Schmids Schlappe in Flims

Mit dem Entwicklungsschritt 08/11 wollte der Bundesrat den Umbau der Armee vorantreiben: Die Bestände für die klassische Landesverteidigung sollten abgebaut, die Truppenstärke für Auslandeinsätze und die so genannte Raumsicherung erhöht werden. Doch der Nationalrat hat dem Projekt eine Abfuhr erteilt.

Seit dem Ende des Kalten Krieges plagt die Armeeführung ein schwieriges Problem: Wie kann man die obsolet gewordenen Kapazitäten für Panzerschlachten gegen die Sowjetunion abbauen, ohne die Armee grundsätzlich in Frage zu stellen? Die Strategie von Bundesrat Samuel Schmid zielt darauf ab, sich durch die Erschliessung zweier neuer Aufgabenfelder eine stabile Mehrheit für seine Armee-Politik zu verschaffen. Die Betonung der Bedrohung durch den Terrorismus und der vermehrte Einsatz der Armee im Bereich der inneren Sicherheit, sollen Stimmen aus dem rechtskonservativen Lager sichern, während so genannte «humanitäre Interventionen» die armeefreundliche Linke zufrieden stellen sollen.

Kritik von allen Seiten

Doch die Rechnung scheint nicht aufzugehen: Der «Entwicklungsschritt 08/11», der den Abbau der mechanisierten Truppen bei gleichzeitigem Ausbau der Bestände für Einsätze im Inneren und für Auslandmissionen vorsah, ist im Nationalrat klar durchgefallen. Nebst den Grünen, die der Armee grundsätzlich kritisch gegenüber stehen, haben sich an der Session in Flims auch SVP und SP gegen die Vorlage gestellt.

Auf rechter Seite stiess vor allem der Abbau der Truppen für die klassische Landesverteidigung auf Widerstand. Die Armee müsse jederzeit in der Lage sein, sich gegen militärische Angriffe zu verteidigen. Der so genannte «Aufwuchs» (der kurzfristige Ausbau der Kampfverbände im Kriegsfall) würde nicht schnell genug von statten gehen, um einen überraschenden Angriff abzuwehren, so die rechten Militaristen.

Kurskorrektur bei der SP

Das Zünglein an der Waage spielte in Flims aber die SP, deren Fraktionsmitglieder die Vorlage allesamt ablehnten oder sich der Stimme enthielten. Dabei ist eine Kurskorrektur gegenüber der Vernehmlassungsantwort der SP Schweiz vom April dieses Jahres unübersehbar. Zwar wurde schon damals kritisiert, der Terrorismus rechtfertige nicht, «die Armee oder Teile davon schleichend zu einer Bundessicherheitspolizei umzubauen.» Gleichzeitig forderte die SP aber auch «die Wahrung der Fähigkeit (der Armee) zur Raumsicherung zur Abwehr asymmetrischer Angriffe». Und das Fazit fiel insgesamt positiv aus: «Die SP Schweiz unterstützt in weiten Teilen den Entwicklungsschritt 08/11 und die damit einhergehende Anpassung der Armeeorganisation.»

Weshalb der Meinungsumschwung? Zum einen hat sich schon bei früheren Abstimmungen, zum Beispiel über die Beschaffung von Transportflugzeugen für Auslandeinsätze gezeigt, dass die SP-Fraktion insgesamt armeekritischer ist als ihre sicherheitspolitischen SprecherInnen. Zudem hat der Parteitag im Juni dieses Jahres deutlich gemacht, dass die Basis klar antimilitaristische Positionen wünscht. Die Delegierten entschieden sich damals deutlich für eine Unterstützung der Initiative gegen Kriegsmaterial-Exporte, obwohl sich die Parteileitung dezidiert dagegen ausgesprochen hatte. Und schliesslich dürfte auch die Angst vor Stimmenverlusten an die Grünen bei den bevorstehenden Nationalratswahlen eine Rolle gespielt haben.

Rechter Schulterschluss in Aussicht?

Wie geht es nun weiter? Wird die Vorlage im Ständerat erwartungsgemäss durchgewunken, kommt sie noch einmal zurück in den Nationalrat. Dann sind prinzipiell drei Szenarien denkbar: FDP und CVP machen Zugeständnisse im Bereich der inneren Sicherheit, um Teile der SP umzustimmen, sie machen Zugeständnisse an die SVP und sichern sich so eine Mehrheit, oder aber es kommt erneut zu einer Ablehnung.

Das erste Szenario scheint unwahrscheinlich, die SP wird ihre Position so kurz vor den Wahlen kaum nochmals ändern. Weit wahrscheinlicher ist ein bürgerlicher Schulterschluss auf der Grundlage einer teilweisen Zurücknahme des Abbaus bei der klassischen Landesverteidigung. Das würde es der SVP erlauben, sich als Retterin der Milizarmee zu profilieren.

Milliardenschwere Beschaffungen trotz Orientierungslosigkeit

Für dieses Szenario spricht zudem, dass sich die SVP in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats für das Rüstungsprogramm 2006 ausgesprochen hat. Das 1,5 Milliarden Franken schwere Paket sieht unter anderem ein neues Führungsinformationssystem für 424 Millionen, den Umbau von Panzerjägern für 126 Millionen und die Werterhaltung von Leopard-Panzern für 395 Millionen Franken vor.

Die beiden erstgenannten Posten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem abgelehnten Entwicklungsschritt 08/11. Doch da auch für die klassische Landesverteidigung etwas dabei ist, haben die sonst so knauserigen Finanzpolitiker der SVP dem Kredit zugestimmt.

Die Orientierungskrise der Armee soll also überwunden werden, indem aus- statt umgebaut wird. Ob die Bevölkerung dieses Vorgehen in Zeiten des Spardrucks beim Service Public goutiert? Die Wahlen werden es zeigen.

Nein zur Einsatzarmee

(db) Die GSoA lehnt die geplante Armeereform 09 ab. Das VBS will die Armee mit der geplanten Gesetzesänderung zu einer Einsatzarmee umbauen. Die GSoA ist nach wie vor der Meinung, dass die Armee abgeschafft gehört. Wenn die Schweiz schon über eine Armee verfügt, soll sie wenigstens nicht zum Einsatz kommen.

Mit dem neuen Gesetz könnte sich die Schweizer Armee an unbewaffneten Auslandmissionen auch ohne Vorliegen eines Uno-Mandats beteiligen. Die GSoA befürchtet, dass dies nur ein erster Schritt ist und das VBS das Ziel verfolgt, die Armee später auch bei bewaffneten Auslandeinsätzen ohne Mandat der Uno ins Ausland zu schicken.

Klar abzulehnen sind auch die Bestrebungen, Auslandeinsätze für Militärangehörige obligatorisch zu machen. Damit kippt Bundesrat Schmid ein Versprechen, dass 2001 für das knappe Volks-Ja zu den Auslandeinsätzen ausschlaggebend war.

Auch die weitere Ausrichtung der Armee auf innere Einsätze lehnt die GSoA ab. Es ist nicht einzusehen, wieso bei Entscheiden über innere Einsätze die Befugnisse des Bundesrats erhöht und diejenigen des Parlaments beschnitten werden sollen.

Die Vernehmlassungsantwort der GSoA ist demnächst auf unserer Website verfügbar unter gsoa.ch/armee/reformen/.

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