1000 Frauen für den Friedensnobelpreis

Das Projekt «1000 Frauen für den Friedensnobelpreis» will die vielfältigen Aktivitäten von Frauen für eine friedliche Zukunft ins öffentliche Bewusstsein rücken.

Im Januar dieses Jahres konnte die Liste der nominierten Friedensfrauen mitunterzeichnet von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und weiteren namhaften Persönlichkeiten beim Nobelpreiskomitee in Oslo eingereicht werden, rechtzeitig für die Verleihung des Friedensnobelpreises im Herbst dieses Jahres.

Mit Hilfe von 20 internationalen Koordinatorinnen wurden in den letzten Jahren 1000 Frauen ausgewählt. Jede dieser Frauen leistet in ihrer Region, ihrem Land oder international einen wichtigen Beitrag für den Frieden. Die Frauen sind in unterschiedlichsten Bereichen tätig, zum Beispiel im Kampf für politische Rechte, in der Gewaltbekämpfung, in der Bildung oder im Umweltschutz. Ausführliche Informationen zum Projekt und zu den 1000 nominierten Frauen sind im Internet zu finden unter www.1000peacewomen.org. Über diese Webseite kann ab November 2005 auch das «Buch der 1000 Friedensfrauen» bestellt werden, welches die Arbeit, Methoden und Visionen der Frauen porträtiert.
David Buchmann sprach für die GSoA-Zeitung mit der Initiantin des Projekts, der Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot.

Frau Vermot, wann waren Sie zum ersten Mal sicher, dass die Nomination der 1000 Frauen zustande kommt?

Es war eine intensive Arbeit, die 1000 Frauen zu finden. Wir mussten ja zuerst wissen, nach welchen Kriterien wir die Frauen suchen. Auch wollten wir schon mit dem Nominierungsformular möglichst viele Informationen über die Frauen haben. Sicher, dass es klappen wird, waren wir dann erst Mitte des letzten Jahres, als rund 2000 Nominationen aus 150 Ländern vorlagen. Als wir dann diese grosse Zahl Nominationen einzeln durchgingen, wussten wir, dass dies ein erster Erfolg für unser Projekt war.

Das Projekt nominierte ausschliesslich Frauen. Geht es Ihnen dabei um die Gerechtigkeit – bisher erhielten fast nur Männer den Friedensnobelpreis – oder gibt es Friedensleistungen, die nur Frauen erbringen?

Nachdem ich in Flüchtlingslagern und kriegszerstörten Ländern gesehen hatte, was Frauen beim gesellschaftlichen und materiellen Aufbau, bei der Versöhnungs- und Friedensarbeit leisteten, habe ich immer wieder gestaunt über die Nominationen von Männern, die – mit Ausnahmen natürlich – zwar Kriegshandlungen spektakulär und öffentlich gefeiert beendeten, jedoch offensichtlich nicht an der mühsamen Friedens- und Versöhnungsarbeit oder am Aufbau der Zivilgesellschaft interessiert waren. Es gibt eben kaum Friedensmänner!

Ausserdem haben bis heute 80 Männer und nur 12 Frauen den Friedensnobelpreis erhalten. Die letzten beiden waren die mutige Shirin Ebadi, Menschenrechtlerin aus dem Iran und die engagierte Wangari Matthai aus Kenya.

Die Aufbauarbeit der Frauen ist meist leise, versteckt, unsichtbar. Es braucht Mut, langen Atem und viel Kreativität. Man muss von vorne beginnen können, Abweisungen verfeindeter Gruppen – Balkan oder in Afrika – ertragen können, man muss auch Bedrohungen durch die Regierungen, Paramilitärs oder die Polizei standhalten können. Und da sind die Frauen besonders stark. Sie sind am Leben und an der Entwicklung interessiert, nicht an der kurzfristigen Machtfülle durch Kriege und Schlachten.

Sie haben vorhin gesagt, dass sie rund 2000 Nominationen hatten. Wie haben Sie aus dieser Liste ausgewählt?

2000 nominierte Frauen – das war wunderbar aber gleichzeitig auch eine Herausforderung. Wir wollten an der symbolischen Zahl 1000 festhalten. Die 20 Koordinatorinnen der verschiedenen Weltregionen wollten jedoch die Auswahl aus verständlichen Gründen nicht alleine treffen. So organisierten wir in den Regionen Auswahlgremien, die nach klaren Kriterien die Frauen auswählten. Viele Frauen, die nun nicht auf der Liste sind, waren enttäuscht. Das verstehe ich, ich kann es erklären, aber ich kann es nicht ändern.

Andererseits gibt es auch Länder, in denen politische Aktivität gefährlich ist. Gab es Personen, die nicht auf die Liste wollten, weil sie sich vor der öffentlichen Aufmerksamkeit fürchten müssen?

Ja, wir haben eine lange Liste von Frauen, die nicht auf die Liste wollten oder konnten, weil sie sonst gefährdet sind. Es gab politische Druckversuche von Ländern, die uns ihre Kandidatinnen aufzwingen wollten. Andere wiederum wollten Frauen, die sich in bestimmter Weise engagierten, von der Liste verbannen. Das war vor allem auch für unsere Koordinatorinnen sehr schwierig. Ich bin aber überzeugt, dass unser professionelles Auftreten und die Öffentlichkeit des Projektes rasch deutlich gemacht haben, dass wir uns von keiner politischen oder kirchlichen Strömung missbrauchen lassen. Das verhinderte jedoch nicht, dass Frauen in bestimmten Gewaltumfeldern trotzdem gefährdet sind, das können wir leider nicht verhindern. Wir nennen im Buch zum Projekt, mit dem wir die Friedensarbeit aller Nominierten sichtbar machen, die tausendste Frau «Anonyma». Sie steht für alle jene Frauen, die wir nicht nominieren konnten, weil ihr Leben gefährdet worden wäre.

Auf der Projektwebseite wird gesagt, dass die Arbeit der nominierten Frauen wissenschaftlich dokumentiert wird, um auch nach Abschluss des Projekts nachhaltig zu wirken. Wie wird dies konkret gemacht?

Das Geographische Institut an der Uni Bern hat im Sommersemester 2005 gemeinsam mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen und Geschlechterforschung Bern eine sehr gut besuchte Lernveranstaltung organisiert. An der Uni Bern und weiteren Universitäten im Ausland arbeiten verschiedene Frauen mit den Informationen aus den sehr ausführlichen Nominationsformularen. Bei der Gestaltung des Formulars haben wir mit Wissenschaftlerinnen zusammengearbeitet. Zu einem späteren Zeitpunkt werden Studentinnen und Doktorandinnen sicher auch Friedensfrauen aufsuchen. Die Sichtbarmachung und die Forschung sind für mich zentrale Themen, weil ich möchte, dass die Erfahrungen der Friedensfrauen ausgewertet werden und die Resultate in die Regierungen, die Zivilgesellschaften und die internationalen Organisationen zurückfliessen – dort, wo Entscheide gefällt, Macht verwaltet und politisch gehandelt wird.
Lernen von den Friedensfrauen ist angesagt!

Vielen Dank für das Gespräch. Die GSoA wünscht dem Projekt viel Erfolg und hofft, dass das Nobelpreiskomitee die Friedensarbeit der Frauen würdigen wird.

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