Schweizer Träume im Irak

Unternehmen aus den Ländern der Kriegskoalition verdienen sich im Irak eine goldene Nase. Gehören auch Schweizer Firmen zu den Profiteuren?

VertreterInnen von mehr als 50 Unternehmen nahmen anfangs April dieses Jahres an einer Tagung teil, an der die Schweizer Exportförderungsagentur Osec die Geschäfts-Möglichkeiten im Irak erörterte. Jetzt sei der Moment gekommen, den neu geöffneten Markt zu besetzen, wurde gesagt.

Vor Beginn der UNO-Sanktionen 1990 gehörte der Irak zu den bevorzugten Handelspartnern der Schweiz im Nahen Osten. Für 650 Millionen Franken pro Jahr wurde in den Irak Saddam Husseins exportiert. An die Erfolge von damals möchte man wieder anknüpfen.

Ein neuer Markt lockt

Einige Schweizer Unternehmen haben mittlerweile Niederlassungen im Irak eröffnet. Dazu gehört die ABB, welche in erster Linie Gerätschaften für das im Krieg zerstörte Stromverteilungssystem liefert. Der Markt hierfür wird in den kommenden Jahren auf rund 20 Milliarden US-Dollar geschätzt. Grosse Chancen rechnet sich auch die Zement- und die Nahrungsmittelindustrie aus. Aus diesen Branchen stammen auch die ersten Anträge für eine Exportrisikogarantie durch den Bund. Es wird vermutet, dass Nestlé Interesse an Teilen der Trinkwasserversorgung gewisser irakischer Städte hat, falls diese wie geplant privatisiert werden.

Die derzeit aktivste Schweizer Firma im Irak ist der Agrochemiekonzern Syngenta. Das Unternehmen veranstaltet Seminare für Bauern und Agronomen. Bisher war der Umgang mit Landwirtschaftschemikalien im Irak eine staatliche Aufgabe, nun ist jeder Bauer selber dafür verantwortlich. Der Geschäftsführer von Syngenta im Irak erhofft sich durch diese Umstrukturierung einen zusätzlichen Umsatz von 130 bis 150 Millionen US-Dollar pro Jahr.

Die Rüstungskonzerne profitieren

Angesichts der ungewissen Sicherheitslage beschränken sich die meisten Schweizer Firmen allerdings noch darauf, Kontakte zu knüpfen und sich in eine vorteilhafte Ausgangslage zu bringen. Nur die Schweizer Rüstungsindustrie (siehe Kasten) streicht schon jetzt eine grosse Kriegsdividende ein. Anstatt mit Getreidemühlen und Spitaleinrichtungen ist unser Land im Irak momentan vor allem durch Mörser und Panzer vertreten.

Die GSoA bleibt dran

Die GSoA wird weiterhin ein Auge auf diejenigen Schweizer Firmen werfen, welche vom völkerrechtswidrigen Krieg im Irak zu profitieren versuchen. Aus diesem Grund hat auch Nationalrat Josef Lang am 1. Juni 2004 eine dringliche Anfrage an den Bundesrat eingereicht, was mit dem «hohen strategischen Interesse der Schweiz, im Irak dauerhaft präsent zu sein» gemeint ist, welches das EDA als Grund für sein Verbleiben in Bagdad (und die damit verbundene Anstellung von südafrikanischen Söldnern) angegeben hatte. Denn wir sind überzeugt: Was die irakische Bevölkerung braucht, ist Unterstützung beim Aufbau von eigenen wirtschaftlichen Strukturen, die auf einen Nutzen für die Menschen im Irak hinarbeiten – und nicht auf einen Profit von westlichen Shareholdern.

Die Schweiz kriegt mit

Eine ganze Reihe von Waffensystemen eidgenössischer Herkunft werden derzeit im Irakkrieg eingesetzt: Die britische Armee benutzt seit einigen Jahren Handgranaten der RUAG und das US Marine Corps hat vorletztes Jahr 100’000 Mörsergranaten desselben Unternehmens gekauft. Die Super-Hornet-Kampfflugzeuge der US Navy könnten im Irak nicht eingesetzt werden ohne die feinmechanischen Bauteile, welche die Derendinger AG – eine Tochterfirma der RUAG – noch nach Kriegsbeginn an die USA lieferte. Ebenfalls nach Beginn des Krieges wurden aus der Schweiz 121 Boden-Luft-Raketen des Typs Maverick in die Vereinigten Staaten exportiert – wiederum von der RUAG. Waffenexperten der US-Armee mutmassen, dass auch die irakischen Aufständischen über einige Hightech-Panzerabwehrraketen aus dem RUAG-Arsenal verfügen.

Die RUAG ist jedoch nicht die einzige Firma, deren Produkte im Irak benützt werden. Die Radschützenpanzer etwa der US-Marines werden in Lizenz der Kreuzlinger MOWAG-Werke produziert. Auch die irakischen Streitkräfte besassen MOWAG-Panzer.

Laut Kriegsmaterialgesetz sind die Respektierung der Menschenrechte und die Einhaltung des Völkerrechts Vorraussetzungen zum Export von Rüstungsgütern. Diese Bedingungen sind im Irak offensichtlich nicht gegeben. Trotzdem haben die Schweizer Waffenproduzenten im Jahr 2003 Rüstungsmaterial im Wert von 120 Millionen Franken an Länder der Kriegskoalition exportiert.