Atomwaffensperrvertrag am Ende?

Mit dem Atombombentest im Oktober dieses Jahres wurde Nordkorea zur neunten Atommacht. Und auch dem Iran werden nukleare Ambitionen nachgesagt. Ist damit der Atomwaffensperrvertrag von 1976 gescheitert? Und warum streben Länder überhaupt nach nuklearer Bewaffnung?

Am 29. Januar 2002 prägte George W. Bush in einer Rede zur Lage der Nation den Begriff der «Achse des Bösen». Im Kontext des 11. Septembers 2001 stellte er Nordkorea, Iran und Irak als Länder dar, welche den «Terrorismus» unterstützen, und behauptete, sie seien eine Bedrohung des Weltfriedens. Viereinhalb Jahre später ist Nordkorea eine Atommacht geworden, im Irak herrscht immer noch Krieg und der Iran beharrt darauf, Uran anzureichern. Die Politik von George W. Bush ist grandios gescheitert.

Schadenfreude wäre jedoch völlig fehl am Platz, denn mit jeder neuen Atommacht steigt auch das Risiko, dass die grausamste aller Waffen wieder eingesetzt wird. Dass seit Ende des Kalten Krieges mit Indien, Pakistan und Nordkorea gleich drei Länder nukleare Waffen entwickelt haben, gibt Anlass zu grosser Besorgnis. Der Atomwaffensperrvertrag von 1976 scheint mehr und mehr in Frage gestellt.

Kontraproduktiver «Präventiv-Krieg»

Der Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten auf Afghanistan und den Irak hat eine gefährliche Botschaft ausgesandt. Kein Land, welches sich den westlichen Interessen entgegenstellt, kann sicher sein, dass es nicht auch eines Tages angegriffen wird – es sei denn, es verfüge über nukleares Abschreckungspotenzial. Für Regierungen, welche nicht wirklich gefestigt sind, werden Atomwaffen auch zu einem wichtigen innenpolitischen Signal der Unantastbarkeit. Insbesondere die Diktatoren von Pakistan und Nordkorea signalisieren damit der eigenen Bevölkerung ihre Macht.

Durch die Weigerung der Grossmächte, mit «Schurkenstaaten» einen Dialog zu führen, ist die Bombe der scheinbar einzige Weg geworden, sich als vergleichsweise kleiner Staat auf dem internationalen Parkett Gehör zu verschaffen. Mit der Möglichkeit konfrontiert, dass Nordkorea die eigene Nukleartechnologie an weitere Länder oder Gruppen weitergeben könnte, sind die Grossmächte gezwungen, sich irgendwie mit Pjöngjang zu verständigen. Ein Militärschlag gegen Nordkorea ist heute wohl ausgeschlossen.

Scheideweg?

Immer mehr Staaten stossen zum ehemals kleinen Kreis der Atommächte. Damit steigen natürlich auch die Ambitionen von rivalisierenden Nachbarländern. So sind in Südkorea und Japan bereits Stimmen laut geworden, die eigene Atomprogramme fordern. Und gelingt es dem Iran, zur Atommacht aufzusteigen, werden wiederum andere Länder auf den Plan gerufen.

Lange Zeit behinderten wissenschaftliche Schranken die Verbreitung der Atombombe. Noch heute ist es für wirtschaftlich schwach entwickelte Länder nicht einfach, Nukleartechnologie zu betreiben. Doch der Atomwaffentest in Nordkorea hat gezeigt, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass keine weiteren Staaten mehr zum Zirkel der Atommächte stossen.

War das «Gleichgewicht des Schreckens» im Kalten Krieg noch eine bipolare und damit vergleichsweise einfache Sache, so wird heute ein gefährliches Spiel mit neun Akteuren gespielt- das Risiko, dass das System aus dem Gleichgewicht gerät und die Bombe tatsächlich zum Einsatz kommt, steigt mit jeder neuen Atommacht.

Abrüsten!

Die Atommächte im UN-Sicherheitsrat sollten sich endlich auf eine Politik besinnen, welche die nukleare Weiterverbreitung nicht anheizt, sondern stoppt. Ein wichtiger erster Schritt wäre, dass die jetzigen Nuklearmächte, allen voran die USA, endlich Ernst machen mit der eigenen Abrüstung. Heute unterminieren besonders Grossbritannien, Frankreich und China mit der Modernisierung ihrer Atomwaffen jegliche Abrüstungsbestrebungen.

Nun wird im Westen oft argumentiert, die «alten» Atommächte bräuchten die Bombe nur zur Abschreckung bzw. um im Falle eines nuklearen Angriffs durch einen «Schurkenstaat» zurückschlagen zu können. Sind diese Aussagen ernst gemeint, so würde nichts dagegen sprechen, die Atomwaffen wenigstens der UNO abzutreten, die sich verpflichten würde, sie niemals für einen Erstschlag zu verwenden.