Militarisierung und Gewalt statt politische Lösungen in Oaxaca

Ein Jahr ist es her seit der polizeilich-militärischen Niederschlagung des zivilen Aufstandes gegen den korrupten Gouverneur in Oaxaca, Südmexiko. Die Militarisierung der inneren Sicherheit schreitet seither voran.

 

Von Philipp Gerber, Peace Watch Switzerland*

Oaxaca, neben Chiapas der ärmste Bundesstaat Mexikos mit grossem indigenem Bevölkerungsanteil, erlebt eine Phase der gespannten Ruhe. Aber die Ruhe täuscht, das zeigten diesen Sommer die wiederaufflammenden Proteste rund um das indigene Fest «Guelaguetza», das von der Regierung vereinnahmt wurde und von Polizeieinheiten abgeschirmt stattfand. Am Rande kam es zu stundenlangen Auseinandersetzungen, in deren Folge mehrere Personen schwer verletzt wurden, darunter auch ein Menschenrechtsanwalt.

Präsenz von Peace Watch

Aufgrund der weiter angespannten Lage hat sich Peace Watch Switzerland entschlossen, von Juli bis Dezember 07 weiter in Oaxaca mit einer Freiwilligengruppe präsent zu sein und in einem Konfliktmonitoring mit lokalen Partnerorganisationen zusammen zu arbeiten. Thema ist dabei insbesondere auch die Frage nach den Chancen einer politischen Lösung, eines Verhandlungsprozesses. Doch die Basler Freiwillige Susanna Sutter-Kehlstadt resümiert einen Zwischenbericht pessimistisch: «Bezüglich der Aussichten auf demokratische Entwicklung und Aufarbeitung des Konflikts sehe ich schwarz.»

Testfeld für die demokratischen Institutionen und Barometer der Systemkrise waren die Lokalwahlen vom 7. August und 5. Oktober. Die Wahlabstinenz im August zur Erneuerung des Parlaments erreichte den historischen Höchstwert von 65%. Eine eigentliche Alternative zum System von Gouverneur Ruiz Ortiz stand nicht zur Wahl, da auch die sozialdemokratische Partei PRD lokal über keine wirklich unabhängigen Kandidaten verfügte. Südmexiko bleibt ein Pulverfass sozialer Unruhe, ohne dass dieses Unbehagen innerhalb der parlamentarischen Demokratie eine politische Repräsentation hätte.

Militarisierung der inneren Sicherheit

Die Antwort der Regierung Calderón auf die soziale Unruhe ist simpel: Militarisierung der inneren Sicherheit. Seit dem Amtsantritt von Calderón wird das Militär vermehrt eingesetzt; erst bei der Wiedereroberung von Oaxaca Stadt als «Präventivpolizei» (PFP) verkleidet (die Sondereinheit PFP wird von Militärs befehligt) und nun bei der Sicherstellung reibungsloser Wahlen in Oaxaca. Seit sich diesen Sommer auch noch die ehemals marginale Guerilla EPR mit Anschlagsserien auf Gaspipelines in weiten Teilen Mexikos zu Wort meldet – und damit die Industrie des Landes lahm legte – hat das Militär erst recht freie Hand. Die Anschläge sind ein typischer Ausdruck der politischen Krise in Mexiko: Am 25. Mai wurden laut EPR

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Protestbewegung in Oaxaca macht weiter.

 

 

in Oaxaca zwei ihrer Kader in Polizeigewahrsam genommen – und sind seither verschwunden. Vermutet werden sie in den Händen des Militärs, vielleicht sind sie auch schon tot. Gegen dieses Verschwindenlassen, eine Taktik des «schmutzigen Krieges» der Siebziger Jahre, protestiert die kleine Guerillagruppe mit ihren Anschlägen.

Mit der Militarisierung driften Oaxaca und Südmexiko in rasantem Tempo weiter von politischen Lösungsansätzen weg: die politischen Räume für den zivilen Protest, wie denjenigen der APPO (Asamblea popular de los pueblos de Oaxaca), werden enger. Der befreiungstheologische Bischof Raúl Vera, der auch in Oaxaca zu vermitteln versuchte, kritisierte in einem Interview Ende September die Straflosigkeit, mit welcher das Militär walten kann und meint: «Die Türe für diese straffreie Aktionen der Militärs zu öffnen, heisst, sie für den Beginn einer Diktatur zu öffnen.»

Veranstaltungsreihe zu Oaxaca

Erangelio Mendoza, Lehrer und vormaliger Generalsekretär der LehrerInnengewerkschaft «Seccion 22», berichtet von seinen Erfahrungen und der aktuellen Situation in Oaxaca. Die Stationen seiner Schweizerreise:

  • Zürich, 27.10. 17.00 Uhr: Podiumsdiskussion am Festival de los Espejos, Kulturmarkt, Ämtlerstrasse 23.
  • Zürich, 30.10. 19.00 Uhr beim vpod, Sitzungssaal, Birmensdorferstrasse 67, 5.Stock.
  • St.Gallen, 31.10. 19.30 Uhr: CaBi Antirassismustreff, Linsebühlstrasse 47.
  • Basel, 1.11. 20.00 Uhr: Gewerkschaftshaus, Rebgasse 1.

Weitere Infos unter: www.medicointernational.ch


* Peace Watch Switzerland bildet Freiwillige als MenschenrechtsbeobachterInnen in Konfliktregionen aus. Nächstes Training für Freiwilligeneinsätze in Mexiko/Guatemala im November, Infos: chiapas@peacewatch.ch, www.peacewatch.ch

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