Auslandeinsätze auch ohne Uno-Mandat?

In der WOZ vom 6. November provoziert der ehemalige GSoA-Vordenker Andreas Gross mit der Forderung nach militärischen “Friedenseinsätzen” auch ohne Uno-Mandat.
Eine Replik.

«Auch ohne Uno-Mandat» will Andreas Gross die Schweizer Armee zukünftig im Ausland einsetzen. Doch was ist ein «Friedenseinsatz» ohne Uno-Mandat? Insofern es nicht um eine Intervention auf Wunsch des jeweiligen Staates geht, dürfte damit nichts anderes gemeint sein als ein völkerrechtswidriger Krieg. Nun ist Gross natürlich zuzustimmen, dass die Uno dringend reformiert werden sollte. Er verkennt indes, dass die Forderung nach militärischen Interventionen ohne Uno-Mandat derjenigen nach einer Reform und Stärkung der Uno diametral entgegensteht.

«Das Metier der Gewalt beherrschen»

Die Ansicht, dass nur die Uno die Legitimität besitzt, im internationalen Rahmen über die Anwendung von Gewalt zu entscheiden, bezeichnet Gross als «naiv». «Es braucht Leute, die das Metier der Gewalt beherrschen und denen, die Gewalt anwenden wollen, zeigen, dass sie keine Chance haben», gab er der WOZ zu Protokoll

Gross scheint zu glauben, dass sich Europa zu einer militärischen Friedensmacht entwickeln kann, die zwar unilateral handelt und das Völkerrecht nötigenfalls verletzt, deren Gewaltanwendung jedoch nach rein moralischen Gesichtspunkten erfolgt. Doch wo sich Staaten zu Richtern in eigener Sache erklären, ist keine Unparteilichkeit zu erwarten. Die unilaterale Praxis zur Theorie der «humanitären Intervention » zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass moralische Motive herangezogen werden, um eigene geostrategische Interessen durchzusetzen.

Guter EU-Militarismus?

Europa ist da keine Ausnahme. So beschreibt etwa das «European Defence Paper», eine von den EU-Regierungen in Auftrag gegebenen Studie, folgende Ausgangslage für einen EU-Militäreinsatz: «In einem Land X, das an den Indischen Ozean grenzt, haben antiwestliche Kräfte die Macht erlangt und benutzen Öl als Waffe, vertreiben Westler und greifen westliche Interessen an.» Das Zudrehen des Öl-Hahns wird zum Angriff umgedeutet, den es mit militärischen Mitteln abzuwehren gilt.

Wer sich in solcher Weise über die Uno stellt, muss damit rechnen, dass andere das auch tun. Die Alternative ist eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen: Der freiwillige Verzicht auf Selbstjustiz zugunsten einer unparteilichen Instanz, die über Recht und Unrecht urteilt. Das bedingt, dass die Staaten ihre militärischen Kapazitäten den Urteilen der Uno-Instanzen unterordnen oder – wie es schon immer die Forderung der GSoA war – ganz auf eine eigene Armee verzichten.

Uno am Scheideweg

Die Uno, wie sie heute existiert, ist Ausdruck eines halb-rechtlichen Zustands: Die Uno- Charta fordert zum Gewaltverzicht auf und erklärt eine internationale Institution zur Richterin. Die Zusammensetzung des Sicherheitsrats widerspiegelt jedoch das Recht des Stärkeren, und (nicht nur) die Veto-Mächte wenden regelmässig unilateral Gewalt an und liefern sich ein Wettrüsten.

Wer in dieser Situation nach militärischen Interventionen ohne Uno-Mandat ruft, ohne auch nur einen konkreten Anlass zu nennen, hat das Ziel der Verrechtlichung bereits aufgegeben und sich mit dem Recht des Stärkeren arrangiert. Woran es der Welt fehlt, ist keineswegs die Bereitschaft zur unilateralen Gewaltanwendung, sondern vielmehr die Bereitschaft, Mittel in die zivile Friedensförderung zu investieren. Das ist auch die Lehre des Balkan-Krieges: Im Herbst 1998 war es unmöglich, 2’000 zivile OSZE-BeobachterInnen zur Verhinderung eines Krieges im Kosovo zu finden. Im Frühling 1999 liessen sich hingegen sofort 50’000 Soldaten für die KFOR-Truppen mobilisieren.

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