Corbyn und andere Rückschläge für die Nato

Die Nato ist nach einer kurzen Offensive politisch wieder in die Defensive gedrängt worden.

Noch vor wenigen Monaten sah es aus, als könnte die Nato in Europa dank Putins Kraftmeierei politisch wieder an Boden gewinnen. Dabei ging es ihr vor allem um die Erhöhung der Militärausgaben und die Verstärkung der Präsenz in ehemaligen Ostblock-Staaten. In jüngster Zeit hat sie allerdings erhebliche Rückschläge erlitten, den grössten in Grossbritannien.

Der Sieg des Kriegsgegners in Grossbritannien

Der deutliche Wahlsieg des Nato-Gegners Jeremy Corbyn am 12. September zum neuen Vorsitzenden der Labour Party verunsichert die Nato, auch wenn sie einen baldigen Austritt Grossbritanniens kaum zu befürchten hat. Wenn 60 Prozent der Mitglieder einer Partei, die 2003 noch den Irak-Krieg unterstützt hat, dem Präsidenten des «Stop the War»-Bündnisses ihre Stimme geben, hat das eine praktische und symbolische Bedeutung. Die geplante «Modernisierung» der britischen Atomwaffen und die Beteiligung an Kriegseinsätzen werden auf grösseren Widerstand stossen. Die Rolle Grossbritanniens als europäische Avantgarde in der Erfüllung einer globalen Mission der Nato ist in Frage gestellt.

Die Verunsicherung der Militärköpfe drückt sich aus in der Putsch-Drohung, die gemäss Sunday Times vom 20. September von einem anonym bleibenden General der britischen Streitkräfte ausgesprochen wurde. «Im britischen Militär ist man über die Möglichkeit einer Corbyn-Regierung sehr aufgeregt. (…) Der Generalstab der britischen Armee (…) wird alle Massnahmen ergreifen, egal ob fair oder unfair. (…) Ausserdem bestünde dann die wirkliche Möglichkeit eines Ereignisses, das man als Meuterei bezeichnen könne.» Das erinnert an konkrete Putschpläne, die um 1970 gegen die Labour-Regierung unter Harold Wilson ausgearbeitet wurden. Deren Kopf war Sir Walter Walker, der zwischen 1969 und 1972 gleichzeitig Befehlshaber eines Nato-Verbandes war.

Iberische Wahlerfolge für Nato-Gegner

Drei Wochen später erlebte die Nato den nächsten Rückschlag an den Urnen. In Portugal war der Linksblock, der seinen Stimmenanteil auf über 10 Prozent verdoppelte, der grosse Wahlsieger. Deren Vorsitzende Catarina Martins bekräftigte nach den Wahlen: «Wir sind gegen eine Mitgliedschaft Portugals in der Nato, denn die Nato sorgt international nicht für Stabilität, sondern für Instabilität.» Die traditionelle Linkskraft, das Bündnis von Kommunisten und Grünen, das seinen Stimmenanteil auf 8,3 Prozent leicht ausbauen konnte, nimmt eine ähnliche Haltung ein. Mit der spanischen Podemos und der katalanischen CUP, der radikal-linken Wahlsiegerin bei den katalanischen Autonomie-Wahlen, gibt es auf der Iberischen Halbinsel zwei weitere aufstrebende Kräfte, welche die Nato-Mitgliedschaft in Frage stellen. Auch in der Bundesrepublik hat die Nato wenig Chancen, ihre Spannungs- und Aufrüstungs- Strategie durchzusetzen. Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist bewusst, dass Putins völkerrechtswidriges Handeln gegenüber der Ukraine auch die Folge von gebrochenen Versprechen gegenüber Michael Gorbatschow ist. Dem Ansehen der Nato schadet weiter der Überraschungscoup der Taliban im afghanischen Kundus. Am 8. Oktober erschien in «Die Zeit» eine ganzseitige Bilanz eines langjährigen Kenners. Im Vorspann des Artikels stehen die Sätze: «An die 30 Reisen nach Afghanistan hat Ulrich Ladurner seit 2011 unternommen. Mit jedem Besuch wuchsen seine Zweifel an der westlichen Intervention.» Inzwischen plädiert der Autor für den Abzug der westlichen Truppen. Der einseitige «Antiterrorismus» der türkischen Nato-Armee gegen die Kurden trägt auch nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Nato bei.

Raus aus der Nato-Partnerschaft!

Auch in der Schweiz zeigen die wenigen Diskussionen, die es über diese Frage gibt, dass das Mitmachen bei der Nato-Partnerschaft für Frieden (PfP) umstrittener ist denn je. Wird sich die SP Schweiz von der Wahl eines Corbyn an die Labour-Spitze dazu bewegen lassen, mit der Nato endlich zu brechen?