Rückblick auf 40 Jahre Pazifismus

Die GSoA entstand nicht aus dem Nichts. Ihr Auf und Ab widerspiegelt die Hochs und Tiefs des Pazifismus in der Schweiz.

In der Schweiz wurden die 68er und die ihr folgenden sozialen Bewegungen aussergewöhnlich stark durch das pazifistische, antimilitaristische, rüstungskritische Engagement geprägt. Die Zahl der Militärverweigerer, deren jährlicher Durchschnitt in den ersten zwanzig Jahren nach Kriegsende knapp 40 betragen hatte, schnellte 1966 auf 122, betrug in den 1970er Jahren im Durchschnitt 331 und erhöhte sich in den 1980er Jahren auf 612. Allein in den 1970er und 1980er Jahren sind damit fast 10’000 junge Männer wegen der Verweigerung von Rekrutenschulen und Wiederholungskursen verurteilt worden, was nicht nur monatelange Haftstrafen, sondern häufig Berufsverbote und familiäre Tragödien, aber auch erhöhtes Sozialprestige in den recht breiten Alternativszenen zur Folge hatte. Der Kampf in der Armee führte zur Bildung von Soldatenkomitees, deren beste Zeiten die frühen 1970er und die ersten 1980er Jahre waren.

Auf der institutionellen Ebene gab es eine Reihe von Volksabstimmungen, die alle aufzuzählen hier zu weit führen würde. Im September 1972 wurde die vom Schweizerischen Friedensrat angeregte Waffenausfuhrverbotsinitiative mit 49,7 Prozent Ja-Stimmen äusserst knapp verworfen. Im Dezember 1977 wurde die erste Zivildienst-Vorlage, die nur für «unpolitische» Militärverweigerer einen «Ersatzdienst» vorsah und deshalb auch von einem Teil der PazifistInnen abgelehnt wurde, mit einem Ja-Anteil von 37,6 Prozent der Stimmenden bachab geschickt. Auch die Tatbeweis-Initiative, die auf eine unwürdige Gewissensprüfung verzichten wollte, blieb im Februar 1984 bei einem Ja-Stimmen-Anteil von 36,2 Prozent chancenlos. Es war den Militärs gelungen, aus der zweiten Zivildienstinitiative eine Armeeabschaffungsinitiative zu machen.

Gründungsphase der GSoA

Diese Erfahrung bewog viele Verweigerer und Zivildienstaktivisten, der 1982 gegründeten Gruppe für eine Schweiz ohne Armee beizutreten. Was der Forderung nach Armeeabschaffung ihre besondere Brisanz verlieh, zeigte die stark von der GSoA geprägte «Kluncker»-Kampagne im Spätsommer 1989 gegen die «Diamant-Feiern» zum 50. Jahrestag der Kriegsmobilmachung. Sowohl bei der geschichtspolitischen Kampagne wie auch bei dem direkt darauf folgenden Abstimmungskampf ging es wesentlich um die Infragestellung der kollektiven Lebenslüge der offiziellen Schweiz, sie sei dank ihres militärischen Widerstands und nicht primär wegen der wirtschaftlichen Kollaboration von den Nazis verschont worden. An all den äusserst bewegten Abstimmungsveranstaltungen und am GSoA-Festival auf dem Bundesplatz in Bern haben gesamthaft etwa 70’000 Personen teilgenommen. Dass mehr als ein Drittel der Stimmenden und die Mehrheit der Jungen der utopischen Forderung einer Schweiz ohne Armee zustimmten, erklärt sich auch durch den Glücksfall, dass knapp drei Wochen vor der Abstimmung die Berliner Mauer fiel.

Das Ende des Kalten Krieges und erst recht die Auflösung des Warschauer Paktes im Juli 1991 stürzten nicht nur die schweizerische, sondern alle Armeen in Legitimations- und die Rüstungskonzerne in Absatzkrisen. Gleichzeitig bot die Implosion des so genannt «realsozialistischen» Lagers den USA die Chance, ihre militärische Macht imperial auszuweiten. Zur Bannung der Gefahr wie zur Wahrung der Chance sollte sich der grossserbische Tyrann Milosevic gleichsam als «diabolus ex machina» erweisen. Am Anfang des Balkankrieges standen eine UNO und eine OSZE, die dank ihrer Rolle bei der friedlichen Auflösung des Ostblocks ein hohes Ansehen genossen, was sie für die NATO umso gefährlicher machte. Am Schluss standen im Frühjahr 1999 der völkerrechtswidrige Kosovokrieg, die Verwandlung der NATO in ein globales Offensivbündnis und die Marginalisierung der UNO.

Rückschläge

Die GSoA erfasste sehr früh, dass der Krieg in Ex-Jugoslawien für die friedliche Lösung von Konflikten einen globalen Rückschlag bedeuten und den Armeen neue Legitimität verleihen würde. Bereits 1989 knüpfte sie erste Kontakte mit antimilitaristischen Gruppen in Slowenien. Daraus ergab sich eine enge Zusammenarbeit mit Antikriegsbewegungen in Kroatien, Bosnien und Serbien. So beteiligte sich die GSoA am internationalen Freiwilligenprojekt für den sozialen Wiederaufbau von Pacrac, einer von Serben und Kroaten bewohnten Kleinstadt in Kroatien. Die beiden zentralen GSoA-Botschaften lauteten aufgrund der konkreten Erfahrungen auf dem Balkan: Politische Prävention und Zivile Lösungen!

In diesem Zeichen standen unser Referendum gegen die Erleichterung von militärischen Auslandeinsätzen, das wir im Juni 2001 knapp verloren, und die beiden Volksinitiativen für eine Schweiz ohne Armee und für einen Freiwilligen Zivilen Friedensdienst. Die Doppelabstimmung im Dezember 2001 stand ganz im Schatten der Terroranschläge vom 11. September und eines kurzfristigen Prestigegewinns militärischen Dreinschlagens auf Kosten ziviler Konfliktbearbeitung. Der Irak-Krieg und die weltweite Friedensbewegung, die im Frühjahr 2003 auf dem Berner Bundesplatz zu den zwei grössten Kundgebungen in der Schweizer Geschichte führten, haben das Kräfteverhältnis in der Linken und in der Gesellschaft stark verändert und damit den Pazifismus aus seinem historischen Tief geholt.