Responsibility to Protect?

In der letzten GSoA-Zeitung kritisierte Norman Paech das Konzept der “Responsibility to Protect” heftig. Recht hat er.

Das Konzept der «Responsibility to Protect» taucht seit einigen Jahren immer wieder auf in den Debatten über die Legitimation von militärischen Interventionen und die Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft angesichts von schweren humanitären Krisen. Den Begriff prägte ein im Jahre 2001 veröffentlichter Bericht der «Internationalen Kommission über Interventionen und staatliche Souveränität».

Die Kommission mit dem etwas klobigen Namen wurde von der kanadischen Regierung eingesetzt und bestand aus einem Dutzend Persönlichkeiten aus Wissenschaft und internationaler Politik. Nach dem tragischen Versagen der Vereinten Nationen während dem Völkermord in Ruanda und dem illegalen NATO-Krieg gegen Serbien, sollte der Bericht die Grundlagen liefern für grundsätzliche Reformen des Systems der internationalen Sicherheit. Die zentrale Frage lautete, wie die Staatengemeinschaft sich verhalten soll, wenn ein Land nicht willens oder nicht fähig ist, seine Bevölkerung vor Gewalt, massiven Menschenrechtsverletzungen und Völkermord zu schützen.

Das Dilemma

In gewissen Situationen sei Zuschauen kaum mehr eine moralische Option, meinten die Autoren des «Responsibility to Protect»-Berichts. Komme es in einem Land zu ethnischen Säuberungen, zu brutaler staatlicher Repression oder zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit, riskiere die internationale Gemeinschaft, sich zur Komplizin zu machen, wenn sie nicht reagiere.

Was im Prinzip vernünftig tönt, wird heikel, sobald es konkret wird: Wer soll beschliessen, wann ein Eingreifen nötig ist? Nach derzeitigem internationalem Recht ist es der UNO-Sicherheitsrat, welcher für solche Entscheidungen zuständig ist. Diesem Gremium mangelt es jedoch an demokratischer Legitimation und oft wird der Rat durch das eigensinnige Handeln der fünf Vetomächte lahm gelegt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dann, wenn ein Eingreifen vielleicht sinnvoll gewesen wäre, der Sicherheitsrat oft blockiert war und die tatsächlich durchgeführten «humanitären Interventionen» vor allem den machtpolitischen Interessen einzelner Staaten als Vorwand dienten.

Fehlende Institutionen

Im Bericht finden sich einige gute Ansätze: Die «Responsibility to Protect» bestehe in erster Linie aus vorsorglichen Massnahmen bevor ein Konflikt überhaupt ausbricht («Responsibility to Prevent») und nur im äussersten Ausnahmefall aus einer militärischen Aktion («Responsibility to React»). Und auch dann dürfe der Fokus der Diskussionen nicht darauf liegen, ob ein Staat das «Recht zur Intervention» habe, sondern einzig darauf, wie den betroffenen Menschen am effektivsten geholfen werden könne.

Welche Institution könnte aber über die Einhaltung dieser Prinzipien wachen und wäre legitimiert zu entscheiden, wann welche Form der «Responsibility to Protect» angebracht ist? Darauf gibt die Kommission keine befriedigende Antwort: Sie setzt auf den UN-Sicherheitsrat in seiner heutigen Form. Falls dieser nicht handelt, könnten unter Umständen auch einzelne Staaten selber das Zepter in die Hand nehmen. Damit wird dem Missbrauch der Idee der «Responsibility to Protect» zur Legitimation von Angriffskriegen natürlich Tür und Tor geöffnet. Tatsächlich bezog sich beispielsweise Tony Blair in seinen Reden zum Irak-Krieg immer wieder auf dieses Konzept.

Die Diskussionen zeigen, dass langfristig eine radikale Stärkung der demokratischen Strukturen in der UNO von Nöten ist. Viel von unserer Freiheit rührt daher, dass wir das Gewaltmonopol dem Staat abgetreten haben. Auf globaler Ebene muss irgendwann eine ähnliche Umlagerung von den Staaten zur UNO hin stattfinden.

Bis diese Utopie jedoch Realität wird, fragt es sich, ob es sich überhaupt lohnt, viel über die Modalitäten einer «Responsibility to React» nachzudenken, solange die Staatengemeinschaft schon bei der «Responsibility to Prevent» so kläglich versagt wie heute.