Armeefrei im dritten Jahrtausend

12 Jahre sind es seit der ersten Initiative zur Armeeabschaffung. Die GSoA ist eine andere, die Schweiz ist eine andere, sogar die Schweizer Armee, die damals einen gehörigen Schock erlitt, ist eine andere geworden. Aber erst recht im Wege. Darum: Besser armeefrei im dritten Jahrtausend!

Nerven sind blankgelegen, Fakten in letzter Minute vershreddert worden, Pressesprecher wurden angewiesen, Unmögliches zu schaffen. Skandale wurden vertuscht, Vorkommnisse verschwiegen; es musste dementiert, rich-tig gestellt, korrigiert werden. Regli, Bellasi, Truppenbesuche in Striplokalen, Verkauf von Clustermunition – was ist nur aus der einst ach so stolzen Schweizer Armee geworden? Eine Überlebenskünstlerin, die seit zwölf Jahren keinen Aufwand scheut, den Kopf über Wasser zu halten. Man könnte fast Mitleid mit ihr bekommen: Nicht nur, dass sich die Armee von der Wirtschaft heute die Bedingungen diktieren lassen muss und dabei nur leer schlucken darf, nein, seit einigen Jahren werden die Armeechefs sogar bei der eige-nen Partei ausgepfiffen. Und altgediente Generalstäbler werden in Zeitungsinseraten als «grosskotzige Militärköpfe» beschimpft. Dazu kommt eine Linke, die eh ständig an der Armee herumnörgelt, sie mal halbieren, mal abschaffen, mal ins Pfefferland und mal ins Ausland wünscht. Sogar der Russe, der unserer Armee während Jahren treu als Feindbild zur Seite stand, ist desertiert. Es ist zum Heulen.


Ogi wirkte Wunder

Mitleid soll uns aber nicht davor abhalten, die Entwicklung der Armee nüchtern zu betrachten. Eines ist in den letzten Jahren klar geworden: Die Armee besitzt eine schier unheimliche Begabung, sich wieder und wieder zu legitimieren; sie ist quasi zum tarnfarbenen Chamäleon geworden. Und hat damit jenen einen Strich durch die Rechnung gemacht, die nach 1989 geglaubt haben, die Armee schaffe sich nun selber ab. Die Armee hat noch immer fast 400’000 Soldaten unter Waffen und kostet uns gut 9 Milliarden pro Jahr. Und wichtiger: Der Fall des Tabus «Armee» Ende der 80er Jahre und die daraus entstandene Möglichkeit (vor allem für die Medien), die Armee zu kritisieren und unter Druck zu setzen, zwang die Militärs dazu, ernsthaft nach einer neuen Legitimation zu suchen. In Ogi fand die Armee den Mann, von dem man glaubte, er könne diese Änderungen besser der öffentlichkeit verkaufen als der blasse Villiger. Und Ogi hat seine Arbeit für die Armee so schlecht nicht getan: Er entlarvte die autonome Landesverteidigung auch innerhalb Armeekreisen als Mythos, brachte die Schweiz in die Partnership for Peace (pfp) mit der Nato ein und forderte Kooperation mit den umliegenden ausländischen Armeen. Ogi nahm dabei in Kauf, sich mit den Kreuzrittern der Landesverteidigung um die Auns zu zerstreiten, gewann damit aber auch Sympathien eines Teils der ursprünglich armeekritischen Linken und eines Teils der Medien, die Ogis militärpolitische Annäherung an die Nato mit «öffnung» verwechselten.

