Solidarität statt Intervention

Die Schweizer Armee soll aufgerüstet und interventionsfähig gemacht werden. Wenn es nach dem Willen von Verteidigungsminister Adolf Ogi und seinem Departement geht, sollen milliardenschwere Rüstungsprojekte die Schweizer Armee Nato-tauglich und einsatzfähig machen. Mit einer vorgezogenen Teilrevision des Militärgesetztes soll zudem schon diesen Frühling der bewaffnete Auslandeinsatz ohne internationales Mandat durch die Uno oder die OSZE möglich werden.

Die Beschaffungspläne des VBS zeigen, dass die geplante Reise Richtung Nato und innere Einsätze geht. Milliardenschwere Rüstungsprojekte in Zeiten ohne Feind; Verschwendung ohne Sinn. Statt auf der “Baustelle des Friedens” mit qualifizierten ArchitektInnen präsent zu sein, scheint die Schweiz einmal mehr auf Handlangerdienste zu setzen. Statt an den Stärken der Schweiz anzuknüpfen, ihren zivilen Erfahrungen und ihrer sozialen Kompetenz, will Ogi den schlechtesten Schweizer Exportartikel verscherbeln: Soldaten.

Die Palette der Bedrohungsszenarien, mit der die Schweizer Armee heute hausiert, ist breit und schwammig. “Es geht nicht mehr um die Frage, wer bedroht die Schweiz, da alle Nachbarn Freunde sind, sondern: Was bedroht uns?” Selbst die Armee weiss, dass die modernen Bedrohungen nicht militärischer Art sind. Trotzdem und erst recht: Mit Militär lässt sich jedes Problem lösen, jeder Konflikt befrieden. Die Armee definiert sich selber als einzige Institution, die befähigt sei, effizient auch zivile Bedrohungen zu beantworten und Sicherheit zu schaffen; gemeinsam mit den europäischen und transatlantischen Partnerinnen in der Nato. Auch Peacekeeping, gemäss Divisionär Peter Regli “an sich kein Soldatenhandwerk”, kann nur durch Soldaten besorgt werden, “obwohl es immer weniger militärische aber mehr polizeiliche Arbeiten umfasst”. Regli scheut sich denn auch nicht, einen Aufruf zur “Eurosolidarität” zu erlassen. Die Beteiligung der Schweiz an bewaffneten Friedensmissionen schafft das militärische “window of opportunity”, die lange ersehnte Gelegenheit, sich vermehrt mit Militärpersonal in multilaterale Operationen einzubringen. Der Bonus der helvetischen Öffnung soll als Wasser auf die Mühle der Armee geleitet werden.

“Verteidigungsfähigkeit” als “Kernkompetenz”, dazu eine krude Mischung aus Milizarmee mit Wehrpflicht, professionalisierter Elitearmee und Zeitsoldaten, “Multifunktionalität” im Einsatz gegen jedes erdenkliche und undenkbare Problem, “Interoperabilität” im Einsatz im Nato-Verbund zur Wahrnehmung “gemeinsamer Sicherheitsinteressen” in einem “umfassenden, flexiblen Sicherheitssystem”, “erhöhter Bereitschaftsgrad” für Einsätze “im Rahmen der Existenzsicherung”… jedes und alles verschwindet unter den verbalen Nebelpetarden, die im Hause VBS verschossen werden.

“Fit for mission” forderte Ogi egal, was denn diese Mission sein könnte, Hauptsache sie rechtfertigt die Existenz der Armee und neue Rüstungsbeschaffungen. Internationalismus nach Bedarf, Integration nach militärischem Wunschzettel, “Sicherheit durch Kooperation”, Landesverteidigung als Primärauftrag, Neutralität zur Sinnstiftung, Reform und Kontinuität, Milizsystem mit Professionalisierung – “anything goes!”, dabei sein ist alles, nur das Mitmachen zählt.

Schritt für Schritt wurde in den letzten Jahren die Beteiligung der Schweizer Armee an militärischen Programmen der Nato ausgebaut. Pragmatisch hat man dabei die Zusammenarbeit vorangetrieben, ohne sie politisch zur Diskussion zu stellen oder gar zur Abstimmung zu bringen. Die Revision des Militärgesetztes soll nun den grossen Sprung nach vorne bringen: Der überholten Ideologie von Neutralität und Milizarmee soll eine postmoderne Realität der Beliebigkeit zur Seite gestellt werden. Der Freipass für jeden denkbaren bewaffneten Auslandeinsatz soll eine neue Ära schweizerischer, Nato-kompatibler Kriegspolitik eröffnen. Diese Armee verkauft sich heute öffnungsfreudig und zivil. Die scheinbare Zivilisierung der Armee bedeutet aber in Wirklichkeit eine Militarisierung des Zivilen. Die Armee stösst in Bereiche vor, für die bisher zivile Instanzen zuständig waren. Damit dehnt sie nicht nur ihren Machtbereich aus, sie verschafft sich damit vor allem neue Legitimation.

Wir können solche Einsätze nicht tolerieren, wenn sie im Rahmen eines neuen Militärgesetzes eingeführt werden, ohne in eine aussenpolitische Diskussion und in klare aussenpolitische Perspektiven für die Schweiz eingebettet zu sein. Die traktandierte Revision des Militärgesetztes bietet dabei auch eine Chance: Erstmals können die geplanten, aber auch die schon vollzogenen militärischen Integrationsschritte einer politischen Diskussion ausgesetzt werden. Widerstand gegen die Pläne zum schrankenlosen Militäreinsatz kann die Kluft zwischen Ideologie und Realität aufzeigen und die Türen öffnen für ein verstärktes ziviles Engagement der Schweiz und eine politische Öffnung des Landes damit die Schweizer Armee wieder weiss, wo ihre Grenzen sind, und damit die Politik wieder wahrnimmt, was ihre Aufgabe wäre.

Wir fordern: SOLIDARITÄT STATT INTERVENTION.

Nein zu einer militarisierten Öffnung der Schweiz mit der Armee in die Nato.

Für eine zivile Sicherheitspolitik und ziviles Engagement der Schweiz in den internationalen Organisationen wie Uno und OSZE

 

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