Pilatus: Der Fall Tschad

Im Juli letzten Jahres exportierte die Stanser Pilatus ein Flugzeug des Typs PC-9 ins Bürgerkriegsland Tschad. Das Geschäft wurde damals mit der Begründung bewilligt, die Maschine werde nur für Trainingszwecke gebraucht. Jetzt verdichten sich die Hinweise, dass das Flugzeug bereits zwei Monate nach der Ausfuhr bewaffnet und gegen Rebellen eingesetzt wurde.

Am 7. Juli 2006 wurde bekannt, dass die Stanser Pilatus-Werke kurz vor der Auslieferung eines Leichtflugzeugs des Typs PC-9 an das tschadische Regime unter Idriss Déby standen. Othmar Wyss, der beim Staatssekretariat für Wirtschaft für die Bewilligung von Waffenausfuhren zuständig ist, sagte damals gegenüber der Nachrichtensendung 10vor10, er gehe davon aus, dass das Flugzeug nur fürs Training gebraucht werde. Diese Argumentation schien von vornherein fadenscheinig, besitzt die tschadische Luftwaffe doch gar keine Kampfflugzeuge, für die Piloten ausgebildet werden müssten. Jetzt verdichten sich die Hinweise, dass das Déby-Regime die Maschine mit Waffen ausgestattet und im Kampf eingesetzt hat.

“Trainingsmaschinen” bewaffnet im Einsatz

Dies bestätigt ein Bericht der den Rebellen nahe stehenden Nachrichtenagentur Tchadactuel: Als die Regierungstruppen am 14. September 2006 Stellungen der Rebellen bei Hadjer Marfaïne im Osten des Landes angriffen, taten sie dies mit Unterstützung aus der Luft. Im Artikel ist von zwei Pilatus-Flugzeugen die Rede, mit denen die Rebellen unter Beschuss genommen wurden. Da die Luftwaffe des Tschad zu diesem Zeitpunkt lediglich noch über eine flugtaugliche Maschine des älteren Typs PC-7 verfügte, die in den 80er-Jahren aus Frankreich importiert worden war, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass das im Sommer 2006 exportierte Trainingsflugzeug nur zwei Monate später bereits mit Waffen ausgestattet und im Kampf eingesetzt wurde.

Flüchtlinge in der Grenzregion zwischen Tschad und Darfur

 

Das Regime von Idriss Déby Itno gilt als eines der korruptesten der Welt. Déby übernahm 1990 mit Hilfe Frankreichs, der USA und Libyens in einem vom Sudan aus lancierten Feldzug die Macht im Land. Über 25’000 BürgerInnen seines Landes liess Déby laut Menschenrechtsorganisationen seither umbringen. Immer wieder wurde er mit Aufständen in verschiedenen Teilen des Landes konfrontiert, die er bisher mit militärischen Mitteln niedergeschlagen hat. Im April letzten Jahres eilte die französische Armee zu Hilfe, um einen Vorstoss der «Front Uni pour le Changement et la Démocratie» (FUC) in die Hauptstadt N’Djamena zu verhindern. Seit September 2006 kommt es im Osten des Landes immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen. Ein Ende des Bürgerkriegs ist nicht abzusehen.

Asylbehörden: «Die Lage ist ruhig»

Besonders stossend: Die Schweiz schreckt nicht einmal davor zurück, Flüchtlinge in genau die Region auszuschaffen, in der die Pilatus-Flugzeuge Kampfeinsätze fliegen. Der GSoA-Zitig ist der Fall eines jungen Mannes aus dem Osten des Tschad bekannt, dessen Asylgesuch mit der Begründung abgelehnt wurde, im Tschad sei es seit dem gescheiterten Angriff der Rebellen auf N’Djamena «ruhig». Der Tschader ist politisch verfolgt und hat sich zudem durch seine Abwesenheit der Wehrpflicht entzogen. Eine Beschwerde ist zur Zeit noch hängig, mittlerweile wurde immerhin aufschiebende Wirkung gewährt. Doch wäre der Mann nicht vorübergehend untergetaucht, so wäre er wohl bereits in den Tschad ausgeschafft worden.

Freiwilliger Verzicht soll Gesetzeslücke überdecken

Am 18. Dezember 2006 fragte Nationalrat Carlo Sommarugo (SP) Bundesrätin Doris Leuthard während der Fragestunde, ob der Bundesrat Informationen über die Verwendung der in den Tschad gelieferten PC-9 habe und ob er gegebenenfalls bereit sei, weitere Ausfuhren in das Bürgerkriegsland zu unterbinden. Die Sache sei in Abklärung, antwortete Leuthard, und: Die Pilatus Flugzeugwerke AG verzichteten freiwillig auf weitere Exporte in den Tschad.

Der Hintergrund dieses Verzichts: Der Bundesrat hat gar keine rechtliche Handhabe, um den Export von Pilatus-Flugzeugen in Kriegsgebiete zu unterbinden. Denn das Güterkontrollgesetz, dem die angeblichen «Trainingsflugzeuge» unterstehen, sieht die Verweigerung von Bewilligungen nur im Fall von UN-Embargos und anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen vor.

Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass die Verantwortlichen bei Pilatus plötzlich moralische Skrupel haben. Vielmehr scheint die GSoA-Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten erste Wirkung zu zeigen: Man befürchtet offenbar, dass weitere Lieferungen in den Tschad politischen Schaden anrichten könnten.

Der Verzicht der Stanser Flugzeugwerke dürfte das Déby-Regime allerdings nicht gross schmerzen, laut einer Tchadactuel-Meldung vom 2. Januar 2007 hat es bereits drei weitere PC-7 gekauft – offenbar nicht direkt aus der Schweiz, sondern von einem Drittstaat. Das Güterkontrollgesetz sieht im Gegensatz zum Kriegsmaterialgesetz keine «Endverbrauchererklärungen» vor. Ein Staat, der in der Schweiz Pilatus-Flugzeuge kauft, kann diese weiterverkaufen, ohne die Schweizer Behörden auch nur zu informieren.

So richtig konsequent scheint der Abbruch der Geschäftsbeziehungen zwischen Pilatus und dem Tschad ohnehin nicht gehandhabt zu werden. Laut der NZZ vom 27. Januar 2007 wurden nämlich kürzlich Mechaniker in Pilatus-Kleidung in N’Djamena gesichtet – wahrscheinlich, um die neu erworbenen PC-7 auf Vordermann zu bringen.

Berichtigung

12.6.2007: Anders als im Artikel behauptet wird auch für «besondere militärische Güter» eine Endverbleibserklärung vom Empfängerstaat verlangt. Dies ist dem Autor entgangen, da die entsprechende Regelung anders als beim Kriegsmaterial nicht auf Gesetzes- sondern auf Verordnungsebene festgeschrieben ist. Die GSoA-Zitig entschuldigt sich für das Versehen. Allerdings weisen wir darauf hin, dass auch Endverbleibserklärungen nicht sicherstellen, dass das Kriegsmaterial tatsächlich im Empfängerland bleibt. Dies zeigte etwa der Fall der Vereinigten Arabischen Emirate, die Schweizer Panzerhaubitzen an Marokko weitergeliefert hatten und nach einer kurzen Pause bereits wieder mit Schweizer Kriegsmaterial beliefert werden.