es», sagen Wildberger und Remmert. Für sie ist klar, dass Friedensarbeit nicht Sache der Einzelnen bleiben darf. «Frieden spielt sich in der Gesellschaft ab. Deshalb ist es uns bei dieser Ausbildung auch wichtig, Voraussetzungen zu schaffen für eigenständiges politisches Handeln.» Remmert betont, dass es ihr dabei nicht um «propagandistische Show» gehe, sondern darum, Visionen zu entwickeln. Das, indem gesellschaftliche Probleme – auch im internationalen Zusammenhang – analysiert werden, indem die Teilnehmenden Strategien entwickeln, welche Möglichkeiten es gibt, Veränderungen in die Wege zu leiten. Durchaus auch gemeinsam mit anderen. Dieses Gemeinsame, dieses Miteinander, war es auch, das die Teilnehmerinnen besonders genossen haben. «Ich habe das Gefühl gehabt, endlich mit Menschen zusammen zu sein, die die gleichen Ziele verfolgen wie ich selbst.»

Kursprojekte werden weitergeführt
Es ist für viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer klar, dass der Austausch in Sachen Friedensarbeit weitergehen muss. «Die Kursinhalte müssten unbedingt auch in der Schule zum Thema gemacht werden», sagt Antonia Kofmel. Sie spricht den Mangel an Toleranz an, die vorschnellen Wertungen – und die Gender-Problematik. «Es wäre schön, wenn sich Mädchen und Knaben mindestens zwei Stunden pro Woche in getrennten Gruppen darüber klar werden könnten, welche Bedürfnisse sie haben, wo sie als Mädchen – oder Knaben – zu kurz kommen, was sie verändern möchten.» Ein mögliches Projekt zur Friedensförderung in der Schule – ein Projekt, das in die Reihe derer passen würde, die im Rahmen des Kurses erarbeitet worden sind: So wurde in einer Schule in Emmenbrücke ein Schulrat (ein Gremium von Jugendlichen) auf die Beine gestellt, der die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler garantieren soll, Thun soll von der Militär- zur Friedensstadt werden (erste Verhandlungen mit den Entscheidungsgremien auf politischer Ebene haben bereits stattgefunden), in Ebnat-Kappel haben die Ausstellung «Kinder zeichnen den Krieg» und das damit verbundene Rahmenprogramm für etliche Diskussion rund um die Friedensförderung gesorgt – und ein Projekt beschäftigt sich mit der Gewalt gegen Frauen in der Werbung.
Infos: SöF-Sekretariat, c/o machBar Bildungs GmbH, Hammer 1, 5000 Aarau, Telefon 062-823 24 28, Fax 062-823 62 66.

* Renate Metzger-Breitenfellner ist freie Journalistin und arbeitet im Romerohaus in Luzern.

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