Eine gefährliche Entwicklung
Die GSoA wandte sich 1989 gegen den Mythos einer bewaffneten Landesverteidigung. Dieser Mythos ist zerstört, die heilige Kuh gefressen, nicht einmal mehr innerhalb Armeekreisen ist Landesverteidigung ein ernsthaftes Szenario. Kann sich die GSoA also zurücklehnen? Mit dem Start einer ausführlichen Diskussion über zwei neue Initiativen im Jahr 1996 haben wir die Antwort darauf gegeben: Im Mittelpunkt unserer Kritik stand nicht mehr die Landesverteidigung, sondern eine neue Armee, wie sie jetzt mit der Armeereform XXI in ihre Form gegossen werden soll. Mit hoher Geschwindigkeit hat die Armee den Richtungswandel vollzogen: Sie soll kleiner, schlanker, moderner, teurer werden und mit semiprofessionellen Strukturen ausgestattet werden. Mit dieser Entwicklung passt sie sich an die anderen westlichen Armeen an: Weg von übergrossen Milizarmeen, hin zu kleinen, mit dem höchsten Stand der Technik ausgerüsteten Einsatzkräften, die sofort und flexibel einsetzbar sind. Seit 1998 steigen in Europa und den USA die Rüstungsausgaben wieder markant. Nach der Umsetzung der Armee XXI, so die Ankündigung der Armeespitze, sollen sie auch in der Schweiz wieder steigen. Zur Angleichung der Strukturen kommt auch eine Anpassung der Doktrin: Die Schweizer Armee will sich interoperabel in das Konfliktmanagement der reichen Staaten einfügen. Die «Solidarität» der Schweiz gilt dabei den Armeen der nordwestlichen Industrieländern: Im Verbund soll sich die Schweiz an der Kontrolle der Konflikte beteiligen, die zu einem guten Teil durch eine neoliberale Politik der reichen Industrienationen mitverursacht werden. Das bedeutet zum einen die Fähigkeit zur Teilnahme an friedensunterstützenden Operationen der Nato, die von der Uno bestenfalls noch mandatiert werden, und die dort stattfinden, wo es die westlichen Staaten für notwendig halten. Zum anderen soll auch eine andere Einrichtung wieder in Mode kommen: Wie auch in anderen westlichen Staaten bereiten die zunehmenden Proteste der GlobalisierungsgegnerInnen Sorgen. Die Armee sieht für sich darum neue Einsatzmöglichkeiten im Inland. Bereits im Rüstungsprogramm 2002 sind elektronische Überwachungsanlagen für den Objektschutz vorgesehen. Genua grüsst Davos….


Auch die Schweizer Armee löst keine Konflikte

Die falsche Logik militärischer Konfliktpolitik hat in den letzten Jahren wieder an Boden gut gemacht. Das ist paradox, ist doch die Bilanz von bald zehn Jahren militärischer Interventionen auf dem Balkan, in afrikanischen Staaten, im Irak und in Asien ernüchternd. Oft ist es trotz enormen Mitteleinsatz nicht einmal gelungen, den Konflikt einzufrieren; und wenn politisch nachhaltige Verbesserungen erreicht wurden, dann gelang dies meistens trotz und nicht wegen militärischer Einsätze. Dennoch: Wann immer auf dieser Welt ein Konflikt auftaucht, denkt man heute fast automatisch an militärische Mittel zu deren Eindämmung. Dies hat sich nicht zuletzt bei der Abstimmung über das Militärgesetz in der Schweiz gezeigt, als selbst linke PolitikerInnen – ob bewusst oder unbewusst – in dieser Militärlogik argumentierten. Dass bei dieser Sicht alternative Konfliktlösungsansätze, die Bekämpfung von Konfliktursachen und zivile Lösungen aus dem Blickwinkel geraten, scheint offensichtlich. Diese Entwicklung kann nur aufgehalten werden, wenn glaubwürdige und funktionierende zivile Mittel propagiert und bekannt gemacht werden.

Zweimal Ja am 2. Dezember: Dafür brauchen wir euch!
Am 2. Dezember kommen die beiden Initiativen «Für eine Schweiz ohne Armee» und «Für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst (ZFD)» zur Abstimmung. Der Zeitpunkt ist günstig: Die Armeeführung steckt im Dilemma. Die nationalkonservativen Kreise fordern autonome Landesverteidigung, sicherheitspolitisch aber liegt die einzige Perspektive der Armee in der Kooperation mit der Nato. Eine geschlossene Allianz der Armeebefürworter wäre also höchst unglaubwürdig und brüchig. Eine wirkliche Alternative für die Schweiz, die auch der Welt nützt, bietet die GSoA: Eine zivile Konfliktpolitik, welche die Ursachen von Konflikten bearbeitet und auf zivile Lösungen setzt. Es ist uns gelungen, mit einer glaubwürdigen Kampagne zum Militärgesetz auf diese zivilen Lösungen aufmerksam zu machen. Nun gilt es die Mittel dazu vorzustellen: Eine Welt ohne Schweizer Armee. Und einen zivilen Friedensdienst. Wir wissen: Eine bewegte und bewegende Kampagne können wir nur mit möglichst vielen Menschen schaffen, die bereit sind, daran mitzuarbeiten. In vielen Regionalgruppen laufen die Vorbereitungen schon auf Hochtouren. Du bist herzlich eingeladen, dich mit uns an dieser Kampagne zu beteiligen!