Eufor: Redebeitrag Renate Metzger-Breitenfellner

Friedenspolitisches Nein zum EUFOR-Einsatz, Medienkonferenz 13.12.2004
Redebeitrag von Renate Metzger-Breitenfellner, Journalistin

Schweizer Soldaten nützen BiH nicht

Ich möchte zwei Dinge vorwegschicken: Ich habe als Journalistin in den letzten beiden Jahren sechs Wochen lang Bosnien und Herzegowina bereist – war dabei nicht nur in Sarajevo, sondern auch in Mostar, Banja Luka, Sanski Most und Srebrenica.
Ich verstehe mich nicht als Bosnien-Spezialistin. Aber ich habe sehr viel gesehen, mit vielen Menschen gesprochen, habe ihre Probleme und Nöte kennen gelernt. Und ich möchte Ihnen hier kurz von meinen Eindrücken erzählen.

Im vergangenen Oktober war ich acht Tage lang in Srebrenica. Ich habe eine Stadt kennen gelernt, in der von Wiederaufbau fast nichts zu sehen ist. Meine Damen und Herren, es gibt in Srebrenica wenig schöne Häuser: eine skandinavische Fabrik, die laut Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker ausschliesslich Serbinnen und Serben beschäftigt, eine Tankstelle, die Polizeistation, das Gemeindehaus, eine Kirche, eine Moschee und ein Restaurant. Dort, wo einst die Altstadt von Srebrenica war, haben wir Holz gesehen und Abfallberge. Srebrenica wirkt wie eine Geisterstadt: Viele Häuser sind verlassen, wenige wiederaufgebaut. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 90 Prozent, die Menschen haben wenig Hoffnung, keine Perspektive.

Die Schweiz will die Eufor-Truppen verstärken – und hat zu diesem Zweck bereits Anfang November 20 Soldaten nach Bosnien und Herzegowina geschickt. Zur Sicherung des Friedens. Gleichzeitig sollen etwa 150 Personen aus der Region Srebrenica in ihre Heimat zurückgeschafft werden. Für mich ist das ein Widerspruch. Weil Menschen nur dann zurückgeschickt werden, wenn das Land sicher und stabil ist – und weil dann ja andererseits keine Truppen mehr nötig sein sollten, um diese Stabilität zu gewährleisten. Ich hoffe, dass Sie mich nicht falsch verstehen: Ich glaube auch, dass Anstrengungen unternommen werden müssen, den Frieden in dieser Region zu sichern. Aber dazu gäbe es andere Mittel als militärische. Und ich finde es völlig unverantwortlich, Menschen in dieses Land zurückzuschaffen, die erstens keine Ahnung haben, was sie dort erwartet – und die wenig Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ein Einkommen haben.

Bosnien und Herzegowina hat den Safe-Country-Status, vor einigen Monaten ist der millionste Rückkehrer gefeiert worden. Ob diese Rückkehr ein Grund zum Feiern ist, scheint mir – um es vorsichtig auszudrücken – fraglich. Denn von Aufschwung, Wiederaufbau, ökonomischer und sozialer Stabilität ist das Land weit entfernt. Das Abkommen von Dayton hat viel versprochen und wenig gehalten – und speziell in Srebrenica ist das Massaker von 1995 nicht Geschichte, sondern immer noch sehr präsent. Zwischen bosniakischen und serbischen Menschen gibt es wenig Vertrauen. Dazu kommt oft noch der Neid: gegenüber denen, die Wiederaufbauhilfe, die ein Haus, eine Kuh erhalten haben – und gegenüber all jenen, die die letzten Jahre im Ausland verbracht, «ein gutes Leben» geführt haben. In Deutschland, Österreich, Schweden – und der Schweiz.

Trotz all dieser Schwierigkeiten: Ich bin davon überzeugt, dass Bosnien und Herzegowina und Srebrenica keine Soldaten aus der Schweiz brauchen: Sie brauchen zivile Friedensförderungs -und erhaltungsmassnahmen, brauchen Geld und Unterstützung für Entminungs- und Wiederaufbauprogramme, sie brauchen keine Kirchen und Moscheen, sondern Investoren und Arbeitsplätze.

Es ist unbedingt nötig, dass sich sowohl die internationale Gemeinschaft als auch die Schweiz weiterhin in Bosnien und Herzegowina engagieren. Damit sich das nicht erfüllt, was mir Rene Holenstein, der Deza-Koordinator in Sarjavo, im Rahmen eines Interviews prognostiziert hat: «Bosnien befindet sich auf dem Weg in Richtung Dritt-Welt-Standard: Das Lohnniveau ist im Durchschnitt auf die Hälfte des Vorkriegsniveaus gesunken, die Industrie kann man vergessen, das Land verarmt rapide.»

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