Der Krieg ist nicht vorbei

(lj/nl) Am 2. Mai – sechs Wochen nach Beginn des Irak-Kriegs – erklärte Präsident Bush: «Die Hauptkampfhandlungen im Irak sind beendet». Der US-Präsident vermied es, vom endgültigen Kriegsende zu sprechen. Sonst hätte die Suche nach Saddam Hussein eingestellt, die Kriegsgefangenen freigelassen und die US-Truppen aus der Region abgezogen werden müssen.

Etwa 6000 Gefangene wurden in den letzten Wochen freigelassen, weitere 3000 werden noch festgehalten. Zumindest haben diese das Glück, als Kriegsgefangene anerkannt zu werden – den von den USA auf Guantánamo festgehaltenen Menschen geht es über ein Jahr nach dem Krieg gegen Afghanistan viel schlechter. Sie werden als “ungesetzliche Kombattanten” bezeichnet; ein Begriff, den man weder im Völkerrecht noch in den Genfer Konventionen findet, mit welchem die Regierung Bush jedoch jeden Rechtsbruch im Umgang mit den Festgehaltenen begründet.

Wenige Stunden, bevor Bush seine Rede zum Ende der Kampfhandlungen im Irak hielt, verkündete Verteidigungsminister Rumsfeld bei einem Besuch in Kabul das Ende der Hauptkampfhandlungen auch für Afghanistan. Der Krieg gegen den Terror jedoch geht weiter. Das ist viel praktischer für die US-Regierung und ihre Verbündeten. So kann sie, wann immer sie will, kurzfristig wieder zuschlagen – im Irak oder anderswo.

Geopolitische Interessen

Es gab immer viele Gründe, warum die irakische Bevölkerung eine bessere Regierung verdient hätte als Saddam Hussein. Es wäre nur zu begrüssen gewesen, wenn die USA und andere westlichen Industrienationen in den vergangenen Jahrzehnten das auch so gesehen hätten, anstatt den Diktator Hussein an die Macht zu bringen und im Amt zu halten. Um Menschenrechte ging es somit nicht in diesem Krieg. Es gehe darum, die Welt vor den Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins zu schützen, war schliesslich die zentrale Kriegsbegründung der USA. Seit Wochen suchen Hunderte von US-Spezialisten nach den angeblichen Massenvernichtungswaffen und finden nur, was vorher auch schon Hunderte von UN-Inspektoren gefunden haben: Nichts.

Für die USA spielt die Tatsache, ob ihre Kriegsbegründung Lug und Trug war, keine Rolle mehr. Sie schafft Fakten: Im Irak werden permanente US-Militär-Basen aus dem Boden gestampft, die USA nimmt sich das Recht hinaus, nach eigenem Belieben über die Zivilverwaltung zu verfügen und bezeichnet sich unterdessen schon offiziell als Besatzungsmacht. Die gigantischen Wiederaufbau-Aufträge werden zielstrebig an US-Konzerne vergeben, die regierungsnahen Firmen werden endlich für ihre Treue belohnt; ein riesiges Impulsprogramm für die darbende amerikanische Wirtschaft – finanziert durch das irakische Öl – läuft an.

Schweiz schneller als USA

Die Schweiz hatte es am eiligsten, den Krieg für beendet zu erklären. Spät hatte der Bundesrat einen unpräzisen und zahnlosen Stop für die Rüstungszusammenarbeit mit kriegsführenden Ländern verordnet. Vom Exportverbot wurden jedoch nicht einmal Präzisionsteile von F/A-Kampflugzeugen erfasst. Die offizielle Begründung: Sie würden nicht im Irak eingesetzt, die Flugzeuge seien ja noch gar nicht zusammengebaut. Dank dieser zynischen Politik werden auch in einem – leider wahrscheinlichen – nächsten Krieg der USA Schweizer Präzisionsteile mitbomben. Am 16. April erklärte Bundespräsident Couchepin den Irak-Krieg für beendet. Warum diese Eile, mehr als zwei Wochen, bevor die kriegführenden Amerikaner dies taten? Die Antwort ist einfach: Die Schweiz will 32 ihrer Tiger-Jets als Schulungsflugzeuge in die USA verscherbeln. Der Deal wäre voraussichtlich geplatzt, falls die Schweiz nicht vor Ende April das erste Flugzeug geliefert hätte. Um sich weitere Diskussionen um das Rüstungsausfuhrverbot in kriegsführende Länder zu ersparen, war es für Couchepin das einfachste, den Krieg für beendet zu erklären und die Ausfuhr zu legalisieren. So einfach ist das.

Was hat der Widerstand gebracht?

Obwohl wir nicht verhindern konnten, was wir befürchtet haben: Der breite Widerstand gegen die Kriegspolitik war eminent wichtig. In den neunziger Jahren – Bosnien und Kosovo – wurden die militärischen Interventionen mit der Notwendigkeit humanitärer Interventionen begründet (nachdem die westlichen Regierungen sich während Jahren alle Mühe gaben, wegzuschauen). Kriegskritik wurde weitgehend marginalisiert, wir blieben mit unseren Aktivitäten gegen den Krieg auch innerhalb der Linken isoliert. Selbst nach dem Angriffskrieg gegen Afghanistan ebbte der Widerstand nach Kriegsende rasch ab. Nach dem Krieg der USA und ihrer Verbündeter gegen Irak ist die öffentliche Wahrnehmung jedoch nach wie vor eine andere. Auch nach neusten Umfragen bezeichnen sechs von zehn SchweizerInnen den Krieg gegen Irak als einen politischen Fehler. Die Kritik ist mit dem Rückgang der offenen Kampfhandlungen im Irak nicht verstummt. In verschiedenen Städten haben in den letzten Wochen Antikriegs-Aktionen stattgefunden. In Bern wurde der bundeseigene Rüstungsbetrieb blockiert undnahe der US-Botschaft fand ein Peace-Camp statt. In Genf, Basel und im Kanton Zürich fanden weitere regionale Kundgebungen statt. Es ist zentral, dass der Widerstand gegen die aggressive und kriegerische Aussenpolitik der USA und leider auch vieler europäischer Industrieländer weitergeht. Die nächste Möglichkeit ist das Treffen der mächtigsten Staatschefs in Evian vom 1.-3. Juni. Dort wollen wir mit einer grossen, eindrücklichen und friedlichen Kundgebung unsere Kritik an der Kriegspolitik und an den dafür verantwortlichen Politikern zum Ausdruck bringen.

Pace-Fahnen hängen weiter

Auch wenn Bush das Ende der Kampfhandlungen verkündet hat und die Artikel in den Zeitungen weniger und kürzer werden, hängen weiterhin Friedensfahnen in der ganzen Schweiz. Das ist auch richtig so. Der Krieg ist nicht vorbei, der Ruf nach einem gerechten Frieden und einer gerechteren Welt ist dringender denn je. Im Irak zeichnet sich eine repressive Politik der amerikanischen Besatzungsmacht ab, Palästina und Israel sind noch weit von einen gerechten Frieden entfernt, die regelmässigen Kampfhandlungen in Afghanistan sind weitgehend aus den Medien verschwunden, und ohne unseren entschiedenen Widerstand drohen schon bald nächste Kriege. Denn eines haben die Falken im Pentagon unmissverständlich klargemacht: Irak ist ihrer Meinung nach nur eine Station in permanenten Krieg gegen den Terrorismus. Es ist an uns, zu verhindern, dass die US-Regierung ihre Politik fortsetzen kann.

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