Propaganda ist relativ!

In seinem NZZ Blog-Artikel vom 14. Mai 2013 beklagt sich René Zeller, die Präsidentin der SiK-N, Chantal Galladé, sei unbedarft. Sie äussere sich ständig zu Ueli Maurers Armeeplänen “obschon sie konzeptionell nichts weiss.” Zeller hingegen ist konzeptionell bestens informiert über die Armee-Konzeptionen von Ueli Maurer. Er war einst Batteriekommandant, Ende der Achtziger Jahre, und verfolgt als Inlandchef der NZZ die Entwicklungen in der Armee nun beruflich, so viel Transparenz muss sein. Als Berufsfachschullehrerin (und Präsidentin der SiK-N) ist wohl zu erwarten, dass sich Galladé beruflich nur am Rande mit den Entwicklungen in der Armee beschäftigt. Fraglich wirklich, was Galladé also in der Sicherheitspolitischen Kommission zu suchen hat, obschon sie in den den achtziger Jahren nicht Batteriekommandant war. Vielleicht war sie nicht so transparent wie Zeller und hat dieses Detail ihren KommissionskollegInnen verschwiegen?

Wie Fabian Renz, der Bundeshausredaktor des Tagesanzeigers, in seiner Antwort auf Zellers Blog feststellt, liegt das Problem eher darin, dass es den “echten Kerls mit genügend Diensttagen auf dem Buckel” schwerfällt, wenn “nicht-Männer und nicht-Dienstleistenden ihren Senf zur Armee geben.” Doof nur, dass die GSoA diesen Herbst die Initiative “Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht” zur Abstimmung bringt. Dank der GSoA werden nämlich alle nicht-Männer und nicht-Dienstleistenden über diese Initiative abstimmen – und die machen einen beträchtlichen Teil unserer Gesellschaft aus.

Folgt man aber der bürgerlichen Logik, wonach nur Dienstleistende kompetent genug sind, sich zu Armeefragen zu äussern, wäre es wohl auch besser, wenn sich nur die Dienstleistenden zur Initiative äussern und über sie abstimmen würden. Wieso also fragt man nicht die Dienstleistenden was sie von der Armee und der Wehrpflicht halten?

Man fragt sie. Und sie geben (nicht so) überraschende Antworten: Eine grossangelegte Armee-interne Studie vom Februar dieses Jahres (die Armee bat 11‘497 Soldaten und Kader um ihre Meinung) zeigte, dass die Truppen den Sinn in der Armee nicht sehen. Mehr als 60 Prozent der Befragten gaben an, keinen zivilen Nutzen aus ihrem Dienst ziehen zu können, 58 Prozent gaben an, dass ihr Arbeitgeber kein Verständnis für ihren Dienst hätten und weniger als 30 Prozent würden ihren Bekannten einen Armeedienst weiterempfehlen.

Aber das sind vielleicht nicht die entscheidenden Fragen. Dass der Armeedienst unangenehm sein kann, bestreitet auch kein Bürgerlicher. Es sei halt ein notwendiges Übel zur Bewahrung der Sicherheit unseres Landes. Doch befragt man die momentan aktiven Dienstleistenden dazu, sehen sie auch das anders: Über 60 Prozent der befragten Dienstleistenden fanden, dass sie keinen Beitrag zur Sicherheit der Schweiz leisten. Zudem zeigte der Sicherheitsbericht 2013 der Militärakademie ETHZ, dass genau diese Soldaten, Kader und ihre Angehörigen, d.h. die Altersgruppe der Stellungspflichtigen (18-29) mit dem grössten Prozentanteil die Abschaffung der Wehrpflicht befürworten, nämlich jeder und jede Zweite. Auf wen also sollen wir hören? Auf die nicht-dienstleistende Präsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission und auf die aktiven Frauen und Männern im Dienst? Oder auf Batteriekommandant Zeller und seine Spielkameraden aus den Achtzigern?

Fassen wir einmal zusammen: Immer wieder wird uns unter die Nase gerieben, dass sich in der Armee die besten und talentiertesten jungen Männer und Frauen eines jeden Jahrgangs befänden. Sie geniessen in der Armee -angeblich – eine qualitativ hochstehende Ausbildung. Am Ende der Rekrutenschule stünden sie am Höhepunkt ihrer Fähigkeiten, es seien sportlich und geistig durchtrainierte Verteidigungsmaschinen, die unser Vaterland gegen AngreiferInnen aus dem Ausland beschützen und unsere geliebte Schweiz in Sicherheit bewahren sollten. Das Problem ist lediglich, dass mehr als 60 Prozent dieser erwähnten Verteidigungsmaschinen schon selber eingesehen haben, dass sie nicht viel zur Sicherheitssituation in der Schweiz beitragen. Und übernimmt man die Denkstruktur von armeegeilen Zeitreisenden aus dem Kalten Krieg, müssten unsere geehrten MilizsoldatInnen eigentlich bestens darüber Bescheid wissen, ob ihre Armee für Sicherheit sorgt oder nicht.

Aber fast wie die berühmten drei Äffchen wollen die Wehrpflicht-BefürworterInnen nichts hören und nichts sehen. Nur sprechen wollen sie und das dafür umso lauter. Sie verbreiten ihre uneinsichtige Propaganda wo sie nur können, so z.B. an staatlich-finanzierten Schützenfesten, wie der “Blick” am Freitag, vom 31. Mai 2013 vermeldete. Oder sie tun dies gar in der Armee selbst, wie der “Sonntag” am 2. Juni 2013 berichtete, obwohl das eigentlich gegen das Gesetz verstösst. Interessanterweise war der demokratisch gewählte Ueli Maurer 2002 als Nationalrat noch dagegen, dass die Bundesverwaltung einen Abstimmungskampf machen darf [1]. Aber das VBS war schon immer ein sehr spezielles Departement und zur Bewahrung einer undemokratischen Institution sind natürlich auch undemokratische Mittel geheiligt.

[1] Ueli Maurer unterzeichnete die Parlamentarische Initiative gegen Staatspropaganda (02.419) von Hans Fehr.

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