Newsletter Ukraine 21

Liebe Leser*innen

Diese Woche befassen wir uns mit einem ganz bestimmten Aspekt des Ukrainekriegs: der Bayraktardrohne TB2. Diese türkische Drohne wird seit Beginn des Krieges aufseiten derukrainischen Streitkräfte eingesetzt. Keine Angst, dies verkommt nicht zu einem militärstrategischen Text über die “Effektivität” von Drohnen in Kriegen, sondern deren Rolle für die Türkei, die Ukraine und auch jene, welche das Ziel dieser Drohnen sind.

Die Bayraktardrohnen haben in der Ukraine mittlerweile Kultstatus erlangt, bereits eine Woche nach der Invasion Russlands erschien ein Song, der dieser Drohne und dem gleichnamigen Erfinder gewidmet wurde. Die Drohnen waren gemäss ukrainischen Angaben unter anderem an der Versenkung des prestigeträchtigen, russischen Militärschiffs Moskva beteiligt. Unterdessen hat sich der Rummel um die unbemannten Kampfdrohnen wieder gelegt: Weil Russland diese auch rasch abschiesst, schreibt Selensky diesen Fluggeräten eher eine marginale Rolle im Kriegsverlauf zu

Seit Jahren wird vor allem in militärischen Kreisen über die Rolle von Drohnen in Kriegen diskutiert. Obama erhoffte sich von deren Einsatz eine “saubere” Kriegsführung, die einzelne von der USA als Terroristen bezeichnete Personen zum Ziel hat und die Anzahl Toter Zivilist*innen und US-amerikanischer Soldaten reduzieren sollte. Diese Argumentation wurde bereits vor Jahren widerlegt, doch unbemannte Flugobjekte haben den grossen Vorteil, dass sie oft leichter bedienbar sind und die Angreifer in keine Gefahrensituation bringe. 

Nun, wieso sind Drohnen und insbesondere Baykraktardrohnen so interessant, dass wir einen Newslettertext dazu verfassen? Diese sind nach ihrem Erfinder Selçuk Bayraktar, Schwiegersohn des türkischen Präsidenten Erdogans, benannt und sind seit ein paar Jahren auf verschiedenen Kriegsschauplätzen präsent. In den letzten Jahren verkam der Export der Drohnen zu einem wichtigen Propagandaelement des türkischen Staates. Diese sind um das Vielfache billiger als israelische oder amerikanische Drohnen, lassen sich einfacher bedienen und greifen auf handelsübliche Bestandteile zurück. Der GPS-Transponder stammt dabei vom Schweizer Hersteller Garmin , der nach eigenen Angaben nichts von deren Nutzung in türkischen Drohnen wusste.

Wer das Ziel der türkischen Kriegsführung in der Luft ist, war von Beginn weg klar: Bayraktar setzte seine ersten Prototypen im Kampf gegen die kurdische Guerilla PKK ein. Durch Erfahrungen in realen Kriegshandlungen wurde die Drohne optimiert. Als Aserbaidschan im Herbst 2020 Armenien angriff, trugen die türkischen Drohnen einen entscheidenden Beitrag zum Sieg der aserbaidschanischen Truppen bei. Aufnahmen der Drohnenangriffe wurden dabei auf grossen Bildschirmen in der Hauptstadt übertragen. Auch der jüngste Angriff der Türkei gegen Südkurdistan im Norden Iraks und Rojava im Nordosten Syriens wurde durch Angriffe von Bayraktardrohnen begleitet. Diese werden wohl auch in naher Zukunft im Krieg zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der Tigray-Rebellen aufseiten der äthiopischen Armee eingesetzt. Der türkische Staat nutzt die Drohnen als wichtiges Element im geopolitischen Wettstreit, so sicherte sich dieser Zugang zu Rohstoffen in Nigeria durch den Verkauf von Bayraktardrohnen an Nigeria.

Kurz vor der russischen Invasion eröffnete Baykar, die Herstellerfirma, einen Ableger in der Ukraine, um die gemeinsame Rüstungsindustrie der Ukraine und der Türkei zu stärken. Zur Produktion fertiger Drohnen kam es wohl aufgrund des Krieges nicht, doch diese Todesbringer aus der Luft zeigen eindrücklich auf, wie stark verbandelt verschiedene Konflikte sind und wie Kampferfahrungen in der Ukraine genutzt werden können, um die kurdische Bevölkerung noch präziser bombardieren zu können.

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