Verantwortung tragen heisst Vorangehen

Ein Argument der Gegner der Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten ist immer wieder zu hören: «Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen.» Warum dieses Argument Unsinn ist.

Für die Gegner der Initiative steht fest: Wenn die Schweiz kein Kriegsmaterial mehr exportiere, so werde die potentielle Käuferschaft halt einen anderen willigen Verkäufer finden. Das Resultat: An der weltweiten Aufrüstung und Kriegerei ändere sich gar nichts, und in der Schweiz gingen Arbeitsplätze in den Rüstungsunternehmen verloren. Wegen naiven Weltverbesserern müsse sich die Schweiz aus einem Geschäft raushalten, an dem sich alle andern Länder bereichern könnten.

Effizienz

Dass ein Rückzug der Schweiz aus dem globalen Rüstungsmarkt keinen Effekt haben würde, werden die Ingenieure und Marketingstrategen der Ruag nicht gerne hören. Schliesslich werben sie ja ausdrücklich damit, dass ihre Waffen militärisch effizienter sind, also mehr Leute auf einmal umbringen können, als diejenigen der Konkurrenz (vgl. Artikel auf Seite 5). Wenn man den Ruag-Verantwortlichen Glauben schenken kann (in diesem Falle wohl ausnahmsweise angebracht), so kann eine Armee, die auf Ruag-Produkte vertraut, in kürzerer Zeit mehr Menschen töten. Hört die Ruag auf, diese Güter zu exportieren, so sinkt die Tötungskapazität der Armeen. Zumindest die Opfer der technischen Überlegenheit der Ruag können also nicht einfach mit dem Argument abgetan werden «Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen». Hätte es die Ruag nicht gemacht, würden sie noch leben.

Krieg der Steine

Eine Variante des «Wenn wir es nicht machen»-Argumentes lautet: «Wenn Menschen sich umbringen wollen, finden sie immer eine Waffe, im Notfall nehmen sie Steine». Auch mit diesem Argument soll die Verantwortung von den Waffenproduzenten genommen werden. Nicht sie seien schuld, wenn sich die Menschen umbringen wollen.

Diese Argumentation mag für individuelle Gewaltanwendung korrekt sein, nicht aber für Kriege. Natürlich kann man eine Person auch ohne Waffentechnologie töten. Aber man kann keinen Krieg führen ohne Rüstungsproduzenten. Flächenbombardements kann man nun mal nicht ohne Bomben durchführen. Auch hier gilt: Für die Kriegsopfer, die einen mit Steinen geführten Krieg überlebt hätten, nun aber beispielsweise durch eine Ruag-Handgranate umkommen, sind die Waffenproduzenten zu einem hohen Grad verantwortlich.

Menschenbilder

Die Behauptung «Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen», basiert auf einem Menschenbild, dass in den Menschen (und letztlich in menschlichen Gesellschaften) eigeninteressengesteuerte, egoistische Subjekte sieht. Hörte die Schweiz auf Waffen zu exportieren, so würden sich andere Staaten sofort ihren Anteil am Weltmarkt schnappen.

Der Fehler in dieser Argumentationslogik liegt aber schon am Ursprung. Längst haben empirische Untersuchungen von Soziologen und Ökonomen gezeigt, dass das Bild des gewinnmaximierenden Menschen kaum etwas mit der Realität zu tun hat. Ein Beispiel: Warum geben Sie ein Trinkgeld in einem Restaurant, das Sie nie wieder besuchen werden? Was erhoffen Sie sich von dieser Geldverschleuderung? Glauben Sie denn wirklich Sie könnten damit das Einkommen des Kellners verbessern? Die meisten Leute geben wohl ein Trinkgeld, weil es so üblich ist, weil es sich so gehört, weil es anständig ist. Und siehe da: Fast alle tun es, obwohl es doch irrational ist.

Grund zum Optimismus

Zugegeben, die Schweiz stünde mit ihrem Kriegsmaterialexportverbot ziemlich alleine da. Doch weniger klar ist, wie die anderen Staaten darauf reagieren würden. Würden sie sich eigennützig die Hände reiben, ob der neuen Exportchancen für ihre Rüstungsindustrie? Oder würden sie sich vielleicht fragen: Was machen denn die Schweizer da? Können wir es uns leisten, als anstandslose Kriegsgewinnler zu gelten, während sich die Schweizer mit ihrer weissen Weste brüsten. Mit anderen Worten: Die Schweiz könnte mit gutem Beispiel vorangehen und einen Prozess einleiten, dem sich auch andere Staaten anschliessen können, denen etwas an ihrem Ansehen und Anstand liegt. Einen ähnlichen Prozess initiierte Kanada bei der Ächtung der Anti-Personenminen. Die Losung kann also durchaus sein: «Wenn wir es nicht machen, machen es die andern auch nicht!»