Breite Palette brisanter Fragen

Am 5.Januar haben wir die Initiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» eingereicht. Eine höchst intensive Debatte steht uns bevor.

Die Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» wirft eine ganze Reihe von militär-, staats- und gesellschaftspolitischen Fragen auf:

  • Die historische Voraussetzung der Wehrpflicht, die konventionelle Verteidigung der nationalen Grenzen, ist zu einem höchst unwahrscheinlichen Fall geworden. Was der Sicherheitspolitische Bericht nicht bot, dazu bietet unsere Initiative eine grosse Chance: eine rationale Analyse möglicher Risiken, Gefahren, Bedrohungen. Diese zeigt, dass es sich bei den realen Bedrohungen um zivile handelt, wie etwa die Klimaerwärmung. Zur Bewältigung der gewaltmässigen Herausforderungen, wie der organisierten Kriminalität oder des Terrorismus, nützen Armeen, erst recht Massenheere, nichts.
  • Grossarmeen sind nicht mehr finanzierbar, weil der einzelne Soldat wegen der technischen Entwicklung immer teurer wird. Kosteneinsparungen waren und sind eine wichtige Triebfeder in der massiven Verkleinerung der meisten Armeen Europas in den letzten zwei Jahrzehnten.
  • Die Schweiz hat – im Verhältnis zur Bevölkerung – die weitaus grösste Armee in Europa, auch im Vergleich zu den allianzfreien Staaten Finnland, Schweden, Österreich und Irland.
  • Die Bereitschaft der Wirtschaft, jährlich für mehrere Millionen von Diensttagen mehrere Milliarden von Franken an Opportunitätskosten zu bezahlen, nimmt ab. Das hat auch mit dem wachsenden Anteil von internationalen Firmen zu tun. Gleichzeitig wird die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger kleiner, für Militärausgaben Steuergelder einzusetzen oder in anderen Bereichen Einsparungen hinzunehmen.
  • Die Wehrpflicht lässt sich zwar für die militärische Verteidigung des Gemeinwesens gegen äussere Feinde, aber nicht für Inland- oder gar Auslandeinsätze legitimieren. Da das traditionelle Verteidigungsszenario historisch überholt ist, hat sie ihre Berechtigung verloren.
  • Eine Armee, die jährlich weniger als die Hälfte der 40‘000 Wehrpflichtigen braucht, gerät in Widerspruch zum Grundsatz der «Wehrgerechtigkeit». Da die vom Bundesrat vorgeschlagene 80‘000er Armee jährlich bloss noch 16‘000 Soldaten braucht, hätte sie die sogenannte «Wehrgerechtigkeit» schwer verletzt. Hier dürfte der Hauptgrund für die im Herbst von den Bürgerlichen beschlossene Aufrüstung der Armee auf 100‘000 Angehörige sein. In anderen Worten: Wer an der Wehrpflicht festhält, verpflichtet sich zu einem Massenheer.
  • Die Wehrpflicht ist wegen der alteidgenössischen Verknüpfung von «wehrlos» und «ehrlos» ein wichtiger Grund für die späte Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz. Noch heute erschwert sie die Gleichberechtigung der Geschlechter.

Die Aufhebung der Wehrpflicht ist eine Befreiungsaktion für die Betroffenen und ein Befreiungsschlag für die Gesellschaft. Die GSoA reicht ihre Initiative in dem Jahr ein, in dem sie – am 12. September – ihren 30. Geburtstag begehen wird. Wir haben seit unserem 25. Geburtstag fast eine halbe Million Unterschriften gesammelt. Diese 107‘000 dürften die brisantesten sein.