Mehr Waffenschutz ohne Wehrpflicht

Ein entscheidender Grund für die Ablehnung der Waffenschutzinitiative war die in der bürgerlich-traditionalistischen Bevölkerung verankerte Überzeugung, dass Waffe, Soldat und Schweizerbürger eine unzertrennliche Einheit bilden. Der Ursprung dieser Überzeugung liegt in der Wehrpflicht. Wäre sie aufgehoben, wäre auch die Abstimmung über die Waffenschutzinitiative anders verlaufen.

Früher galt im Kanton Appenzell der mitgebrachte Säbel als eine Art Stimmrechtsausweis bei der Landsgemeinde. Nach alter Tradition war nur der wehrfähige und wehrpflichtige Mann stimmberechtigt. Diese direkte Verbindung von Waffe und Bürgerrecht gibt es heute glücklicherweise nicht mehr. Die Argumente der GegnerInnen im Abstimmungskampf haben aber gezeigt, dass das Selbstverständnis, wonach ein unbewaffneter Mann kein ehrhafter Schweizerbürger sei, in bürgerlich-traditionalistischen Schichten nach wie vor stark verankert ist. So wurde im Abstimmungskampf immer wieder argumentiert, dass der rechtschaffene Bürger durch die «Entwaffnung» entmündigt, unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert werde. Ganze Staatstheorien wurden mit der Bewaffnung der Schweizer Bürger begründet, so hiess es, der Schweizer Staat sei gefährdet, wenn die Waffen zentral gelagert würden. Bundesrat Ueli Maurer argumentierte, dass es einen Widerspruch darstelle, vom Milizsoldaten zu verlangen, dass er mit seinem Leben für dieses Land einstehen müsse, ihm jedoch die Waffe nicht anzuvertrauen. Die Bewaffnung des Bürgers wurde zum Sinnbild des wehr- und ehrhaften Schweizers gemacht, die Aufbewahrung der Waffe zur Schicksalsfrage der Schweiz hochstilisiert.

Wehrpflicht als Bindeglied

Das Bindeglied, das die pathetische Verknüpfung von Waffe, Milizsoldat und Schweizer Bürgerrecht möglich macht, ist die Wehrpflicht. Wäre die Wehrpflicht und damit auch das Massenheer aufgehoben, dann wäre die Armee ein Dienstleistungsbetrieb mit Staatsangestellten, dessen Daseinsberechtigung stärker denn je anhand von sachlichen Kosten-/Nutzen-Kriterien beurteilt werden müsste. Ohne Wehrpflicht wäre der Schweizer nicht mehr bewaffneter Miliz-Soldat, sondern Staatsbürger ohne jegliche Pflichten der Armee gegenüber. Zwangsläufig würde die Armee auch in traditionalistisch-bürgerlichen Schichten viel von ihrer Symbolkraft als Schweizer Wert verlieren. Der Abstimmungskampf zur Wehrpflichtinitiative wird also noch stärker als die vergangene Auseinandersetzung von einem emotionalen Kampf um Werte, Traditionen und Identität geprägt sein. Denn eine breite Diskussion tut not.

Fazit: Das Beispiel der Waffenschutzinitiative zeigt, dass die Aufhebung der Wehrpflicht nicht nur auf der sachlogischen Ebene eine Notwendigkeit darstellt. Sie würde auch dazu führen, dass die Verteidigungsreflexe der traditionalistisch-konservativen Schichten nicht mehr so einfach aktiviert werden könnten wie heute. Der Kultur dieses Landes würde dies zweifellos sehr gut anstehen. Der Waffenschutzinitiative hätte es vielleicht zum Sieg gereicht.